zum Hauptinhalt
Eine Lehrerin unterrichtet Schüler:innen einer Grundschule in Osnabrück. (Archivbild)

© picture alliance/dpa/Friso Gentsch

Skepsis gegenüber Astrazeneca-Impfung?: Erzieher und Lehrer sehnen Impfungen herbei

In Schulen und Kitas könnte früher geimpft werden – und hier deutet sich auch eine höhere Bereitschaft an. Doch Sorgen bereiten gezielte Fake News.

Impfstoffe sind in Deutschland reichlich vorhanden – doch der Piks ist bislang noch recht unbeliebt: In Thüringen wollte sich jüngst nur ein Drittel der Beschäftigten in Kliniken und Pflegeheimen überhaupt impfen lassen. Und diese Woche schwänzte bei einer Impfung von medizinischem Personal im Saarland gleich die Hälfte der Gruppe den Termin.

Denn dort gab es das Vakzin von Astrazeneca. Auch in der Gesamtbevölkerung ist die Skepsis gegenüber diesem Impfstoff groß. Laut einer Civey-Umfrage im Auftrag des Tagesspiegels ist nur ein Drittel der unter 65-Jährigen derzeit entschlossen, sich mit Astrazeneca impfen zu lassen – und nicht zu warten, bis Biontech oder Moderna für sie verfügbar ist.

Und so kommt es, dass allein in Berlin 29.000 Dosen des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca ungenutzt herum liegen. Deutschlandweit mehr als 650.000 Dosen. Eine grundsätzlich höhere Impfbereitschaft deutet sich indes beim Kita-Personal und unter Lehrkräften an.

Das zeigen Anfragen des Tagesspiegels bei den Spitzenverbänden Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Arbeiterwohlfahrt (AWO), Caritas, Diakonie sowie dem Verband Bildung und Erziehung (VBE).

Sie alle gehen auf Basis von Rückmeldungen der Basis von einer „hohen“ Impfbereitschaft ihrer Mitglieder aus, mitunter „sehr hoch“ ist sie demnach bei der Caritas. Mindestens so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung könnte auch laut VBE-Bundesvorsitzenden Udo Beckmann die Impfbereitschaft unter seinen Mitgliedern sein.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

„Es ist zudem davon auszugehen, dass die Bereitschaft sogar höher ist, weil es eine so starke Exposition insbesondere bei den jetzt stattfindenden Lockerungen gibt“, meint er. Und Björn Köhler, GEW-Vorstandsmitglied Jugendhilfe und Sozialarbeit, teilt mit: „Beschäftigte tragen immer wieder die Forderung nach einer früheren Impfung an die GEW heran.“

Erzieherinnen und Lehreinnen können ihre Kontakte kaum einschränken. Bislang befinden sie sich in der dritten Impfgruppe.
Erzieherinnen und Lehreinnen können ihre Kontakte kaum einschränken. Bislang befinden sie sich in der dritten Impfgruppe.

© dpa/Patrick Pleul

Bei der AWO heißt es: „Wir denken, dass die Mehrheit den Tag herbeisehnt, an dem dank einer Impfung die pädagogische Arbeit wieder unbelasteter möglich sein wird.„Damit könnte der Ansatz der Bundesregierung, das Personal in Kitas und Schulen früher zu impfen, auf fruchtbaren Boden fallen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Länder hatten das Gesundheitsministerium bei ihrer jüngsten Beratung gebeten, eine höhere Priorisierung von Grundschullehrern und Kita-Erzieherinnen zu prüfen. Sie seien einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt, wenn die Schulen und Kitas wieder öffnen.

Eine gewisse Skepsis gegenüber Astrazeneca bleibt

Nach der aktuellen Impfverordnung sind Erzieher:innen und Lehrer:innen bislang in der dritten Gruppe („erhöhte Priorität) an der Reihe. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern wollen am Montag darüber beraten, ob sie in der Impfpriorisierung noch weiter vorrücken sollen. Gesundheitsminister Jens Spahn kündigte dazu am Freitag einen Vorschlag der Bundesregierung an. Diesen gelte es dann „zügig“ umzusetzen.

Unter den Beschäftigten in Kitas und Schulen zeigt sich jedoch auch eine gewisse Skepsis gegenüber Astrazeneca. „Die GEW ist unsicher, ob alle Beschäftigten diesen Impfstoff auf Grund der Einschränkungen akzeptieren werden.

Zu bedenken ist auch, dass viele Kitabeschäftigte über 50 Jahre alt sind, was zu einer Verunsicherung führen kann“, meint Vorstandsmitglied Köhler.Aus der Caritas-Pressestelle heißt es dazu: „Die Aussicht, mit dem Impfstoff von AstraZeneca geimpft zu werden, ist angesichts der Berichterstattung über diesen Impfstoff sicherlich nicht sehr förderlich für die Impfbereitschaft.“

Astrazeneca ist in Verruf geraten, weil seine Wirksamkeit im Gegensatz zum Impfstoff von Biontech/Pfizer nicht bei 95 Prozent, sondern bei 60 Prozent liegt. Und: Laut der aktuellen Corona-Impfverordnung sollen nur Menschen unter 65 zunächst vorrangig mit Astrazeneca geimpft werden. Tatsächlich aber wirkt der Impfstoff besser als die meisten Vakzine gegen die Grippe.

Viele Erzieherinnen sind älter als 50 Jahre.
Viele Erzieherinnen sind älter als 50 Jahre.

© dpa/Patrick Pleul

Denn die Ständige Impfkommission sieht aufgrund mangelnder Datenlage keine ausreichende Evidenz dafür, dass Astrazeneca bei Älteren genauso wirkt wie bei allen Menschen. Die Europäische Zulassungsbehörde kam hier jedoch zum gegenteiligen Ergebnis. Die Mehrheit der Spitzenverbände fordert vor diesem Hintergrund eine bessere Aufklärung der Bundesregierung.

Aktuell gibt es noch keine vernünftige, umsetzbare Impfstrategie oder ausreichend koordinierte Aufklärungsmaßnahmen“, beklagt die AWO. „Bislang werden Träger und Einrichtungen hier von der Politik allein gelassen. “Die GEW pocht bei den Impfungen auf bessere Informationen über mögliche Risiken und Nebenwirkungen sowie den Schutzgrad bei Mutationen. Die Caritas will vor allem „transparente“ und „verständliche“ Auskünfte.

Der Verband hat beobachtet, dass beim Thema Impfungen „gezielt Desinformation betrieben wird“. Vor diesem Hintergrund sieht auch der VBE das Gesundheitsministerium von Jens Spahn (CDU) in der Pflicht. Der Bundesvorsitzende Beckmann rät zudem seinen Mitglieder:innen zudem, bei Fragen auf Personen mit professioneller, medizinischer Ausbildung zuzukommen. Süffisant bemerkt er: „Das Belesen im Internet ist nicht immer ausreichend hilfreich.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false