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Immer schön im Rampenlicht bleiben - die AfD will Neuwahlen.

© dpa / Sebastian Kahnert

Sitzverteilung in Sachsen: Warum es wohl keine Neuwahl gibt

Die AfD bekommt einen Sitz weniger als ihr nach Stimmen zusteht. Das ist ein Problem, wirkt sich aber nicht aus - zumal Wahlprüfung Jahre dauert.

Von Fatina Keilani

Womöglich wird sich der Sächsische Verfassungsgerichtshof erneut mit der Sitzverteilung im neuen Landtag und hier speziell mit der AfD befassen müssen. „Bevor die Sache wieder hierherkommt, muss allerdings das normale Wahlprüfungsverfahren durchlaufen werden“, sagte eine Sprecherin des Verfassungsgerichtshofs dem Tagesspiegel am Montag. In Artikel 45 der sächsischen Verfassung steht: „Die Wahlprüfung ist Sache des Landtags.“ Die AfD hat wie berichtet bereits eine Klage angekündigt.

Worum es geht: Die AfD hat so viele Stimmen eingefahren, dass ihr 39 Sitze im neuen Landtag zustehen. Der Verfassungsgerichthof hatte ihr aber nur 30 Listenplätze zugebilligt. Sie hat 15 Direktmandate errungen, die aber zum Teil in die Liste einfließen. Das macht im Ergebnis real einen Sitz weniger als ihr nach Wählerstimmen zusteht – und das wiederum bietet Gelegenheit zur Demokratiekritik. Denn dass ein Gericht sich über den Souverän stellt, kann als Problem gesehen werden.

Wie es zu der Situation kam

Was war los? Die AfD hatte 61 Kandidaten auf ihrer Landesliste. Allerdings hatte sie die Plätze 1 bis 18 und die Plätze 19 bis 61 an unterschiedlichen Tagen und mit unterschiedlichen Vorsitzenden gewählt. Ab Platz 31 wurde zudem ein anderes Verfahren angewandt. [Anm. d. Red.: Diese Passage wurde korrigiert und somit klargestellt, dass ein anderes Verfahren erst ab Platz 31 angewandt wurde.] Das hatte die Landeswahlleiterin beanstandet und nur die Plätze 1 bis 18 zur Wahl zugelassen. Die Partei und acht Listenkandidaten erhoben Verfassungsbeschwerden beim Verfassungsgerichtshof des Landes und bekamen teilweise Recht.

Das Gericht stellte zunächst klar, dass es eine absolute Ausnahme ist, vor einer Wahl Rechtsverletzungen geltend zu machen. Grundsätzlich sieht die (verfassungs-)gesetzliche Konzeption nämlich vor, dass Rechtsschutz im Wahlverfahren grundsätzlich erst nach Durchführung einer Wahl zu erlangen ist. Im konkreten Fall erkannte das Gericht aber den Klärungsbedarf und billigte die Listenaufstellung bis Platz 30, denn bis zu diesem Platz waren die Kandidaten einzeln gewählt worden. Die Plätze 31 bis 61 wurden im Blockwahlverfahren besetzt.

Wenn bereits der Wahlakt selbst „im Schatten eines voraussichtlichen Wahlfehlers von außerordentlichem Gewicht durchgeführt wird“, so der Gerichtshof, „stehen sich das Gebot effektiver Rechtsschutzgewähr und die Konzentration auf den nachgehenden Rechtsschutz durch Wahlprüfung als Verfassungsgüter von Gewicht in einer Weise gegenüber, die durch einen Vorrang des Wahlprüfungsverfahrens nicht mehr angemessen zum Ausgleich gebracht wird.“ Auf dieser Grundlage hat der Gerichtshof über die Verfassungsbeschwerden entschieden.

Die nun auftauchende Frage ist anderer Natur. Für die erste Stufe der Prüfung ist das Parlament zuständig, gegen dessen Entscheidung dann das Verfassungsgericht angerufen werden kann. Die Wahlprüfung durch das Parlament ist in Sachsen wie auch anderswo langwierig und chronisch erfolglos; dies war vor einigen Jahren ebenfalls im Zusammenhang mit der AfD zu besichtigen.

Schon die Wahl 2014 wurde von der AfD angefochten

Im Juni 2014 hatte der Landesvorstand der AfD Sachsen unter Leitung der damaligen Bundeschefin Frauke Petry beschlossen, den Kandidaten Arvid Samtleben von der Liste zur Landtagswahl streichen zu lassen, obwohl dieser von einem Parteitag demokratisch gewählt worden war. Vier Jahre später stellte der sächsische Verfassungsgerichtshof fest, dass dies ein Wahlfehler war, da es dafür eines Parteitagsbeschlusses bedurft hätte. Neuwahlen gebe es aber nicht, denn: „Eine Ungültigserklärung kann nur die ,ultima ratio‘ sein und ist nur dann gerechtfertigt, wenn ein erheblicher Wahlfehler von solchem Gewicht vorliegt, dass der Fortbestand des Parlaments unerträglich erscheint“, urteilte das Gericht im April 2018.

Das dürfte auch auf den aktuellen Fall zutreffen. Denn der eine Sitz ist zwar in dem Sinne problematisch, dass Wählerstimmen im Wert eines Mandats auf diese Weise quasi verworfen werden. Das eine Mandat mehr hätte aber an der Arithmetik nichts geändert, also keine Auswirkungen auf mögliche Koalitionen gehabt.

Insgesamt erscheint die Wahlprüfung durch ein Parlament als fragwürdig. Parlamentarier sind dann im Dilemma, sich zwischen politischer Opportunität und Rechtmäßigkeit entscheiden zu müssen. Juristen fordern daher schon, die Wahlprüfungsverfahren vollständig den Gerichten zu überlassen, wie es im Land Berlin bereits der Fall ist. In Sachsen wäre beim letzten Mal die Neuwahl nach der Wahlprüfung mit der regulären Wahl zusammengefallen, so lange hat die Wahlprüfung gedauert.

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