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Das chinesische Sinopharm-Vakzin wird in einem Impfzentrum in Belgrad verimpft.

© Andrej Isakovic/AFP

Sinopharm-Impfstoff für Serbien: Chinas Coup vor der Haustür der EU

Die EU hat bei der Impfstoff-Versorgung des Westbalkans eine Lücke hinterlassen. Serbien und Peking nutzen das jeweils für ihre Interessen.

Impfstoff taugt nicht nur zur Eindämmung der Corona-Pandemie, sondern auch zur Durchsetzung diplomatischer Interessen. Das ist die Lehre aus einer Vereinbarung, die Serbien, China und die Vereinigten Arabischen Emirate zu Beginn der Woche abgeschlossen haben. Serbiens  Regierungschefin Ana Brnabic unterzeichnete eine Absichtserklärung, der zufolge bis Ende des Jahres in dem Balkanstaat eine Produktionsstätte für den chinesischen Impfstoff Sinopharm entstehen soll. Die Vereinigten Arabischen Emirate sollen beim Bau der Fabrik Unterstützung leisten.

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Zwar bedeutet das zwischen den drei Staaten geschlossene „Memorandum of Understanding“ noch nicht zwangsläufig, dass bis Ende des Jahres tatsächlich wie vorgesehen zehn Millionen Sinopharm-Impfdosen in Serbien produziert werden. Aber bei der EU ist man sich sehr wohl bewusst, dass vor allem China und Serbien mit der Vereinbarung einen Propagandacoup gelandet haben.

Es ist nicht das erste Mal, dass China die Pandemie zu einer großen Inszenierung in Serbien nutzen kann. Gleich zu Beginn der Krise küsste Serbiens  Präsident Aleksandar Vucic die chinesische Fahne, als chinesische Schutzausrüstung auf dem Flughafen in Belgrad ankam. Seit Beginn dieses Jahres gehört Sinopharm zu den Vakzinen, die in Serbien im großen Stil verimpft werden. Von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) gibt es keine Zulassung für den chinesischen Impfstoff.

Sputnik-V-Produktion hat in Serbien bereits begonnen

Mit der Produktion des russischen Impfstoffs Sputnik V, der ebenfalls nicht über eine EMA-Zulassung verfügt, hat Serbien bereits begonnen. Nach den Worten eines EU-Vertreters lässt Präsident Vucic nichts unversucht, um der EU zu demonstrieren, dass Belgrad auch ohne die Hilfe der Gemeinschaft gut zurechtkommt. Mit Montenegro und Serbien führt die EU derzeit Beitrittsgespräche. Allerdings ist mit einem Beitritt der beiden Staaten nicht in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts zu rechnen. Zudem ist Serbien in den Gesprächen zurückgefallen; Montenegro gilt inzwischen als der aussichtsreichere Kandidat unter den beiden Staaten.

Sonderdiplomatie des serbischen Präsidenten Vucic

Vor diesem Hintergrund wird Vucic nicht müde, eine Art Belgrader Sonderdiplomatie aufzuziehen. Bei einem Pekinger Gipfel zum 100. Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei ließ er sich  in der vergangenen Woche digital zuschalten. Zuvor hatten sich eine Mehrheit der EU-Staaten dagegen ausgesprochen, an dem virtuellen Gipfel überhaupt teilzunehmen.

Der Europaabgeordnete Dietmar Köster (SPD) hält es indes für nachvollziehbar, dass sich Serbien bei der Versorgung mit Impfstoff nicht auf die EU verlässt. Die serbische Regierung habe in einer „Notsituation“ in einer Phase gehandelt, „in der die EU bei der Beschaffung von genügend Impfstoff selber Probleme hatte“, so Köster.

Der serbische Ministerpräsident Aleksandar Vucic will die gesamte Balkanregion mit Impfstoff versorgen.
Der serbische Ministerpräsident Aleksandar Vucic will die gesamte Balkanregion mit Impfstoff versorgen.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Zwar verfügt die EU mittlerweile über Vakzine in ausreichender Zahl. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte jüngst an, dass Deutschland über das UN-Impfprogramm Covax drei Millionen Impfdosen an die Westbalkan-Staaten abgeben werde. Doch das hält Vucic nicht von seinem ehrgeizigen Plan ab, demnächst den gesamten westlichen Balkan mit Vakzinen zu versorgen. Bereits im März kündigte er bei einem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten an, dass dank der geplanten Produktion von Sinopharm-Vakzinen in Serbien demnächst „große Mengen an Impfstoff“ zur Verfügung stünden, die den Bedarf der gesamten Region abdecken würden.

Experte Reljic: Umliegende EU-Länder ziehen wirtschaftlich davon

Dennoch hält es Südosteuropa-Experte Dusan Reljic von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) für unwahrscheinlich, dass sich Serbien Richtung China orientiert, da die handelspolitische Verflechtung mit der EU sehr viel stärker ist. Das viel größere Problem für den gesamten Westbalkan bestehe vielmehr darin, dass die benachbarten EU-Länder dank der üppigen Corona-Hilfen aus Brüssel voraussichtlich wirtschaftlich noch weiter davonziehen werden. „Unter den jetzigen Voraussetzungen“, so Reljic, „kann die Region nicht zur EU aufschließen“.

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