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Sigmar Gabriel verkündete seine Entscheidung am Dienstag.

© Fabrizio Bensch/REUTERS

Sigmar Gabriel im "Stern"-Interview: "Ich bin ein glücklicher Mensch"

Sigmar Gabriel hat in einem Interview mit dem Magazin "Stern" erklärt, warum er nicht als Kanzlerkandidat antritt und vom SPD-Parteivorsitz zurücktritt. Die wichtigsten Zitate.

"Ich stehe - ob mir das gefällt oder nicht - für die große Koalition mit CDU und CSU. Martin Schulz dagegen steht für einen Neuanfang", gibt Sigmar Gabriel im Interview mit dem "Stern" als Grund dafür an, warum er nicht als Kanzlerkandidat für die SPD antritt.

"Die Partei muss an den Kandidaten glauben (...). Und der Kandidat muss es mit jeder Faser seines Herzens wollen. (...) Beides trifft auf mich nicht in ausreichendem Maße zu."

"Die letzten sieben Jahre musste ich fast jeden Konflikt in der SPD alleine durchkämpfen. Manchmal war das wie auf dem Hochseil: Alle anderen stehen unten und schauen zu, ob man runterfällt und wie tief. Und manchmal rüttelt sogar noch einer am Seil. (...) Damit ist jetzt Schluss. Alle müssen aus der Deckung raus und Verantwortung übernehmen".

Über Zeitpunkt und Gründe: Auf die Frage, warum er erst jetzt seine Entscheidung bekannt gegeben habe, antwortet er: "Mehr als ein Jahr politisches Freiwild zu sein ist kein Spaß. Vor allem aber wollte ich erst die Bundespräsidentenfrage klären."

"Ich bin in den letzten Wochen von so vielen Menschen innerhalb und außerhalb der Partei gebeten worden, auf jeden Fall zu kandidieren, dass eher die Gefahr bestand, dass ich mich davon zu sehr beeindrucken lasse. Am Ende bin ich aber bei meiner Entscheidung geblieben, die schon lange feststeht."

Wie die "Bild"-Zeitung Anfang Januar in einer Eilmeldung habe melden können, dass er wieder antrete, wisse er nicht. "Da stand meine Entscheidung, Martin Schulz vorzuschlagen, schon lange fest." Er habe schon seit vergangenen Sommer angefangen, darüber nachzudenken - als er erfuhr, dass er im März noch mal Vater wird. "Ich kann das erste Mal seit rund zehn Jahren zum ersten Mal in meinem Leben sagen. Ich bin ein glücklicher Mensch. Das liegt natürlich an meiner Familie."

Ausschlaggebend für seine Entscheidung "waren die politischen Gründe. Aber die privaten sprechen eben auch dafür. Mit meiner kleinen Tochter ist mir erstmals bewusst geworden, wie alt ich inzwischen bin. (...) ich habe in den letzten Jahren viel über die Begrenztheit des Lebens nachgedacht. Auch weil gute Freunde viel zu früh gestorben sind." Macht sei verführerisch. "Aber privat wäre es für mich und mein weiteres Leben ein großes Risiko."

"Es war übrigens Hannelore Kraft. die mich letztlich dazu gebracht hat, mir darüber klar zu werden." Sie habe zu ihm gesagt: "Sigmar, du musst es auch mit ganzer Kraft wollen". Als Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen könne sie diese Unruhe vor den Landtagswahlen eigentlich nicht gebrauchen. "Aber sie ist einfach ein sehr anständiger Mensch."

Über die SPD: "Vor allem bin ich (meiner Partei) dankbar dafür, dass ich meine Entscheidung souverän und ohne Druck treffen konnte." Dass die Partei mit ihm unzufrieden war, liege an seiner Art. "Den einen passt die Art und Weise nicht, wie ich Politik verstehe und mache. Andere habe ich auch verärgert, weil ich manchmal zu hart reagiere. Und leider gibt es auch einen Teil, dem das regieren an sich und allemal mit CDU und CSU zuwider ist."

Über seinen Nachfolger Martin Schulz: Er "genießt generell eine hoher Glaubwürdigkeit. (...) Er kann führen und integrieren. Er hat klare Überzeugungen, aber immer auch den Blick für das Machbare. (...) Er kann Brücken bauen. Das ist genau das, was unser Land jetzt braucht." Er habe vor allem die Fähigkeit, "Menschen wieder für die Idee eines gemeinsamen Europas zu begeistern" und das brauche der wegen der massiven Angriffe der US-Regierung unter Donald Trump. "Wir dürfen nicht unterwürfig oder ängstlich gegenüber Trump oder Putin auftreten. Dazu muss Europa wieder stärker werden. Natürlich über zeugt das heutige Europa immer weniger Menschen. Und zwar zu recht. So lange sich Europa um jede Kleinigkeit kümmert, aber nicht die großen Fragen zum Beispiel in der Außen- und Sicherheitspolitik (...) liegen lässt, wird sich niemand für dieses Bürokraten-Europa begeistern. "

Über seine bisherigen Arbeit in der großen Koalition zieht er eine positive Bilanz: "Wir haben die niedrigste Arbeitslosenquote seit 25 Jahren. Die Löhne steigen endlich wieder und die Renten auch. Leih- und Zeitarbeit und der Missbrauch der Werkverträge wurden eingeschränkt", resümiert der Wirtschaftsminister seine Arbeit. "Selbst unsere politischen Wettbewerber sagen, dass wir der Motor der Regierung waren. Nun haben sich die Gemeinsamkeiten erschöpft. (...) Wir brauchen jetzt einen neuen Start, der über die Große Koalition hinausführt."

Nicht ganz so positiv sieht er die Bilanz der Regierung Merkel. "Nach knapp zwölf Jahren Führung durch Angela Merkel und ihren CDU-Finanzminister ist es (Europa) so tief gespalten wie noch nie. (...) Wenn man als deutsche Bundeskanzlerin auch noch niemanden in Europa an der Entscheidung über eine unkontrollierte Grenzöffnung beteiligt, darf man sich über den Ärger aller anderen nicht wundern. Keinen zu fragen, aber hinterher von allen Solidarität zu verlangen ist einfach naiv."

Die nächste Koalition würde er am liebsten mit den Grünen sehen. "Ich habe auch nichts gegen eine Koalition mit der Linkspartei, wenn sie denn verlässlich ist. Da muss die Linkspartei sich aber noch sehr ändern. Frau Wagenknecht hält Reden gegen Europa, wie sie sonst nur die AfD hält."

Sein Wunsch: "Menschen sollen sich doch nicht nur als Konkurrenten begegnen. Sondern offen, neugierig und freundlich aufeinander zugehen."

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