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Demonstrationsteilnehmer liegen während einer Protestaktion von Fridays for Future vor der Siemens Zentrale auf dem Wittelsbacher Platz für ein "Die-In" regungslos am Boden. Die Demonstrierenden hatten sich als Reaktion auf die Siemens-Entscheidung zu der Technik-Lieferung für ein umstrittenes Kohlebergwerk-Projekt in Australien zu Kundgebungen an verschiedenen Standorten in Deutschland verabredet.

© dpa

Siemens in Australien: Kohle-„Peanuts“, die für einigen Rabatz sorgen

Trotz massiver Proteste bleibt der Siemens-Chef bei der Unterstützung eines Kohleprojektes in Australien - das Ganze droht zum PR-Debakel zu werden.

Es geht mit 18 Millionen Euro eigentlich nur um „Peanuts“ für einen Weltkonzern mit 90 Milliarden Umsatz im Jahr. Doch das Signal, das vom Festhalten an einer Anlage für eine australische Kohle-Transportstrecke ausgeht, dürfte den Siemens-Konzern noch lange beschäftigen.

Ausgerechnet als die Bewegung Fridays for Future (FFF) nach der Pleite des UN-Klimagipfels in Madrid und den aus ihrer Sicht völlig unzureichenden Klimabeschlüssen der Bundesregierung an Dynamik zu verlieren droht, liefert ihr die Entscheidung des Siemens-Chefs wieder etwas Auftrieb. "Anlässlich der fatalen Entscheidung von Joe Kaeser sehen wir uns gezwungen, nochmals auf die Straße zu gehen", betont Fridays for Future und beraumte Montag in 15 Städten, vor allem an Siemensstandorten, Demonstrationen an – mit teils mäßiger Resonanz. Auch für die Siemens-Hauptversammlung am 5. Februar wird Rabatz angekündigt. Die Aktivisten sehen durch die indirekte Unterstützung eines der größten neuen Kohleprojekte weltweit das Ziel des Pariser Klimaabkommens gefährdet, die Erderwärmung auf 1,5 bis maximal zwei Grad zu begrenzen.

Luisa Neubauer kämpft weiter mit Fridays for Future gegen das Siemens-Projekt.
Luisa Neubauer kämpft weiter mit Fridays for Future gegen das Siemens-Projekt.

© AFP

Klimaschützer gehen davon aus, dass ein Siemens-Ausstieg das Projekt gebremst hätte. Kaeser betont hingegen, dass andere Lieferanten bereitgestanden hätten. Für den Konzern ist in diesem Fall viel schief gegangen – zumal Kaeser sich mit dem Andienen eines Aufsichtsratsposten für die Klimaaktivistin Luisa Neubauer (23) bei der Konzerntochter Siemens Energy blamiert hat – bei Siemens wird dieser Posten mit 140000 Euro im Jahr plus Zulagen vergütet. Neubauer ließ ihn abblitzen und schlug vor, einen Klimaforscher mit dem Amt zu betrauen. Das wurde von Kaeser mit Verweis auf schon vorhandene Expertise abgelehnt, er macht keine glückliche Figur in diesen Tagen.

Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, beantwortet nach einem Gespräch mit der Fridays-for-Future-Aktivistin Neubauer Fragen von Journalisten.
Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, beantwortet nach einem Gespräch mit der Fridays-for-Future-Aktivistin Neubauer Fragen von Journalisten.

© dpa

Bei dem Großprojekt des indischen Adani-Konzerns geht um die Carmichael-Mine in Zentral-Queensland, über die australische Politikern und Umweltschützer seit Jahren streiten. Nach jahrelangen Debatten hatte der indische Rohstoffkonzern die Genehmigung für den Bau der Mega-Mine im Juni erhalten. Sie wird sich über 447 Quadratkilometer Land erstrecken und damit eine Fläche halb so groß wie Berlin einnehmen. Die geförderte Kohle – geschätzte zehn bis 27,5 Millionen Tonnen pro Jahr – soll nach Indien verschifft und dort zur Elektrizitätsgewinnung verbrannt werden. Bei Vollproduktion würden dadurch jährlich 115 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen.

Derzeit befindet sich das Schienennetz im Bau, das die Kohle bis zur Küste transportieren soll. Von dort aus wird sie per Schiff nach Indien geschafft – entlang am Great Barrier Reef, das besonders unter den Folgen des Klimawandels leidet. Für das Schienennetz wird Siemens das Signalsystem bereitstellen. Die Entscheidung ist besonders heikel, da Australien zurzeit die schlimmste Brandkatastrophe des Landes erlebt. Eine Fläche so groß wie Bayern und Baden-Württemberg zusammen ist verbrannt. Mindestens 28 Menschen kamen ums Leben, über 2000 Häuser wurden zerstört. Obwohl der Klimawandel nicht für einzelne Feuer verantwortlich ist, gehen Forscher davon aus, dass steigende Temperaturen und zunehmende Trockenheit die Brände begünstigen.

Hier ist das Kohle-Projekt in Australien geplant.
Hier ist das Kohle-Projekt in Australien geplant.

© AFP

Kaeser sieht sich gerne an der Seite der Kämpfer gegen den Klimawandel, das Projekt passt nicht zu diesem Bild. Der Konzern will solche Aufträge künftig nicht mehr annehmen. Dafür soll der von Konzernchef Kaeser angekündigte Nachhaltigkeitsrat aus externen Experten sorgen. "Das Sustainability Board wird Vetorecht haben", sagte ein Unternehmenssprecher. So wolle man sicherstellen, dass Fehler wie beim Auftrag der indischen Adani-Gruppe in Zukunft nicht mehr passieren könnten. „Der Fehler wurde sehr spät bemerkt“, sagte der Sprecher. Die australische Landesgesellschaft von Siemens hatte den Auftrag Anfang Dezember 2019 angenommen – nach Angaben von Siemens ohne Kenntnis der Konzernspitze in München.

Christian Slattery, ein Umweltaktivist der Australian Conservation Foundation, meint: "Mit dieser Entscheidung hat das Unternehmen sein wahres Gesicht gezeigt." Es habe eine Klimapolitik, aber die sei hohl und leer. Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte in Berlin, der Konzern hätte sich "rausverhandeln" oder Vertragsstrafen in Kauf nehmen können, "weil der Rufschaden, der jetzt mit dieser Entscheidung einhergeht, wesentlich größer ausfallen dürfte".

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