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Volker Kauder (links) und Ralph Brinkhaus.

© Sven Hoppe/Kay Nietfeld/dpa

Update

Sieg für Ralph Brinkhaus: Angela Merkel: "Das ist eine Niederlage - und da gibt es auch nichts zu beschönigen"

Niederlage für den langjährigen Merkel-Vertrauten Volker Kauder: Die Unionsabgeordneten im Bundestag machen Ralph Brinkhaus zum Fraktionsvorsitzenden.

Es ist eine kleine Revolution: Die Unionsfraktion im Bundestag hat ihren Vorsitzenden Volker Kauder nach 13 Jahren im Amt gestürzt und Ralph Brinkhaus zum Nachfolger gewählt. Brinkhaus gewann am Dienstag in Berlin mit 125 zu 112 Stimmen überraschend die Kampfabstimmung gegen den Vertrauten von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Zwei Abgeordnete enthielten sich. Dieses Signal der Unions-Abgeordneten dürfte auch der CDU-Vorsitzenden Merkel gegolten haben.

Nicht nur Merkel hatte für die Wiederwahl ihres langjährigen Vertrauten Kauder geworben. Auch CSU-Chef Horst Seehofer und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprachen sich wiederholt für Kauder aus. Der Erfolg Brinkhaus' ist nach zwei dramatischen Regierungskrisen innerhalb weniger Monate ein deutliches Zeichen des schwindenden Rückhalts für Merkel in der Fraktion gewesen.

"Ich freue mich riesig über die Wahl und jetzt gilt es schnell wieder ans Arbeiten zu kommen, da das die Menschen von uns erwarten", sagte Brinkhaus direkt nach der Wahl. Volker Kauder hat laut Brinkhaus langanhaltenden Beifall in der Fraktion bekommen. "Das ist auch ein Zeichen, welch hohes Ansehen er in der Fraktion genießt. Und jetzt schauen wir gemeinsam nach vorne."

Angela Merkel gestand ihre Niederlage ein. "Das ist eine Stunde der Demokratie", sagte die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin in einem kurzen Statement am späten Nachmittag. "Das ist eine Niederlage - und da gibt es auch nichts zu beschönigen." Sie dankte Kauder und bot Brinkhaus eine "gute Zusammenarbeit" an.

"Das Ganze ist ein fairer Wettbewerb", sagte der CSU-Vorsitzende und Bundesinnenminister Horst Seehofer nach Unterbrechung der Sitzung. "Als Demokrat muss man das Wahlergebnis respektieren." Volker Kauder habe "sehr gute Arbeit" geleistet, Brinkhaus werde das auch machen. "Auf gute Zusammenarbeit auch mit der CSU!"

Erstmals Gegenkandidat für Kauder

Brinkhaus hatte seine Kandidatur unter anderem mit dem Wunsch nach einer aktiveren Rolle der Unionsfraktion gegenüber der Regierung begründet. Zudem warb der 50-Jährige für mehr Teamgeist. Wiederholt hatte er betont, seine Kandidatur richte sich nicht gegen Merkel. Kauder hatte gesagt, er wolle die nächsten Jahre gemeinsam mit der Fraktion gestalten. Es komme entscheidend auf die Union an, wenn es darum gehe, die Arbeit der Koalition mit Augenmaß zu prägen.

Nach seiner ersten Wahl vor 13 Jahren musste Fraktionschef Kauder (CDU/69) erstmals sein Amt gegen einen Mitbewerber verteidigen. Kauder war nach dem für die Union enttäuschenden Abschneiden bei der Bundestagswahl bei der Wiederwahl des Fraktionschefs im vergangenen Jahr ohne Gegenkandidat mit einem Ergebnis von nur 77 Prozent abgestraft worden. Zuvor hatte der Baden-Württemberger meist Zustimmungswerte von weit über 90 Prozent erhalten - 2013 waren es sogar 97,4 Prozent.

Bei der Wahl des Fraktionsvorsitzenden wurde damit gerechnet, dass Abgeordnete gerade aus der seit langem Merkel-kritischen CSU-Gruppe ein Zeichen gegen die Kanzlerin sehen wollen und deshalb für Brinkhaus stimmen. Die Wahl ist geheim - Konsequenzen müssen sie also nicht befürchten.

Gesamte Führungsriege der Fraktion wird neu gewählt

Dobrindt sagte, die CSU-Abgeordneten hätten in der routinemäßigen Sitzung am Montagabend über die Kandidaten gesprochen. Er habe dabei seine Unterstützung für Kauder wiederholt. Bis auf eine weitere unterstützende Stimme für den amtierenden Fraktionschef habe es zu diesem Thema keine weitere Wortmeldung gegeben.

Bei der Wahl am Dienstag sollte neben dem Fraktionschef die gesamte Führungsriege der CDU-/CSU-Abgeordneten neu gewählt werden - bis auf Dobrindt, der als CSU-Landesgruppenchef schon nach der Bundestagswahl für die gesamte Legislaturperiode gewählt wurde. Die Wahlmodalitäten sind in der Vereinbarung zur „Fortführung der Fraktionsgemeinschaft zwischen CDU und CSU“ festgelegt. Dort heißt es unter anderem: „Die Wahl für Ämter in der Fraktion erfolgt zu Beginn der Wahlperiode des Bundestages für ein Jahr, dann für den Rest der Wahlperiode“.

Oppermann: "Das ist ein Aufstand gegen Merkel"

Trotz aller Beteuerungen der Union wertet auch die politische Konkurrenz den Ausgang der Wahl als Niederlage für die Kanzlerin. "Das ist ein Aufstand gegen Merkel", schrieb Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann vom Koalitionspartner SPD beim Kurznachrichtendienst Twitter. Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel dagegen warnte davor, die Entscheidung der Unionsfraktion als Regierungskrise zu werten: "Das war eine demokratische Entscheidung der CDU/CSU Bundestagsfraktion. Nicht mehr und nicht weniger. So etwas gibt es in demokratischen Parteien", sagte Gabriel dem Tagesspiegel. "Ich halte nichts davon, dass jetzt auch noch zur Regierungskrise hoch zu stilisieren." Deutschland brauche eine eine handlungsfähige Regierung. Die Zeiten seien international zu brisant und zu gefährlich: "Gerade deshalb wird Angela Merkel noch gebraucht." 

Die FDP-Generalsekretärin indes sieht das anders: "Fraktion verweigert sich Merkel und Seehofer. Der Anfang vom Ende der Kanzlerschaft Merkel", twitterte Nicola Beer unmittelbar nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses. "Einschläge für Merkel kommen immer näher." Und weiter: "Jetzt bedrohen die schwarzen Spielfiguren offen ihre eigene Königin." (mit dpa)

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