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Polizeibeamte im Einsatz vor der Dresdner Uniklinik.

© dpa/Sebastian Kahnert

Update

Polizei kesselte die jungen Leute ein: Sächsischer Innenminister will mit Medizinstudenten sprechen

Hunderte Impfgegner versammelten sich am Donnerstagabend vor dem Dresdner Uniklinikum. Medizinstudenten protestierten dagegen – und werden angezeigt.

Mit einem Großaufgebot hat die sächsische Polizei am Donnerstagabend versucht, einen unangemeldeten Aufmarsch von Impfgegnern und Verschwörungsideologen in Dresden zu verhindern. Diese hatten zuvor über den Messengerdienst Telegram zum Uniklinikum in der sächsischen Landeshauptstadt mobilisiert. Von dort sollte eine als „Spaziergang“ getarnte Demonstration starten.

Insbesondere die rechtsextreme Gruppierung „Freie Sachsen“ hatte in den Tagen zuvor intensiv für den Treffpunkt geworben. Mit mehr als 1000 Einsatzkräften waren die Beamten am Abend im Dresdner Stadtgebiet präsent, darunter Hundertschaften aus Thüringen und Berlin sowie schweres Gerät wie Wasserwerfer und Räumpanzer.

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Doch nicht nur die Polizei, sondern auch Studenten der Fächer Human- und Zahnmedizin der Technischen Universität Dresden wollten dem Aufmarsch aus Maßnahmen- und Impfgegnern vor dem Klinikum etwas entgegensetzen. Über den Instagram-Account der Fachschaft wurden die Studenten dazu aufgerufen, ein „stilles Zeichen gegen Wissenschaftsleugnung und rechte Hetze“ zu setzen. Gleichzeitig solle der Protest als Solidarität mit der Belegschaft und den Patienten des Klinikums verstanden werden.

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Gegen 18:15 Uhr formierten sich dutzende Studenten in weißen Arztkitteln vor dem Gelände des Krankenhauses und drückten mit selbst gebastelten Pappschildern ihren Proteste gegen die Corona-Demonstranten aus. Was dann geschah, sorgt mittlerweile für eine Empörungswelle in den sozialen Netzwerken. 

Während sich die Polizei mit hunderten Impfgegnern ein Katz-und-Maus-Spiel durch Dresden lieferte und es den Beamten nur mit Mühe gelang, die unangemeldete Versammlung zu verhindern, wurde gegen 19:45 Uhr ein Teil der Gegendemonstranten eingekesselt. Der Vorwurf: Verstoß gegen die sächsische Corona-Verordnung und das Versammlungsgesetz – ihr Protest sei nicht angemeldet gewesen, so die Polizei.

Ein Impfgegner bedrängt die Medizinstudenten.
Ein Impfgegner bedrängt die Medizinstudenten.

© dpa/Sebastian Kahnert

Tatsächlich berichtet aber ein Teilnehmer des Studenten-Protestes dem Tagesspiegel, dass die Protestaktion spontan vor Ort angemeldet wurde und offenbar ein Kommunikationsproblem unter den Beamten dazu führte, dass eine andere Polizeieinheit davon ausging, dass es sich um einen unangemeldeten Protest handelt.

Die Fachschaft hatte zuvor eigens dazu aufgerufen, dass sich die Medizinstudenten in Gruppen von Personen aufteilen, da laut aktueller sächsischer Corona-Verordnung lediglich Versammlungen mit zehn Teilnehmern erlaubt sind.

Polizisten hätten Arztkittel als verbotene Uniformierung gewertet

Dennoch ergingen schließlich 22 Ordnungswidrigkeitsanzeigen gegen die Gegendemonstranten, wie die sächsische Polizei am Abend mitteilte. Mehrere Studenten berichten dem Tagesspiegel außerdem davon, dass sich einzelne Polizisten an den weißen Arztkitteln gestört hätten, da diese angeblich gegen das Uniformierungsverbot auf Demonstrationen verstoßen würden.

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Die Polizei widerspricht dem. Das Uniformierungsverbot hätte „nicht in Rede“ gestanden, schreibt die Pressestelle auf Twitter. Auf derselben Plattform lassen Betroffene der Maßnahme ihren Frust freien Lauf: „Nach gerade mal einer Stunde wurde die Zivilcourage von uns Medizinstudenten völlig aufgelöst mit den Vorwürfen, wir würden uns uniformieren und wurden des Platzes verwiesen“, schreibt eine Dresdner Studentin.

Und weiter: „Ich will noch einen hören, der sich wundert, dass keine MedStudis mehr nach Dresden kommen wollen“.

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Währenddessen melden sich am Abend ebenfalls auf Twitter hunderte User, die sich bereit erklären, die drohenden Bußgelder für die Medizinstudenten zu übernehmen. Gleichzeitig trendet der Hashtag #Woellerruecktritt, der den Rücktritt des sächsischen Innenministers Roland Wöller (CDU) fordert.

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Dieser ließ sein Ministerium am Freitagnachmittag auf dem Kurznachrichtendienst mitteilen: "Die Zivilcourage der Studierenden gestern Abend am Universitätsklinikum in Dresden war definitiv das richtige Signal, klare Kante gegen das aktuelle Corona-Protestgeschehen zu zeigen. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich."

Wöller wolle nun "mit den protestierenden Studentinnen und Studenten in Kontakt treten, um auch deren Sichtweise auf die gestrige Versammlungslage gespiegelt zu bekommen", heißt es auf dem Twitter-Kanal des Ministeriums. Danach solle das Handeln der Polizei abschließend bewertet werden.

Der Dresdner Polizeipräsident Jörg Kubiessa verteidigte den Einsatz. "Wir haben das Klinikum geschützt, einen geplanten zentralen Aufzug verhindert", erklärte Kubiessa. Die Frage, ob es richtige und falsche Regelverstöße gebe, sei keine Arbeitsgrundlage für die Polizei.

In der abschließenden Pressemitteilung der sächsischen Polizei wird der Einsatz gegen die Medizinstudenten mit keinem Wort erwähnt. Insgesamt sei ein zentraler, großer Aufzug erfolgreich verhindert und der Betrieb des Uniklinikums abgesichert worden, stellt die Behörde fest. Drei Strafanzeigen wurden wegen Beleidigung und drei wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet. Zusätzlich ist es zu über 200 Ordnungswidrigkeitsanzeigen wegen Verstößen gegen die sächsische Corona-Verordnung gekommen.

Kretschmer dankt den Studierenden – Koalitionspartner kritisieren Polizei

Am Freitagvormittag äußerte sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zu den Geschehnissen in Dresden und dankte den Studierenden der Technischen Universität für ein „klares und wichtiges Statement“. Außerdem schrieb der CDU-Politiker: „Sie erleben täglich, dass nicht die Maßnahmen gegen das Virus das Problem sind, sondern das Virus selbst“. Auf den Polizeieinsatz gegen die Medizinstudenten ging der Ministerpräsident nicht ein.

[Lesen Sie auch: "Neuer Ost-Beauftragter über Corona-Proteste: „Die Wut der Menschen richtet sich gegen sie selbst“ (T+)]

Bei Kretschmers Koalitionspartnern Grüne und SPD regt sich derweil Kritik am polizeilichen Vorgehen in der Landeshauptstadt. Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der sächsischen Grünen-Fraktion forderte via Twitter „mehr als die bisherigen schmallippigen Erklärung und mindestens eine Entschuldigung der Polizei Sachsen“.

Gleichzeitig attackierte Lippmann den sächsischen Innenminister Roland Wöller (CDU), der in einem Zeitungsinterview im Dezember einen stärkeren Einsatz der sächsischen Zivilgesellschaft gegen die Corona-Demonstrationen gefordert hatte. „Während Innenminister und Ministerpräsident nach der Zivilgesellschaft rufen, drangsaliert die Polizei Sachsen mal wieder eben jenen Protest“, schrieb der Innenpolitiker.

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Der SPD-Landtagsabgeordnete Albrecht Pallas forderte ebenfalls über Twitter, dass der Polizeieinsatz gegen die Medizinstudierenden aufgeklärt wird: „Im Raum steht ein unverhältnismäßiger Einsatz gegen diese mutigen Menschen“, schrieb Pallas, der gleichzeitig Stadtvorsitzender der Dresdner Sozialdemokraten ist.

Die Linke nannte das Vorgehen gegen die Medizinstudierenden "empörend". Der Innenminister könne "nicht Zivilcourage einfordern und dann mit Kanonen auf Spatzen zielen lassen, während andernorts diejenigen, die der Demokratie wirklich gefährlich werden wollen, ungeschoren davonkommen", kritisierte der Fraktionschef im Landtag, Rico Gebhardt. (mit AFP)

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