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Sergej Lawrow ist Außenminister von Russland.

© Uncredited/Russian Foreign Ministry Press Service/AP/dpa

Update

Sicherheitsgarantien für Ukraine umstritten: Türkei will mit Lawrow über „Getreide-Korridor“ im Schwarzen Meer reden

Ankara versteht sich als Vermittler im Ukraine-Krieg, bislang aber ohne Ergebnisse. Nun soll es um einen „Getreide-Korridor“ gehen.

Die Türkei will mit Russland über einen „Getreide-Korridor“ im Schwarzen Meer verhandeln. Dazu kommt der russische Außenminister Sergej Lawrow an diesem Mittwoch nach Ankara. Der Plan sieht die Einrichtung einer UN-Einsatzzentrale in Istanbul vor, die den Transport von Millionen Tonnen Getreide zu den Weltmärkten koordinieren soll.

Grundsätzlich sind Russland und Ukraine nach türkischen Angaben zur Mitarbeit bereit. Umstritten sind aber wichtige Fragen wie Sicherheitsgarantien für ukrainische Häfen.

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Russland und die Ukraine gehören zu den wichtigsten Getreide-Exporteuren der Welt. Der russische Angriff auf die Ukraine lässt die Ausfuhren sinken und die weltweiten Getreidepreise steigen. Eine russische Seeblockade vor der ukrainischen Schwarzmeer-Küste verhindert nach ukrainischen Angaben den Export von rund 20 Millionen Tonnen Getreide. In einigen Ländern im Nahen Osten und in Afrika werden Grundnahrungsmittel wie Mehl, Brot und Nudeln knapp.

Kiew wirft Russland zudem vor, Getreide aus eroberten ukrainischen Häfen zu stehlen und zu exportieren. Die US-Regierung hat laut der „New York Times“ die Türkei und 13 andere Staaten – die meisten davon in Afrika – darauf aufmerksam gemacht, dass Russland versuche, gestohlenes ukrainisches Getreide zu verkaufen.

Gestohlener Weizen soll auch in Türkei Abnehmer finden

Russland hat nach Medienberichten bisher mindestens eine Schiffsladung von 27.000 Tonnen Weizen aus der Ukraine ins verbündete Syrien geschickt. Nach Angaben der ukrainischen Botschaft in Ankara findet gestohlener Weizen aber auch in der Türkei selbst Abnehmer. Die ukrainischen Behörden haben die Türkei aufgerufen, russische Schiffe im Bosporus zu stoppen, wenn der Verdacht besteht, dass sie gestohlene Fracht an Bord haben. Bisher ist Ankara darauf nicht eingegangen.

Die Türkei versteht sich als Vermittler im Ukraine-Krieg und wacht über den Bosporus und die Dardanellen – die einzige Schifffahrtsroute vom Schwarzen Meer ins Mittelmeer. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, in Gesprächen zwischen der UN, der Türkei und den beiden Kriegsparteien sollten der Verlauf des geplanten See-Korridors und die Räumung von Seeminen vor ukrainischen Häfen geklärt werden.

Türkische Regierungskreise zeigen sich laut der Nachrichtenagentur Reuters optimistisch, dass bei Lawrows Besuch Fortschritte erzielt werden können. Auch die Verteilung von Verkaufserlösen solle besprochen werden. Ankara ist demnach bereit, ukrainische Frachter auf dem Weg durch das Schwarze Meer von Schiffen der türkischen Kriegsmarine begleiten zu lassen.

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Lawrow hatte die Türkei zuletzt im März für Gespräche mit seinem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba besucht. Ankara beteiligt sich nicht an westlichen Sanktionen gegen Moskau und hält seinen Luftraum für zivile russische Flugzeuge geöffnet. Deshalb kann Lawrow am Mittwoch ungestört nach Ankara reisen – ein geplanter Besuch des russischen Ministers in Serbien am Montag scheiterte daran, dass die Nachbarländer Serbiens keine russischen Maschinen durch ihren Luftraum passieren lassen.

Die türkischen Vermittlungsbemühungen im Ukraine-Krieg sind bisher ergebnislos geblieben. Mit den Gesprächen über den „Getreide-Korridor“ versucht die türkische Regierung, neue Kontakte zwischen den Kriegsparteien in Gang zu bringen.

Das große Misstrauen zwischen der Ukraine und Russland könnte den Plan jedoch scheitern lassen. Kiew werde dem Plan nur zustimmen, wenn sichergestellt werde, dass Russland die Minenräumung nicht ausnutze, um die ukrainische Küste vom Meer her anzugreifen, sagte der Istanbuler Sicherheitsexperte Yörük Isik dem Tagesspiegel.

Baerbock reist diese Woche in die Türkei

„Was passiert, wenn sie es sich plötzlich anders überlegen?“ fragte Isik mit Blick auf Zusagen russischer Politiker. Russische Kriegsschiffe könnten zum Beispiel die ukrainische Hafenstadt Odessa angreifen, wenn die Minen geräumt seien. Die Ukraine dürfte nach Isiks Einschätzung darauf bestehen, dass sich Staaten wie die Türkei oder Großbritannien verpflichten, militärisch einzugreifen, wenn Russland den „Getreide-Korridor“ für neue Angriffe ausnutzt.

Solche Garantien würden das Risiko von Gefechten zwischen Nato-Staaten und Russland mit sich bringen. Bisher hat der Westen solche Zusagen an Kiew vermieden.

Auch beim ersten Türkei-Besuch von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in dieser Woche wird es um den Ukraine-Krieg und besonders um den Widerstand der Türkei gegen den Nato-Beitritt von Finnland und Schweden gehen. Baerbock wird am Donnerstag und Freitag in der Türkei sein.

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