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Der britische Premier Boris Johnson.

© AFP

Showdown zum Brexit: Johnsons Strategie geht nach hinten los

Kaltschnäuzig hat der britische Premier Johnson dem Parlament eine Zwangspause verordnet. Jetzt könnte er dafür die Quittung bekommen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

So viel scheint sicher: Großbritannien steuert auf Neuwahlen zu, die voraussichtlich irgendwann vor Jahresende stattfinden werden. Es wäre die dritte Unterhauswahl innerhalb von fünf Jahren.

Und noch etwas zeichnet sich nach der Rückkehr der Abgeordneten aus der Sommerpause zum Auftakt einer dramatischen Woche ab, die wieder einmal entscheidend für Großbritannien sein wird: Das Unterhaus will offenbar den Fehdehandschuh aufnehmen, den ihm der britische Premierminister Boris Johnson hingeworfen hat.

Bis auf Weiteres bleibt inmitten der Londoner Brexit-Wirren unklar, wann der EU-Ausstieg Großbritanniens tatsächlich über die Bühne gehen wird. Johnson bekräftigte am Montagabend in seiner gewohnt großsprecherischen Art vor seinem Amtssitz in der Downing Street noch einmal, dass es beim Austrittstermin am 31. Oktober bleiben wird. Seine Gegner im Unterhaus wollen hingegen eine Verlängerung der Frist bis zum 31. Januar erzwingen.

Wenn die Gegner eines ungeregelten Brexit jetzt mit allen Mitteln im Unterhaus mobil machen, dann hat sich das Johnson selbst zuzuschreiben. Die Kaltschnäuzigkeit, mit der er den Abgeordneten eine fünfwöchige Zwangspause verordnete, hat das Misstrauen vieler Parlamentarier gegenüber dem Premierminister noch verstärkt.

In der Downing Street, so der Eindruck etlicher Abgeordneter, ist offenbar ein Mann am Werke, der die ungeschriebene Verfassung Großbritanniens über Gebühr für seine Zwecke ausnutzt. Johnsons Coup mit der Zwangspause hat auch bei den Gegnern eines ungeregelten Brexit in den Reihen der Konservativen zu einem Schulterschluss geführt. Sie lassen sich nicht davon beirren, dass der Premierminister ihnen mit einem Ausschluss aus der Fraktion droht.

Zynisches Spiel mit dem Wahltermin

Johnson hat den Einsatz seinerseits nun noch weiter erhöht und bringt Neuwahlen am 14. Oktober ins Spiel. Ähnlich wie im Fall der Parlaments-Beurlaubung spielt Johnson dabei auf zynische Weise mit dem Vorrecht des britischen Premierministers, einen Wahltermin festzulegen.

Er kalkuliert damit, sich während des kommenden Wahlkampfs als Vertreter des vermuteten Volkswillens gegen die vermeintlichen EU-Freunde im Unterhaus zu inszenieren. Seine Gegner trauen ihm inzwischen sogar zu, am Ende den Wahltermin auf einen Zeitpunkt nach einem ungeregelten Brexit am 31. Oktober zu legen.

Auch die oppositionelle Labour-Partei richtet sich auf Neuwahlen innerhalb der nächsten Monate ein. Von ihrem altlinken Vorsitzenden Jeremy Corbyn und seiner Fähigkeit zur Staatskunst wird es nun abhängen, die vielen unterschiedlichen Kräfte der No-Deal-Gegner und Remainer auf vernünftige Art zu bündeln. Das würde bedeuten: Neuwahlen ermöglichen – und gleichzeitig einen ungeregelten Brexit am 31. Oktober definitiv ausschließen.

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