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Jugendliche sind heute durchaus optimistisch, allerdings wächst die soziale Kluft zwischen den Milieus.

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Update

Shell-Studie: Jugendliche sind trotz Krise zuversichtlicher

Die Zahl der Optimisten unter Jugendlichen wächst ebenso wie ihr politisches Interesse. Probleme sehen Forscher und Familienministerin Schröder aber bei den sozial Schwachen.

Sie ist eine Art Seismograf der jugendlichen Befindlichkeit. Die Shell-Jugendstudie, alle vier Jahre erhoben, befragt zwölf- bis 25-Jährige zu ihrer aktuellen Lebenssituation, ihren Glaubens- und Wertvorstellungen sowie zu ihrer Einstellung gegenüber der Politik und gesellschaftlichen Institutionen. Seit ein paar Jahren ergründet sie auch das Online-Verhalten. Für die Studie wurden Anfang des Jahres 2500 Personen befragt. Das Ergebnis: Die Jugend ist zuversichtlich, pragmatisch – und sie ist sozial gespalten.

Wie bewerten Jugendliche ihre Zukunft?

Deutschlands Jugend ist optimistischer als noch vor vier Jahren, und das trotz der Wirtschafts- und Finanzkrise und den eher unsicheren Berufsperspektiven. 59 Prozent blicken der Zukunft zuversichtlich entgegen, 2006 waren es nur 50 Prozent. Nur sieben Prozent sehen heute die Zukunft eher düster. Allerdings hängt der Optimismus der Jugendlichen von ihrer sozialen Herkunft ab. Nur 33 Prozent der Jugendliche aus benachteiligten Familien sind zuversichtlich – weniger als 2006.

Dieser Trend zeigt sich auch im Bereich Bildung, der von vielen Jugendlichen als Schlüssel zum Erfolg gesehen wird. Die Studie zeigt, dass der Schulabschluss der Schlüssel zum Erfolg ist. Demzufolge sehen Jugendliche, die sich unsicher sind, ob sie ihren Schulabschuss ereichen, die Zukunft eher negativ. Die Einstellung zu Ausbildung und Berufseinstieg hat sich aber verbessert: Eine Mehrheit der befragten Jugendlichen glaubt, nach der Ausbildung übernommen zu werden. 71 Prozent sind überzeugt, sich ihre beruflichen Wünsche erfüllen zu können. Doch auch hier zeigt sich eine wachsende sozial Kluft: Bei den Jugendlichen aus der sozial schwächsten Schicht sind es nur 41 Prozent.

In der Studie werden fünf soziale Schichten definiert. Als Indikatoren werden der Schulabschluss des Vaters, die finanzielle Situation im Haushalt, die Wohnform des Jugendlichen (Miete oder Eigentum) sowie die Anzahl der Bücher im Elternhaus verwendet. Nach dieser Abgrenzung gehören 14 Prozent der Jugendlichen zur Oberschicht und rund zehn Prozent zur Unterschicht. Die größte Gruppe ist mit 30 Prozent die Mittelschicht. Nimmt man die Unterschicht und die untere Mittelschicht, zu der laut der Studie 24 Prozent der Jugendlichen zählen, zusammen, kommen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass etwa zehn bis 15 Prozent der Jugendlichen ihre Zukunftschancen negativ bewerten und sich vom Optimismus der anderen sozialen Milieus nicht anstecken lassen.

Was ist ihnen wichtig?

Die Familie ist für die meisten Jugendlichen sehr wichtig. Eine große Mehrheit kommt gut mit ihren Eltern klar, wünscht sich eigene Kinder und kommt zu dem Schluss, dass man eine Familie braucht, um glücklich leben zu können. Auffällig ist, dass auch bei Männern der Wunsch nach eigenen Kindern gewachsen ist. Auch das Verhältnis zu den Eltern bewerten die meisten Jugendlichen positiv: 35 Prozent gaben an, mit ihnen bestens auszukommen, 56 Prozent kommen klar, haben aber gelegentlich Meinungsverschiedenheiten. Die Herkunftsfamilie bieten vor allem in Zeiten der gestiegenen Anforderungen in Schule, Ausbildung und den ersten Berufsjahren Rückhalt und Unterstützung. Die Zahl der Jugendlichen, die ihre Kinder genauso erziehen würden, wie sie selbst erzogen wurden, hat zugenommen.

Politisch steht der Klimawandel besonders hoch im Kurs. Er ist für 76 Prozent ein großes bis sehr großes Problem. Die Religion spielt dagegen für die Mehrheit nur eine untergeordnete Rolle – im Osten ist sie sogar zumeist bedeutungslos geworden. Anders bewerten dies Jugendliche mit Migrationshintergrund. Ihr Bezug zu Religion ist sogar gestiegen.

Ist die Jugend wieder politischer?

Der Bielefelder Sozialwissenschaftler Mathias Albert, der federführend an der Erstellung der Studie beteiligt war, spricht von einem ersten Anzeichen einer Re-Politisierung: An die Ergebnisse aus den 1970er und 1980er Jahren reicht das heutige politische Interesse zwar nicht ran, aber vor allem bei den Jüngeren hat es zugenommen. 21 Prozent der zwölf- bis 14-Jährigen sind heute politisch interessiert, vor acht Jahren waren es nur elf Prozent. Bei den 15- bis 17-Jährigen sind es heute 33 Prozent, 2002 waren es 20 Prozent. 77 Prozent würden sogar bei einer Unterschriftenaktion mitmachen.

Stabil bleibt das Vertrauen in gesellschaftliche Institution. Allerdings zeigen sich Unterschiede. Während die Bundesregierung, Parteien, die Kirche und vor allem große Unternehmen niedrig bewertet werden, haben die Jugendlichen mehr Vertrauen in die Polizei, Gerichte, die Bundeswehr, Menschenrechts- und Umweltschutzgruppen. Unterschiede zwischen Ost und West gibt es bei der Frage nach der Zufriedenheit mit der Demokratie. Noch immer sind Jugendliche im Osten eher unzufrieden (39 Prozent), im Vergleich zu 2006 geht diese Zahl aber zurück – damals waren es noch 46 Prozent.

Wie stehen sie zu kritischen Themen?

In der Öffentlichkeit wird sie meist kritisch diskutiert, die Jugendlichen sehen sie eher positiv: Die Globalisierung. 84 Prozent verbinden sie an erster Stelle mit der Freiheit, in der ganzen Welt zu reisen, zu studieren oder zu arbeiten,  80 Prozent mit der kulturellen Vielfalt. Stärker als in den Jahren zuvor verbinden die Jugendlichen Globalisierung mit wirtschaftlichem Wohlstand.

Die Zahl der Befürworter von Auslandseinsätzen der Bundeswehr sinkt: Heute sind 53 Prozent der befragten Jugendlichen dagegen, 2002 waren es nur 29 Prozent. Damals waren auch noch 46 Prozent für die Einsätze, heute sind es noch 37 Prozent sind dafür. 

Welche Werte sind den Jugendlichen wichtig?

Die Jugend entspricht weiterhin dem Typ einer pragmatischen Generation. Zentral ist für sie der persönliche Erfolg in einer Leistungs- und Konsumgesellschaft, gleichzeitig ist für sie aber auch der Genuss besonders wichtig. Die meisten Jugendlichen sind leistungsorientiert und hochmotiviert. Dennoch streben nur 22 Prozent einen bedingungslosen Erfolg an und würden für ihre Karriere alles opfern. 60 Prozent der Jugendlichen betrachten es als besonders wichtig, fleißig und ehrgeizig zu sein. Gleichzeitig wollen 57 Prozent ihr Leben mit gleicher Intensität genießen. Für 94 Prozent ist es besonders wichtig, gute Freunde zu haben, die einen anerkennen. Wenn sie in ihrem Leben größere Probleme haben, greifen sehr viele Jugendliche auf die Unterstützung ihrer Freunde, viele auch auf die der Eltern zurück.

Und das Verhältnis zwischen Jung und Alt?

Die Gesellschaft wird älter, die Zahl der Jüngeren sinkt: Die Mehrheit der Jugendlichen sieht den demografischen Wandel als Problem und bewertet das Verhältnis zwischen Jung und Alt als eher angespannt. 39 Prozent der Befragten glaubt sogar, dass sich das Verhältnis sogar noch verschlechtern wird - vor vier Jahren waren das noch 27 Prozent. Hingegen glauben immer mehr Jugendliche, dass der Wohlstand zwischen beiden gerecht verteilt ist. Nur noch 25 Prozent sind der Meinung, die Älteren sollten zugunsten der Jüngeren zurückstecken.

Wie digitalisiert ist die Jugend?

Nahezu alle Jugendlichen – 96 Prozent – haben heutzutage einen Internetzugang. Die Jugendlichen nutzen das Internet auch öfter als zuvor – im Schnitt fast 13 Stunden in der Woche. Allerdings hängt es von der sozialen Schicht ab, wie Jugendliche das Internet nutzen: So sind beispielsweise die Gamer, also jene, die im Netz hauptsächlich spielen, eher jüngere und häufig männliche Jugendliche aus sozial benachteiligten Schichten.

Welches Fazit kann man ziehen?

Auch wenn die Ergebnisse eher positiv ausfallen, die Jugendlichen optimistischer sind und sich etwas stärker für Politik interessieren – ein zentrales Resultat ist negativ: Die soziale Kluft wächst. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hält den Optimismus für bemerkenswert, sieht aber eine wichtige Aufgabe darin, allen eine faire Chance geben zu können. An die Wurzel komme man nur mit frühkindlicher Bildung, sagte sie und wies darauf hin, dass von 2011 bis 2014 rund 400 Millionen Euro in 4000 Brennpunkt-Kitas fließen sollen.

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