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Die Anschuldigungen wiegen schwer, doch Richter Roy Moore sieht sich als Opfer einer "Hexenjagd".

© Marvin Gentry, Reuters

Sexuelle Belästigung: Massive Vorwürfe gegen republikanischen Senats-Kandidaten

Roy Moore hält an seiner Senatskandidatur fest - trotz heftiger Missbrauchs-Vorwürfe. Es tobt ein Machtkampf zwischen Parteiführung und Trumps Ex-Berater Bannon.

An der Oberfläche geht es um die Doppelmoral eines US-Republikaners, der sich als christlicher Moralapostel gibt, aber früher seine Macht als Staatsanwalt missbraucht haben soll, um minderjährige Mädchen zu Sex zu zwingen. Roy Moore möchte bei der Nachwahl im Dezember den Senatssitz in Alabama erobern, den Jeff Sessions innehatte, bis er Justizminister wurde.

Moores Unterstützer berufen sich auf Joseph und Maria

Dahinter verbirgt sich jedoch ein Machtkampf um die Zukunft der Partei: zwischen dem nationalpopulistischen Flügel um Steve Bannon samt seinen milliardenschweren Financiers und dem Parteiestablishment, hinter dem andere Milliardäre stehen. Es ist zugleich ein Machtkampf zwischen Provinz und Hauptstadt.

Um die Senatskandidatur Moores, inzwischen 70 Jahre alt und Richter, zu retten, ziehen seine Anhänger im bibeltreuen Alabama atemberaubende Parallelen zur Heiligen Schrift. Joseph sei auch einige Jahrzehnte älter gewesen als seine Frau, die Gottesmutter Maria.

Dass Joseph junge Mädchen sexuell belästigt habe, berichtet die Bibel zwar nicht. Aber die Bannon-Fraktion hat die Unterstützung für Moore zu einer Frage der Unbeirrbarkeit erklärt. Nur wenn die Bürger Volksvertreter wie Moore nach Washington schickten, sei Donald Trumps Präsidentschaft zu retten. Denn der sei „umzingelt“ von korrupten Establishment-Republikanern. Der Skandal um die Belästigungen hat aus der Wahl in Alabama, die normalerweise klar für die Republikaner ausgeht, ein offenes Rennen gemacht. In einigen Umfragen liegt der Demokrat Doug Jones inzwischen vor Moore.

Republikaner in Washington fordern Moores Rückzug

In der vergangenen Woche hatte die „Washington Post“ über vier Frauen berichtet, die unabhängig voneinander angaben, Moore habe sie zwischen 1979 und 1982 sexuell bedrängt. Drei waren damals 16, eine erst 14 Jahre alt. Moore war Anfang 30 und „District Attorney“. Die Republikaner reagierten gespalten. Moores Anhänger sprachen von einer Schmutzkampagne der Demokraten, die Frauen würden angeblich für die Anschuldigungen bezahlt. In Washington sagten hohe Parteifreunde: „Falls die Anschuldigungen wahr sind“, müsse Moore die Kandidatur aufgeben.

Am Montag meldete sich eine fünfte Frau zu Wort, Beverly Nelson. Sie sei damals 16 gewesen und habe in einem Imbiss gearbeitet. Unter Tränen schilderte sie, wie Moore anbot, sie nach Hause zu bringen, dann aber in eine dunkle Gasse eingebogen sei und die Autotüren verschlossen habe, damit sie nicht aussteigen könne. Er habe sie an den Brüsten angefasst und versucht, ihren Kopf mit Gewalt in seinen Schoß zu ziehen. Sie habe geschrien und ihn gebeten, aufzuhören. Nach einer Ewigkeit habe er von ihr abgelassen und sie gewarnt: Sie solle niemandem davon erzählen; niemand werde ihr glauben, sie sei ein Schulmädchen und er Staatsanwalt.

Nach Nelsons Auftritt änderte der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, die Sprachregelung. Er glaube den Frauen, Moore müsse die Kandidatur aufgeben. Doch der weigert sich. Und Bannon will jetzt erst recht demonstrieren, dass sein Einfluss ausreicht, um Wahlkämpfe in der Provinz gegen das Establishment der Partei zu entscheiden.

Kampf der Geldgeber

Bereits die Kandidatenaufstellung galt als Machtprobe Bannons, nachdem Trump ihn, den Chefstrategen seines Wahlsiegs, im August seiner Posten im Weißen Haus enthoben hatte. Die Parteiführung wollte Luther Strange, den Justizminister von Alabama, zu Sessions’ Nachfolger im Senat machen. Bannon setzte auf Moore, einen exzentrischen Evangelikalen, der gerne mit Pferd, Cowboyhut und Pistole zu Auftritten erscheint. Als Richter hat er im Gericht, das laut Verfassung weltanschaulich neutral sein muss, die Zehn Gebote aufstellen lassen und sich Weisungen widersetzt, sie zu entfernen. Und er hat Richter angewiesen, keine gleichgeschlechtlichen Ehen anzuerkennen, nachdem diese USA-weit zugelassen worden waren.

Es ist auch ein Kampf der Geldgeber. Bannon hat den New Yorker Milliardär Robert Mercer hinter sich. Einem anderen Financier der Rechten, Casino-Besitzer Sheldon Adelson, wird es zu heikel. Er hat sich am Dienstag von Bannon abgewandt und hinter Senatschef McConnell gestellt.

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