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Helfer in der Not? Russlands Außenminister Sergej Lawrow (l.), und sein türkischer Amtskollege Mevlüt Cavusoglu während ihrer Pressekonferenz in Ankara.

© dpa

Sergej Lawrow in Ankara: Rechnung ohne den Wirt

Wenn im Asowschen Meer nicht bald ein Korridor für ukrainische Getreidefrachter entsteht, drohen weltweit Hungersnöte. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Susanne Güsten

Für Sergej Lawrow steht fest, wer für die weltweiten Probleme bei der Versorgung mit Weizen und anderem Getreide verantwortlich ist: einzig und allein die Ukraine. „Die sind am Zug“, sagte der russische Außenminister am Mittwoch nach einem Gespräch mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu in Ankara.

Russland habe alles getan, um die ungestörte Lieferung von Getreide durch das Schwarze Meer zu gewährleisten – die russische Blockade der ukrainischen Küste erwähnte er nicht. Die Ukraine, die sich seit drei Monaten gegen einen russischen Einmarsch wehrt, konnte Lawrow nicht widersprechen, denn sie war zu dem Treffen in der Türkei nicht eingeladen.

Lawrows Gastgeber waren mit der Hoffnung in das Gespräch gegangen, einen Getreide-Korridor durch das Schwarze Meer organisieren zu können. Ankara bietet türkische Kriegsschiffe für die Minenräumung vor der ukrainischen Küste und zur Begleitung von Getreidefrachtern an. Cavusoglu forderte auch, internationale Sanktionen gegen Russland zurückzufahren, wenn Moskau beim Getreide-Korridor mitspielt.

Doch die Türkei und Russland wollen die Rechnung ohne den Wirt machen: Die Ukraine pocht auf Sicherheitsgarantien, weil sie befürchtet, dass Russland den geplanten Getreide-Korridor für einen Angriff vom Meer nutzt. Nach den bisherigen Erfahrungen mit Russland kann man das der Regierung in Kiew nicht verdenken.

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Die Ukraine hat Minengürtel vor ihrer Küste gelegt, um die dort lauernde russische Marine fernzuhalten. Für einen Korridor müsste ein Teil dieser Minen geräumt werden. Russische Kriegsschiffe könnten aber ebenfalls durch die Lücke stoßen. Zwar versprach Lawrow, Russland werde nicht angreifen.

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Den Ukrainern wird dieses Versprechen aber nicht reichen – schließlich hatte Lawrow auch vor dem russischen Angriff im Februar gesagt, Russland wolle keinen Krieg.

Kiew will deshalb mehr: westliche Anti-Schiffsraketen zur Verteidigung der ukrainischen Südküste und ein militärisches Beistandsversprechen von Ländern mit schlagkräftigen Kriegsmarinen wie der Türkei oder Großbritannien.

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Das könnte im Ernstfall zu Seeschlachten zwischen Schiffen aus Nato-Staaten und aus Russland führen. Solche Eskalationen will der Westen unbedingt vermeiden.

Ein neues Gesprächsformat könnte einen Weg aus der Sackgasse weisen. Die Türkei und Russland sollten ab sofort nicht mehr über die Köpfe der Ukrainer hinweg reden, sondern Regierungsvertreter aus Kiew mit an den Tisch holen. Zumindest könnte Lawrow dann nicht mehr unwidersprochen behaupten, dass die Ukraine für die drohende Hungerkrise verantwortlich sei.

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