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König Philippe steht im siebten Jahr seiner Regentschaft vor der schwierigen Aufgabe, die sehr heterogenen politischen Kräfte zur Bildung einer Koalition zu bewegen.

© /Francois Leno/REUTERS

Separatisten bei Wahl vorn: Belgien droht in zwei Teile zu zerfallen

Die Parlamentswahl gibt Spaltungstendenzen neuen Aufschwung. Das Land könnte zu einer Konföderation zweier Staaten umgebaut werden.

In Belgien wird die Erinnerung an die „endlose Krise“ wieder wach – an jene 541 Tage, die es dauerte, bis nach den Wahlen 2010 endlich die Bildung einer Regierung gelang. Nach den Wahlen vom vergangenen Sonntag ist die Ausgangslage mindestens so schwierig wie damals: Die bisherige Koalition aus flämischen Nationalisten, Liberalen und Christdemokraten aus beiden Landesteilen, die im Streit über den UN-Migrationspakt im Herbst zerbrach, wurde von den Belgiern abgestraft. Sie verlor ein Viertel ihrer Sitze, eine Wiederauflage ist schon rein rechnerisch nicht möglich.

Hinzu kommt, dass das Wahlergebnis den Spaltungstendenzen zwischen den beiden Landesteilen wieder Aufschwung verleiht. Im flämischen, wirtschaftlich erfolgreicheren Norden haben separatistische Parteien über 40 Prozent der Stimmen bekommen. Dabei handelt es sich zum einen um die „Nationale Flämische Allianz“ (NVA), die ein unabhängiges Flandern anstrebt, sowie die noch weiter rechtsstehende offen rechtsextremistische Partei „Vlaams Belang“.

Im französischsprachigen, ärmeren Süden wurden zwar die Sozialdemokraten die stärkste Kraft, mussten jedoch massiv Federn lassen zugunsten der populistischen noch weiter links stehenden Partei der Arbeit. In Flandern wählen die Menschen vor allem rechts und separatistisch, in Wallonien wählen sie eher links.

Ein Schock für das Land ist, dass der rechtsextreme „Vlaams Belang“ in Flandern massiv zulegen konnte und dort 18 Prozent der Stimmen holte. Vor allem mit einer über die sozialen Medien geführten Kampagne ist es der Partei gelungen, bei den Jüngeren zu punkten: Ein Drittel ihrer Wähler ist 34 Jahre und jünger.

Schwierige Regierungsbildung

König Philippe steht im siebten Jahr seiner Regentschaft vor der schwierigen Aufgabe, die sehr heterogenen politischen Kräfte zur Bildung einer Koalition zu bewegen. Eine Woche nach der Wahl zeichnet sich keinerlei Formation ab. Stattdessen dominieren die Ansagen der führenden Politiker, welche Optionen sie ausschließen.

Die auch auf nationaler Ebene stärkste Kraft, die flämischen Nationalisten von der NVA, erteilte einer Koalition mit den Sozialdemokraten und Grünen eine Absage. Zudem stellte NVA-Parteichef Bart De Wever die Bedingung, dass die künftige belgische Regierung auch in Flandern eine Mehrheit haben müsse. Sozialdemokraten und Grüne ihrerseits lehnen eine Zusammenarbeit mit den flämischen Nationalisten ab.

Nun werden parallel zwei andere Lösungen diskutiert. Das eine sind Neuwahlen, wobei hier die Befürchtung groß ist, dass es noch mehr Stimmen für die Protestparteien am rechten und linken Rand gibt, dass sich aber an den Mehrheitsverhältnissen fundamental nichts ändert.

Die zweite Variante ist tiefgreifender: Das ehemals zentralistisch organisierte Belgien könnte in einer weiteren Staatsreform zu einer bloßen Konföderation zweier Staaten umgebaut werden. Es gibt schon Überlegungen, wie die nicht unerhebliche Staatsschuld aufgeteilt werden könnte und was dann mit der Hauptstadt Brüssel passieren soll. Im Wahlkampf hatte die NVA immer wieder davon gesprochen, dass das politische Belgien aus zwei getrennten Demokratien bestehe. Das Wahlergebnis scheint diese Interpretation zu stützen.

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