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Gesundheitsminister Jens Spahn will, dass Anträge auf Erwerbserlaubnisse für tödliche Medikamente abgelehnt werden.

© John Macdougall / AFP

Selbstbestimmung am Lebensende: Das Warten auf Karlsruhe könnte vergeblich sein

Sterbehilfe-Verweigerer Jens Spahn hofft auf ein klärendes Urteil. Doch das dortige Verfahren hat mit seinem Problem nur am Rande zu tun. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Seit zwei Jahren weigert sich die Bundesregierung, ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Sterbehilfe umzusetzen. Demnach sind Behörden verpflichtet, leidenden Todkranken in Ausnahmefällen den Erwerb tödlicher Medikamente zu gestatten. Gesundheitsminister Jens Spahn sagt, dies geschehe aus Respekt. Natürlich nicht aus Respekt vor dem Bundesverwaltungsgericht, dessen Urteil ignoriert wird, sondern, so wörtlich, „aus Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht“. Dort liegt ein Haufen Klagen von Ärzten und Patientenanwälten gegen den 2015 eingeführten Paragraf 217 Strafgesetzbuch, der „geschäftsmäßige“ Sterbehilfe verbietet.

Im April wird das Thema in Karlsruhe verhandelt

Spahns Hoffnung auf eine Korrektur aus Karlsruhe, die ihn vom Leipziger Urteil erlöst, hat jetzt ein Datum. Am 16. und 17. April werden die Richter verhandeln. Eine Entscheidung folgt vielleicht noch in der ersten Jahreshälfte. Juristisch hat die Sache nur einen Haken. Das eine Verfahren hat mit dem anderen nichts zu tun. Spahn erweckt den Eindruck, das ein Urteil das andere aufheben könne. Und dass er hier nichts anderes tut, als der höheren Instanz „Respekt“ zu erweisen.

Zwischen Behörden und Privaten gibt es Unterschiede, betonen die Richter

Die Leipziger Richter scheinen das vorhergesehen zu haben: Die behördliche Erteilung einer Erwerbserlaubnis für tödliche Betäubungsmittel sei mit der geschäftsmäßigen Suizidassistenz von Sterbehilfevereinen nicht zu vergleichen, heißt es in ihrem Urteil. Behörden verfolgten, anders als private Vereine, keine Eigeninteressen. Es werde auch kein staatliches „Angebot des assistierten Suizids“ geschaffen, sondern dem Selbstbestimmungsrecht unheilbar Kranker Rechnung getragen. Dazu verweisen sie ausgerechnet auf die Gesetzesbegründung zu Paragraf 217. Denn strafbar soll danach gerade nicht sein, wenn „im Einzelfall nach sorgfältiger Untersuchung und unter strikter Orientierung an der freiverantwortlich getroffenen Entscheidung einer zur Selbsttötung entschlossenen Person Suizidhilfe gewährt wird“.

Die Rede vom "Respekt" kaschiert ein Versagen

Behörden machen keine Geschäfte, jedenfalls keine mit todbringenden Schlafmitteln. Und wenn es im Einzelfall ein Selbstbestimmungsrecht auf Sterben gibt, dann kann es dies auch in mehreren Einzelfällen geben, wie sie das Leipziger Gericht als Ausnahmesituationen definiert. Es muss kein Widerspruch sein, wenn der Staat einerseits Medikamente für einen Todeswunsch in konkret umschriebenen und begrenzten Situationen freigibt und andererseits die Tätigkeit von Vereinen unter Strafe stellt, die dies privat und unreguliert unternehmen.

Dennoch möglich, dass das Bundesverfassungsgericht die Problematik aufnimmt. Nicht, weil die Richter es müssten, sondern weil sie es wollen. Der Konflikt belastet alle, und die Politik kann ihn augenscheinlich nicht lösen. Der Respekt, von dem Spahn spricht, kaschiert ein Versagen, auch sein eigenes.

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