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Der Himmel ist für alle blau. Die Wohnsituation trennt die Bevölkerung in deutschen Städten aber immer mehr.

© Patrick Pleul/dpa

Segregation in Deutschland: Die soziale Spaltung der Städte nimmt zu

Junge Familien, alte Menschen und Arme leben nicht gleichmäßig über die städtischen Quartiere verteilt. Das befördert die Bildung von Teil- und Parallelgesellschaften.

Von Carsten Werner

Arme und reichere Menschen leben in deutschen Städten einer Untersuchung zufolge immer seltener in gemeinsamen Nachbarschaften. Besonders ausgeprägt sei die soziale Trennung in Ostdeutschland, heißt es in einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), die die soziale Durchmischung in 74 deutschen Städten für die Jahre 2005 bis 2014 untersucht. In etwa 80 Prozent dieser Kommunen hat die räumliche Ballung von Menschen, die von Sozialleistungen wie Hartz IV lebten, zugenommen: am stärksten dort, wo viele Familien mit kleinen Kindern und viele arme Menschen leben.

Besonders betroffen sind ostdeutsche Städte wie Rostock, Schwerin, Potsdam, Erfurt, Halle und Weimar. In 36 Städten gibt es Quartiere, in denen mehr als die Hälfte der Kinder von staatlichen Leistungen leben. Es gebe dabei vielfach „Ballungen, wo in bestimmten Nachbarschaften 70 bis 80 Prozent der Kinder von Hartz-IV-Leistungen leben“, sagt Marcel Helbig, Professor für Bildung und soziale Ungleichheit am WZB und der Universität Erfurt dem WDR-Reporterkollektiv "Docupy" – das sein eine immense Herausforderung auch fürs Bildungssystem. Für westdeutsche Städte zeigen die Forscher, dass eine hohe Zahl privater Grundschulen für die Bevölkerungszusammensetzung in Stadtteilen einen integrierenden Effekt hat, wo gleichzeitig viele Kinder und Arme wohnen: Für bildungsbewusste Eltern, die ihre Kinder nicht auf die behördlich zugewiesene Grundschule schicken wollen, sind sie eine Alternative zum Umzug.

Die Bildung leidet unter fehlender Vielfalt

Auffällig ist in den Zahlen der Untersuchung auch, dass vor allem junge Familien mit Kindern und alte Menschen immer seltener Nachbarn sind. Junge Leute zwischen 15 und 29 Jahren leben zunehmend in bestimmten Wohnvierteln, in anderen wiederum Ältere ab 65 Jahren. „Diese Entwicklung kann sich negativ auf die Lebenschancen armer Kinder auswirken“, sagt Stefanie Jähnen, Promotionsstipendiatin am WZB. In der Forschung sei klar, „dass die Nachbarschaft auch den Bildungserfolg beeinflusst“.

Die Segregation, also die Entmischung und Trennung von verschiedenen Bevölkerungsgruppen und deren ungleiche Verteilung im Stadtraum, ist besonders stark in Gebieten mit vielen Sozialwohnungen. „Das Ideal einer sozial gemischten Stadt ist schon lange dem Ziel gewichen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, sagt Jähnen. Denn Sozialwohnungen seien überwiegend „in Gebieten zu finden, in denen ohnehin die Armen wohnen“. Zudem schreitet die Spaltung um so schneller voran, je stärker sie bereits besteht. Dem ließe sich mit Sozialwohnungsbau in Quartieren entgegenwirken, in denen es bisher keine gibt.

Segregation polarisiert und trennt die Gesellschaft

Segregation gilt in der Soziologie und in der Stadtplanung als ein Indiz für eine mögliche Polarisierung der Gesellschaft. Durch die zunehmende Trennung gesellschaftlicher Gruppen nehmen betroffene Menschen andere Lebensverhältnisse als die eigenen immer weniger wahr – wodurch das Risiko wächst, dass sich Teil- und Parallelgesellschaften entwickeln.

Magdeburg, Dresden und Cottbus weisen im Gegensatz zu den anderen ostdeutschen Städten eine geringe Segregation auf – weil die Städte im Krieg großflächig zerstört wurden und sich Neu- und Plattenbauten ausgewogener verteilen. Die ethnische Segregation – also nach Herkunft der Bewohner – nimmt insgesamt leicht ab. Mietpreisentwicklungen verstärken die Segregation wenig. (mit KNA)

Die vollständige Studie des Wissenschaftszentrums Berlin finden Sie unter diesem Link.

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