zum Hauptinhalt
Verärgert: Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen.

© Martin Schutt/dpa

SED-Unrecht im Bundesrat: Ost-Länder haben ein Abstimmungsproblem

Soll es auch nach 2020 Stasi-Überprüfungen im öffentlichen Dienst geben? Wie zwei Ost-Ministerpräsidenten ihren Dissens in der Länderkammer kaschierten.

Bodo Ramelow war sauer. Zum ersten Mal in seinen drei Jahren als Ministerpräsident sei er an diesem Morgen ratlos, sagt der Thüringer Linken-Politiker, als er am Freitag den Bundesrat betritt. Der Grund: Ausgerechnet bei einem Signalthema der Ost-Länder, den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen, stehen Brandenburg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin nicht einig da. In der Länderkammer hatte man sich darauf verständigt, Bundesregierung und Bundestag in einer Entschließung zu bitten, die spätestens 2020 auslaufenden Antragsfristen in den Gesetzen zur Rehabilitierung von Opfern politischer Verfolgung in der DDR zu verlängern, und zwar ohne neue Frist.

Nach Ansicht aller Ost-Länder, die den Antrag eingebracht hatten, ist auch über 2020 hinaus damit zu rechnen, dass Betroffene noch Anträge stellen werden. Häufig, so lautete die Begründung, seien Opfer der DDR-Unrechtsmaßnahmen traumatisiert und hätten sich noch nicht mit der Frage der Rehabilitierung auseinandergesetzt. Ihnen wollte man nun einen späten Antrag nicht verbauen. Immerhin gab es allein in Thüringen 2016 noch 485 Anträge nach den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen.

Sächsischer Vorstoß im Ausschuss

Ramelow hatte mit der Entfristung wenig Probleme, was möglicherweise nicht für alle Linken-Anhänger gilt. Wohl aber missfiel dem thüringischen Regierungschef ein Vorstoß aus Sachsen. Die dortige CDU/SPD-Regierung unter dem neuen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) hatte nämlich im Ausschussverfahren des Bundesrats mit Unterstützung von West-Ländern einen Passus durchgesetzt, der über das von den Ost-Ländern Vereinbarte deutlich hinausging. Nicht nur die Fristen für SED-Opfer sollten dauerhaft verlängert werden, sondern auch die Stasi-Überprüfung im öffentlichen Dienst, die 2019 enden sollte. Das ging Ramelow denn doch zu weit, schließlich galt es bislang als ausgemacht, dass diese Überprüfung schon aus rechtlichen Gründen ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der DDR nicht mehr opportun sei. Auch für Stasi-Mitarbeit, so diese Sicht, gilt das Verjährungsprinzip.

Brandenburgs Kompromissvorschlag verpufft

Aber Thüringen und Brandenburg, das sich Ramelows Position anschloss, bekamen am Freitag keine Mehrheit hinter sich, um die Abstimmung im Bundesratsplenum abzusetzen und zu verschieben. Ramelows Meinung lautete, die Ost-Länder sollten gerade bei diesem Thema einig auftreten. Er war deswegen schon am Montag beim Treffen der Ost-Ministerpräsidenten mit Kretschmer aneinandergeraten, zumal der angekündigt hatte, zu dem Thema auch im Bundesrat zu reden. Um den Ost-Streit nicht vor aller Augen aufzuführen, einigten sich beide dann offenbar, zumindest auf Reden zu verzichten.

Ein brandenburgischer Kompromissantrag, die Stasi-Überprüfung nur noch dann vorzunehmen, wenn ein Bewerber noch nie geprüft worden war und auch ein Verdacht vorliege, kam nicht durch. Am Ende wurde abgestimmt. Thüringen und Brandenburg stimmten gegen den sächsischen Vorstoß, aber allein. Der Entschließung insgesamt stimmten sie zu – weil ihnen auch an Opfer-Rehabilitierung liegt. Immerhin: Kretschmer redete nicht, wie vereinbart - es wäre sein Premierenauftritt im Bundesrat gewesen. Und Ramelow verzichtete auf die Gegenrede. Der offene Streit war vermieden. Jetzt muss der Bundestag entscheiden, ob es weiterhin Stasi-Überprüfungen geben soll.

Zur Startseite