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Der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Antti Rinne, mit seiner Frau Heta Ravolainen-Rinne am Sonntag bei der Wahlparty in Helsinki.

© Lehtikuva/Antti Aimo-Koivisto/REUTERS

Update

Schwierige Regierungsbildung erwartet: Finnlands Sozialdemokraten siegen in Parlamentswahl

Die Finnen haben ihren bisherigen Ministerpräsidenten abgestraft. Bei der Parlamentswahl sind die Sozialdemokraten knapp vor den Rechtspopulisten gelandet.

Die oppositionellen Sozialdemokraten haben die Parlamentswahl in Finnland knapp gewonnen. Nach vorläufigen Zahlen nach Auszählung aller Stimmen lagen die Sozialdemokraten mit 17,7 Prozent hauchdünn vor der rechtspopulistischen Partei Die Finnen mit 17,5 und der konservativen Nationale Sammlungspartei von Petteri Orpo mit 17,0 Prozent. „Zum ersten Mal seit 1999 ist die SDP die Partei des Regierungschefs“, sagte der Vorsitzende Antti Rinne am Sonntagabend vor Anhängern.

Rinnes Partei erhält demnach 40 Sitze und damit ein Mandat mehr als die Rechtspopulisten und zwei mehr als die Konservativen. Die Zentrumspartei des bisherigen Ministerpräsidenten Juha Sipilä schnitt sehr schlecht ab und kam mit 31 Sitzen nur auf Rang vier. Sipilä erklärte sich bereits früh zum „größten Verlierer“ des Abends.

„Ich hätte ein solches Ergebnis nicht erwartet, keiner hätte dies erwartet“, sagte der ultrarechte Chef der Partei Die Finnen, Jussi Halla-aho, am Sonntagabend. Seine Partei lag den Teilergebnissen zufolge nur 0,1 Prozentpunkt hinter den Sozialdemokraten. Im Wahlkampf hatten sich Die Finnen auf ein angebliches, von Einwanderern ausgehendes Sicherheitsrisiko konzentriert.

Nun wird Rinne mit der Regierungsbildung beauftragt. Sollte der 56-jährige Ex-Finanzminister und frühere Gewerkschaftschef eine Koalition schmieden können, wäre es das erste Mal nach 16 Jahren, dass die Sozialdemokraten wieder an die Regierung kämen.

Die Grünen legten laut einer früheren Hochrechnung um rund acht Mandate auf 23 zu, die Linken um drei auf 15. „Das ist das beste Resultat für die Grünen jemals“, sagte ihr Spitzenkandidat Pekka Haavisto bereits nach der ersten Prognose des Abends.

Die Regierungsverhandlungen könnten schwierig werden

Bleibt es bei diesen Werten, stehen dem skandinavischen EU- und Euroland schwierige Regierungsverhandlungen ins Haus. Um zu sehen, wie zäh diese Verhandlungen sein können, reicht den Finnen ein Blick zum Nachbarn Schweden: Dort war Ministerpräsident Stefan Löfven - ebenfalls ein Sozialdemokrat - erst nach turbulenten Monaten Anfang des Jahres erneut zum Regierungschef gewählt worden. Seine rot-grüne Minderheitsregierung arbeitet nun bei bestimmten Sachthemen mit bisherigen politischen Gegnern zusammen. Wegen des guten Abschneidens der rechtspopulistischen Schwedendemokraten hatten die bisherigen schwedischen Parteienblöcke keine Mehrheiten mehr zusammenbekommen.

Das Abschneiden der Rechtspopulisten in Finnland ist auch hinsichtlich der Europawahl am 26. Mai interessant: Die Finnen-Partei gehört neben der deutschen AfD und der italienischen Lega zu den Parteien, die im Parlament eine neue Allianz der Rechtspopulisten bilden wollen. Finnland tritt am 1. Juli zudem turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft an. Statt mit EU-Themen befassten sich die Finnen im Wahlkampf aber vor allem mit einer gescheiterten Gesundheitspflege- und Sozialreform, dem Klimawandel sowie dem Umgang mit dem Nachbarn Russland.

Erst- und Zweitplatzierter: Antti Rinne, Vorsitzender der Sozialdemokraten (R.), und Petteri Orpo (l.), Vorsitzender der Nationalen Sammlungspartei.
Erst- und Zweitplatzierter: Antti Rinne, Vorsitzender der Sozialdemokraten (R.), und Petteri Orpo (l.), Vorsitzender der Nationalen Sammlungspartei.

© Markku Ulander/Lehtikuva/dpa

Die Wahlbeteiligung lag bei 72 Prozent. 2015 hatte sie 70,1 Prozent betragen. Kurios: Am Sonntag gaben etwas weniger Finnen ihre Stimme ab als vor dem eigentlichen Wahltermin. Mehr als 36 Prozent der knapp 4,5 Millionen wahlberechtigten Finnen und damit so viele wie nie zuvor hatten schon vorzeitig abgestimmt.

Nach dem Scheitern der Gesundheitspflege- und Sozialreform Sote war das Kabinett von Sipilä Anfang März zurückgetreten. Der Wahltermin hatte zu dem Zeitpunkt aber schon lange festgestanden. Bei der Wahl vor vier Jahren waren Sipiläs Liberale mit 21,1 Prozent noch stärkste Kraft geworden, woraufhin sie eine Mitte-rechts-Koalition mit den Konservativen und den Rechtspopulisten eingegangen waren. 2017 spalteten sich die Populisten auf: Die Partei Blaue Zukunft von Außenminister Timo Soini blieb in der Regierung, die Finnen-Partei um ihren neuen Vorsitzenden Jussi Halla-aho ging in die Opposition.

Die Sozialdemokraten hatten 2015 nur 16,5 Prozent der Wählerstimmen erhalten. Sie haben zuletzt 1999 eine Parlamentswahl gewonnen und bis zum Jahr 2003 den Ministerpräsidenten gestellt.

Viele Bürger sind unzufrieden mit der Sparpolitik

Die Wahl war geprägt durch die Unzufriedenheit vieler Bürger mit der Sparpolitik der amtierenden Mitte-Rechts-Regierung. Diese hatte vor der Wahl 2015 versprochen, die Wirtschaft des Landes mithilfe tiefer Ausgabenkürzungen wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Doch Einschnitte in Finnlands hoch geschätztes Bildungssystem sowie strengere Regeln für den Bezug von Arbeitslosenhilfe stießen auf breiten öffentlichen Widerstand. (dpa, AFP)

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