zum Hauptinhalt
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) hat die Pläne bereits mit den Länderkollegen abgestimmt.

© dpa

Schwesig setzt auf Prävention: Radikalisierung jünger Flüchtlinge soll verhindert werden

Familienministerin Manuela Schwesig will durch Prävention verhindern, dass sich junge Flüchtlinge radikalisieren. Dafür soll es mehr Geld geben.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) will Gelder bereitstellen, um durch Präventionsarbeit zu verhindern, dass sich junge Flüchtlinge radikalisieren. In den nächsten Wochen werde das Ministerium zusätzliche Finanzmittel und zusätzliches Personal dafür bei den Haushaltspolitikern im Bundestag anmelden, sagte eine Ministeriumssprecherin am Samstag. Wie der „Spiegel“ in seiner neuen Ausgabe berichtet, verabredete Schwesig dies mit ihren Kollegen aus den Bundesländern bei einem Treffen am vergangenen Dienstag in Berlin. Die Gelder sollen demnach an Organisationen gehen, die im Bereich Islamismus präventiv mit Flüchtlingen arbeiten. Schwesig will dem Blatt zufolge noch im Sommer Vorschläge erarbeiten.

Schwesigs Ministerium arbeitet an einem Gesetz, das die Finanzierung von Projekten zur Extremismusprävention und Demokratieförderung verstetigen soll. „Um langfristig sicherzustellen, dass wir alles tun, um Demokratiefeindlichkeit in unserer Gesellschaft zu bekämpfen, brauchen wir eine bundesgesetzliche Regelung, auf deren Grundlage wir die bisher erfolgreichen Konzepte weiterentwickeln und ausbauen können“, sagte die Ministerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Bundesregierung plant derzeit eine Verdoppelung der 50 Millionen Euro, die pro Jahr im Rahmen des Programms „Demokratie leben“ zur Vorbeugung von politischem Extremismus ausgegeben werden. Unklar ist Zeitungsberichten zufolge, in welchem Maße Mittel für Projekte gegen islamistischen Extremismus zur Verfügung stehen. Bislang seien dies zehn Millionen Euro pro Jahr.

Nach den Anschlägen in Bayern rief der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) dazu auf, verstärkt gegen die islamistische Radikalisierung von Jugendlichen vorzugehen. „Die salafistischen Extremisten versuchen nicht nur, einen Keil in die Gesellschaft zu treiben“, sagte er der Funke-Mediengruppe. Auch die Entfremdung von der eigenen Familie gehöre zu ihrer „Strategie“. Diese Gefahr für Kinder und Jugendliche verschwinde „nicht einfach von alleine“. Die jüngsten Anschläge hätten auf schreckliche Weise vor Augen geführt, dass die Täter immer jünger werden“. Es sei möglich, Jugendliche vor dem Abrutschen in die Salafistenszene zu bewahren oder sie dort wieder herauszuholen. Dies dauere aber oft Jahre.
Am Sonntag vergangener Woche hatte sich ein syrischer Flüchtling in Ansbach in die Luft gesprengt und 15 Menschen verletzt. Wenige Tage zuvor hatte ein vermutlich aus Afghanistan stammender Flüchtling bei Würzburg fünf Menschen mit einer Axt schwer verletzt. In beiden Fällen gehen die Ermittler von einem islamistischen Hintergrund aus.

Bamf hält „Turboradikalisierung“ für unwahrscheinlich

Eine „Turboradikalisierung“ junger Muslime sei wenig wahrscheinlich, sagte der Leiter der Beratungsstelle Radikalisierung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Florian Endres, „Es gibt natürlich Radikalisierungsprozesse, die sehr schnell verlaufen, beispielsweise binnen Wochen oder Monaten.“ Dass sich jemand aber innerhalb von zwei Tagen „von einem wenig gläubigen Muslim zu einem dschihadistisch motivierten Attentäter wandelt“, sei „unwahrscheinlich“.
Ein typisches Profil eines radikalisierten Menschen gebe es nicht. „Wir haben 12- bis 20-Jährige, Jugendliche mit Studienplatz und einem scheinbar perfekten Familienumfeld, aber auch solche, die keinen Schulabschluss haben oder sogar obdachlos waren.“ Für eine Radikalisierung gebe es unterschiedliche Anzeichen, allen voran eine starke Ideologisierung. Die Betreffenden äußerten sich beispielsweise abwertend über Andersgläubige, glorifizierten extremistische Organisationen oder schlössen sich salafistischen Gruppen an. Dem Radikalisierungsprozess liege in der Regel auch eine „gewisse Portion Unmut“ zugrunde, etwa aufgrund persönlicher Diskriminierungserfahrungen, Problemen in der Schule oder mit den Eltern, sagte Endres. Diese Unzufriedenheit mache Menschen anfällig für die Radikalisierung. Es sei wichtig, „möglichst frühzeitig“ zu intervenieren. „Wir versuchen, die alten familiären Strukturen – plus Schule, plus Arbeitsplatz – aufzustellen und dem Jugendlichen wieder eine Alternative zu geben.“ „Wenn sich jemand schon in Syrien oder im Irak befände, „ist das natürlich schwierig“.

Bei der Bamf-Beratungsstelle Radikalisierung können sich seit 2012 Eltern, Freunde oder Lehrer von jungen Leuten, die in den Islamismus abgleiten, telefonisch beraten lassen. Seit Schaltung der Hotline wurden rund 2500 Telefonate geführt. Mehr als 900 Gespräche waren es allein 2015 – Tendenz steigend. Derzeit gehen in der Beratungsstelle monatlich zwischen 70 und 90 Anrufe ein. Bei den Anrufern handelt es sich Endres zufolge in den allermeisten Fällen um Menschen, die zum unmittelbaren Umfeld der Radikalisierten gehören. Dies seien vor allem Eltern und andere Familienangehörige, aber auch Freunde aus der Schule, Lehrer oder Jugendämter. (AFP/epd)

Zur Startseite