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Ein Polizist steht avor einer brennenden Barrikade bei Auseinandersetzungen zwischen linken Gegendemonstranten und der Polizei bei einer Demonstration von Rechtsradikalen.

© dpa

Update

Schwere Ausschreitungen in Leipzig: Linke Krawalle zwischen "Straßenterror" und "Zerstörungswut"

69 verletzte Polizisten, 23 Demonstranten in Gewahrsam: Das ist die Bilanz schwerer Ausschreitungen von Linksextremisten am Rande einer Neonazi-Demo in Leipzig. Politiker sind entsetzt.

Nach den Krawallen am Rande einer Neonazi-Demonstration in Leipzig ist es in der Nacht zu Sonntag weitgehend ruhig geblieben. „Es sind mehr Polizisten als sonst auf den Straßen. Wir schauen genau hin und sind auf alles vorbereitet“, sagte ein Sprecher der Polizei am frühen Sonntagmorgen.

Am Samstag war es zu schweren Ausschreitungen zwischen linken Gegendemonstranten und der Polizei gekommen. Vermummte warfen Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper, die Beamten gingen mit Wasserwerfern und Reizgas gegen die schwarz gekleideten Krawallmacher vor.

Nach Angaben einer Polizeisprecherin wurden Polizisten aus einer Menge von etwa 1000 Menschen heraus „massiv“ angegriffen. Es habe Verletzte gegeben. Die Polizei nahm 23 Menschen in Gewahrsam. Auch Pferdestaffeln und Polizeihubschrauber kamen zum Einsatz.

69 Beamte seien verletzt, 50 Dienstfahrzeuge beschädigt worden, hieß es weiter. Über die Schwere der Verletzungen lagen am Sonntagmorgen noch keine Angaben vor. Nach Angaben der Studentengruppe „Durchgezählt“ beteiligten sich etwa 2500 Menschen an mehreren Gegendemonstrationen. Die Polizei wollte diese Zahl nicht bestätigen. Eine Bushaltestelle ging zu Bruch, Müllcontainer gingen in Flammen auf. an S-Bahnstationen in den Stadtteilen Connewitz und Plagwitz wurden Kabelschächte in Brand gesetzt, um die Anreise der Neonazis zu erschweren. Selbst die Feuerwehr sei angegriffen worden, twitterte die Polizei. Sie sprach von einer bedrohlichen Stimmung und hohem Gewaltpotenzial in der Leipziger Südvorstadt.

Die Beamten nahmen vorübergehend auch den gegen Rechtsextremismus engagierten Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König fest. Er hatte auf einer linken Gegendemo von seinem Lautsprecherwagen aus gesprochen. Am Abend kam er wieder frei. Laut Polizei wird gegen ihn unter anderem wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch ermittelt. Zudem habe er sich Beamten widersetzt. König nimmt regelmäßig mit Mitgliedern seiner Jungen Gemeinde an Demonstrationen teil. 2011 soll er in Dresden bei einer Demo gegen Neonazis zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen haben, was er stets bestritt.

Laut einem Bericht des MDR soll König mit seinem Kleinbus in einer Nebenstraße auf eine Polizeiabsperrung getroffen und von Beamten "eingekesselt" worden sein. König habe die Absperrung einem Reporter des Senders zufolge möglicherweise nicht sehen können, weil diese sich hinter einer Kurve befunden habe. Eine Behauptung der thüringischen Linken-Abgeordneten Katharina König bei Twitter, ihr Vater sei geschlagen worden, bestätigte die Polizei nicht. Auch der MDR-Reporter berichtete dies nicht. Ein anderer Twitter-Nutzer berichtete indes von drei Augenzeugen, die einen Schlag eines Polizisten gesehen haben wollen, nachdem der Jenaer Pfarrer gegen das Abziehen des Autoschlüssels protestiert habe.

Oberbürgermeister: "Hier waren Kriminelle am Werk"

Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) erklärte, die Gewalt der Linksextremen sei "offener Straßenterror". "Diese Gewalt von Anarchisten und sogenannten Autonomen ist schockierend", erklärte der Oberbürgermeister. "Hier waren Kriminelle am Werk, die vor nichts zurückschrecken." "Extreme Gewalttäter" hätten sich "das Deckmäntelchen des Antifaschismus übergeworfen, um den Staat anzugreifen", kritisierte Jung. Damit würden sie "den so wichtigen, friedlichen Protest gegen Neonazis" diskreditieren und letztlich verhindern.

Auch Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) verurteilte die Ausschreitungen. "Dass die Kriminellen sogar in der Adventszeit voller blinder Zerstörungswut in einer Einkaufsstraße agieren und schwere Verletzungen von unbeteiligten Familien mit Kindern in Kauf nehmen, ist unerträglich", hieß es in einer Mitteilung.

Die Leipziger Stadträtin und Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linke) kritisierte, die Stadtverwaltung habe Proteste in direkter Nähe des Neonaziaufmarsches verhindert und die Route der Rechtsextremen weiträumig abgeschirmt. Demokratischer Protest sei so "an den Rand und aus dem Blickfeld der Nazis gedrängt" worden, erklärte Nagel am Sonntag. Auch dies habe dazu beigetragen, "dass Menschen ihre Wut an anderen Stellen entladen". Nagel kritisierte zugleich die Gewalt bei den Protesten, auch die Polizei habe jedoch unverhältnismäßig agiert.

Auch die Grünen im sächsischen Landtag kritisierten die Ausschreitungen und zugleich das Vorgehen der Polizei. Die Eskalation in Leipzig müsse nun umfassend parlamentarisch aufgearbeitet werden, forderte der Grünen-Landtagsabgeordnete Valentin Lippmann.

Rechter Demozug durch linkes Viertel untersagt

Anlass der Krawalle war eine Demonstration von Rechtsextremisten im Stadtteil Südvorstadt. Dazu seien weit weniger Teilnehmer gekommen als die angemeldeten 200, so die Polizei. Ursprünglich wollten die Neonazis durch den eher link-alternativ geprägten Stadtteil Connewitz marschieren. Dies wurde vom Ordnungsamt verweigert, weil dort ein Weihnachtskonzert und ein alternativer Weihnachtsmarkt stattfanden. Es waren mehrere Gegenveranstaltungen angemeldet. Die Polizei war mit einem Großaufgebot und Verstärkung aus anderen Bundesländern vor Ort.

Ein Mann steht neben einer brennenden Barrikade bei Auseinandersetzungen zwischen linken Gegendemonstranten und der Polizei in Leipzig (Sachsen).
Ein Mann steht neben einer brennenden Barrikade bei Auseinandersetzungen zwischen linken Gegendemonstranten und der Polizei in Leipzig (Sachsen).

© dpa

Mehrere Brände am Samstagmorgen

Unbekannte haben am frühen Samstagmorgen mehrere Brände gelegt. In den Stadtteilen Südvorstadt und Connewitz brannten an mehreren Stellen Autoreifen sowie Container, wie eine Polizeisprecherin sagte. Außerdem sei auf einem Fabrikdach ein Lagerfeuer entzündet worden. Einen Zusammenhang mit der Demonstration in der Stadt ist laut Polizei nicht auszuschließen. (Tsp, dpa, AFP, epd)

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