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Politik: Schwedens Außenministerin ermordet

Anna Lindh stirbt nach mehrstündigen Operationen / Euro-Referendum wie geplant am Sonntag

Stockholm/Berlin. Die schwedische Außenministerin Anna Lindh ist am Donnerstagmorgen an den Folgen des Messer-Attentats vom Vortag gestorben. Wie Ministerpräsident Göran Persson unter Tränen mitteilte, erlag die 46-Jährige nach mehrstündigen Operationen ihren inneren Verletzungen. Die Sozialdemokratin galt als Schwedens beliebteste Politikerin und war eine überzeugte Befürworterin des Euro. Spitzenpolitiker aller Lager aus ganz Europa reagierten erschüttert. Wenige Stunden nach der Todesnachricht einigten sich die schwedischen Parteien darauf, an dem für Sonntag geplanten Euro-Referendum festzuhalten.

Persson sagte, der Angriff auf die 46-jährige Mutter von zwei Kindern „hat auch die Gesellschaft getroffen, die wir aufgebaut haben und in der wir leben wollen“. Der Premier fügte hinzu: „Schweden hat sein Gesicht nach draußen in die Welt verloren.“ König Carl XVI. Gustaf würdigte Lindh als „höchst kompetente Politikerin“. In Stockholm stand der Alltag am Donnerstag für viele still. Hunderte pilgerten zum Tatort und zum Krankenhaus, um Blumen niederzulegen. Büros blieben geschlossen, Internetseiten von Medien waren überlastet.

Die Polizei teilte mit, dass sie nicht von einem politischen Motiv für das Attentat in einem Stockholmer Kaufhaus ausgehe. Der Täter, Augenzeugen zufolge ein etwa 1,80 Meter großer, etwa 30 Jahre alter Mann in einer militärischen Tarnjacke, konnte fliehen. Das Attentat auf Lindh weckte Erinnerungen an die Ermordung von Ministerpräsident Olof Palme 1986, der wie Lindh ohne Leibwächter in Stockholm unterwegs gewesen war. Die Tat ist bis heute nicht geklärt.

Lindh war am Mittwoch durch Stiche in Brust, Bauch und Arm verletzt worden und hatte an der Leber schwere Schäden mit starken inneren Blutungen als Folge erlitten. Nach einer ersten Operation über acht Stunden hieß es zunächst, ihr Zustand sei nicht lebensgefährlich. Nach neuen inneren Blutungen wurde eine zweite Operation nötig, die erfolglos blieb.

Kanzler Gerhard Schröder schrieb in einem Kondolenztelegramm an Persson: „Ihr Einsatz für Frieden und Menschenrechte weltweit und ganz besonders für die europäische Einigung wird uns allen fehlen.“ Lindhs Tod bedeute einen „schweren Verlust für Schweden, Europa und die europäische Sozialdemokratie“. Außenminister Joschka Fischer sagte, er sei „schockiert und tief traurig“ über den Tod einer „sehr guten Freundin“. Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana erklärte, Europa und der EU-Ministerrat hätten eine „eindrucksvolle und engagierte“ Politikerin verloren. Der mit Lindh befreundete schwedische Botschafter in Berlin, Carl Tham, sagte, er sei schockiert über den Tod „einer einzigartigen Vertreterin schwedischer Außenpolitik“.

Kritiker bemängelten, Lindh hätte wegen ihrer wichtigen Rolle bei der Ja-Kampagne zum Referendum Personenschutz haben müssen. Diesen erhalten in Schweden bislang nur der Regierungschef und die Königsfamilie.

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