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Ralf Fücks hat in einem Sammelband die soziale Marktwirtschaft um die ökologischen Herausforderungen ergänzt.

© imago stock&people

Schwarz-grünes Buchprojekt: Der Versuch, die Ökonomie mit der Ökologie zu versöhnen

Der Altgrüne Ralf Fücks hat ein Buch herausgegeben - und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer stellt es vor. Ortstermin bei einer schwarz-grünen Performance.

Von Robert Birnbaum

Die Laudatorin begrüßt den Herausgeber mit einer angedeuteten Umarmung. Das wäre nicht weiter bemerkenswert als Auftakt für eine Buchvorstellung, handelte es sich bei der Laudatorin nicht um Annegret Kramp-Karrenbauer und beim Herausgeber um Ralf Fücks. Die CDU-Chefin und der Altgrüne – das ist jedenfalls keine alltägliche Paarung.

Das Werk, um das es am Dienstag in der Axica Sky-Lobby hoch über dem Pariser Platz geht, ist es erst recht nicht. „Dies ist ein besonderes Buch“, stellt Kramp-Karrenbauer unter allgemeinem Nicken fest. Und auch ihre Meinung, dass es zu keinem besseren Zeitpunkt hätte fertig werden können, teilt das Publikum.

Der Sammelband mit zwei Dutzend Aufsätzen trägt den etwas professoralen Titel „Soziale Marktwirtschaft ökologisch erneuern“. Der Clou, der ihn zu etwas Besonderem macht, liegt in seiner Entstehungsgeschichte. Vor etwa einem Jahr nämlich haben sich die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU und Fücks’ grüner Thinktank „Zentrum Liberale Moderne“ zusammengetan, um die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie einmal auf bundesdeutsch durchzubuchstabieren – und ein bisschen gegen den Strich.

Soziale Marktwirtschaft steht ja bisher eher für ein klassisches Wachstums- und Verteilungsmodell, das Politiker von CDU und CSU im politischen Alltagsgefecht gern gegen eine angebliche grüne Neigung zur Öko-Planwirtschaft in Stellung bringen. Insofern, merkt Adenauer-Chef Norbert Lammert zur Begrüßung an, sei die Buchkooperation schon eine interessante Versuchsanordnung.

Dafür, dass es im Labor nicht zwischendurch zur Knallgasreaktion kam, bot allerdings Fücks von Anfang an die Garantie. Der Alt-Realo hat kein Problem damit, die soziale Marktwirtschaft als „beste Ordnung der Wirtschaft, die wir kennen“, zu bezeichnen und über einen „Überbietungswettbewerb in immer neuen Verbotsforderungen“ nur den Kopf zu schütteln. Das System sei renovierungsbedürftig, sagt Fücks, aber es habe Zukunft.

Das sehen die Autoren auch so. Die Skala reicht politisch von der CDU-Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner bis zu ihrem früheren grünen Länderkollegen in Schleswig-Holstein Klaus Müller und fachlich vom Potsdamer Klimaforscher Ottmar Edenhofer bis zur Nachhaltigkeits-Expertin der Deutschen Börse Kristina Jeromin.

Ist das ein schwarz-grüner Flirt?

Die politische Spannweite lädt natürlich zu Spekulationen ein – zumal wenn man bedenkt, dass es mit der amtierenden Regierung ja doch recht schnell zu Ende gehen könnte. Kramp-Karrenbauer lässt da gleich zu Beginn etwas Luft raus. Manche hätten sich ja gefragt: „Ist das jetzt der Flirt von Schwarz- Grün?“ Es sei aber, was die CDU und sie selbst angehe, „eher die Rückbesinnung auf etwas, was uns immer ausgemacht hat“.

Zum Beleg ist die CDU-Chefin tief ins Parteiarchiv gestiegen. Fündig wurde sie bei den Düsseldorfer Leitsätzen von 1949, in denen die soziale Marktwirtschaft als Alternative zur Planwirtschaft wie zum freien Spiel der Marktkräfte definiert wurde.

Notfalls auf Wachstum verzichten

Noch fündiger wurde sie im Ludwigshafener Grundsatzprogramm von 1978, in dem tatsächlich der Satz steht: „Wo Wachstum zu einer unvertretbaren Beeinträchtigung der natürlichen Umwelt führt, muss notfalls auf solches Wachstum und damit verbundene Einkommensmehrung verzichtet werden.“

Die CDU hat den Satz lange überlesen. Fücks spottet leise, selbst zu dem Zeitpunkt, an dem die Idee zum Buch entstand, „ruhte“ die Klimadebatte in der Union noch. Das hat sich geändert. Ob in der CDU jeder die Konsequenzen verinnerlicht hat, ist eine andere Frage. „Wir brauchen unheimlich viel Mut“, sagt Sabine Nallinger von der Unternehmerstiftung „2 Grad“. „Wir sind sehr spät“, warnt Börsen-Frau Jeromin. Kramp-Karrenbauer verspricht zügiges Handeln: „Einfach mal machen!“

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