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Tatort New York: Polizisten sammeln Beweise nach einer Schießerei im Stadtteil Queens.

© Lloyd Mitchell/REUTERS

Schusswaffengewalt eskaliert: New Yorks neuer Bürgermeister erbt den „Katastrophenfall“

In New York City steigt die Gewalt mit Schusswaffen immens. Der Gouverneur ruft den Katastrophenfall aus. Auf den neuen Bürgermeister wartet eine große Aufgabe.

Es hat gedauert, die Auszählung verlief chaotisch, aber mehr als zwei Wochen nach der Wahl scheint ein Gewinner nun festzustehen. Nachdem US-Medien die demokratische Bürgermeister-Vorwahl in New York nach Auszählung fast aller Stimmen als entschieden ausgerufen hatten, erklärte sich der Ex-Polizist Eric Adams am Dienstagabend (Ortszeit) zum Sieger.

Adams, der erste schwarze Bezirkspräsident des Stadtteils Brooklyn, gilt damit als wahrscheinlicher nächster Bürgermeister der Millionenmetropole. Die eigentliche Wahl findet im November statt, dem republikanischen Kandidaten Curtis Sliwa werden aber keine Chancen im liberalen New York ausgerechnet. Adams wäre nach David Dinkins (1990-93) der zweite schwarze Bürgermeister New Yorks.

US-Medien zufolge hat der schwarze Ex-Polizist Eric Adams gewonnen

Auf den 60-Jährigen, der sich unter anderem gegen den ehemaligen Präsidentschaftsbewerber Andrew Yang durchgesetzt hat, warten gigantische Aufgaben. Als ehemaliger Polizist wird ihm von vielen Wählern am ehestes zugetraut, auf die derzeit eskalierende Schusswaffengewalt in New York reagieren zu können. Diese hat sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt, was der scheidende Bürgermeister Bill de Blasio auf die Pandemie zurückführt, die in Amerikas größter Stadt besonders schwer gewütet hat.

Die Lage ist so dramatisch, dass der Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, ebenfalls am Dienstag den „Katastrophenfall“ ausrief – als erster Bundesstaat in den USA. „Schaut man sich die aktuellen Zahlen an, sterben jetzt mehr Menschen an Waffengewalt und Verbrechen als an Covid. Dies ist ein landesweites Problem, aber irgendjemand muss jetzt handeln und dieses Problem angehen – unsere Zukunft hängt davon ab“, erklärte Cuomo.

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Darum soll nun unter anderem eine Spezialeinheit der Polizei zur Bekämpfung des Handels mit Schusswaffen geschaffen sowie viel Geld in Präventionsprogramme gesteckt werden. 76 Millionen Dollar sind zum Beispiel vorgesehen, um Arbeitsplätzen für junge Menschen zu schaffen.

Hält die Gewalt die New Yorker von ihrer Stadt fern?

Seit dem Frühjahr 2020, dem Beginn der Pandemie, hat die Waffengewalt in New York City stark zugenommen. Bis zum 6. Juni wurden nach Polizeiangaben mindestens 687 Menschen durch Schusswaffen verletzt oder getötet, im selben Zeitraum des Vorjahres waren es 409.

Eric Adams gewinnt laut US-Medien die demokratische Bürgermeister-Vorwahl in New York.
Eric Adams gewinnt laut US-Medien die demokratische Bürgermeister-Vorwahl in New York.

© TIMOTHY A. CLARY/AFP

Cuomo warnte am Dienstag auch davor, die Angst vor Gewalt halte die Menschen davon ab, an ihre Arbeitsplätze in der Stadt zurückzukehren. Mit seinen Zahlen widersprach er de Blasio, der zuvor vor „Panikmache“ gewarnt und erklärt hatte, es habe im Juni 2021 ein Fünftel weniger Schießereien als im Juni 2020 gegeben.

Adams will als Bürgermeister eine Waffe tragen

So oder so: Die Sicherheitsfrage in New York wird eine der Hauptaufgaben des potenziellen neuen Bürgermeisters. Adams thematisierte im Wahlkampf mehr als die anderen Kandidaten die Sicherheit im öffentlichen Raum. Für sich selbst hat er angekündigt, als Bürgermeister eine Waffe tragen zu wollen – als ehemaliger Polizist darf er das.

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Gleichzeitig hat er versprochen, New York den lange vernachlässigten New Yorkern zurückzugeben, die Stadt brauche Gerechtigkeit und Sicherheit. Da er selbst als Teenager von der Polizei misshandelt wurde und nur deswegen Polizist geworden sei, um das System von innen zu reformieren, wurde er hier offenbar als glaubwürdig angesehen. Mit dieser doppelten Botschaft punktete er gegenüber den weiter linksstehenden Mitbewerbern, die vor allem die Gewalt von Seiten der Polizei in den Mittelpunkt ihrer Kampagnen stellten und forderten, für die Sicherheitsbehörden vorgesehene Gelder anders einzusetzen.

New York Citys Haushalt umfasst knapp 100 Milliarden Dollar

Im Wahlkampfendspurt warben Adams Befürworter damit, dass er am besten wisse, was gegen die Gewalt getan werden könne. „Als ehemaliger Polizist versteht er die Bedürfnisse der Menschen hier vor Ort“, sagte etwa die Afroamerikanerin Jackie Kennedy Sadeler bei einem seiner letzten Auftritte in Brooklyn Mitte Juni. Ihre Freundin Cheryl Anthony ergänzte: „Er ist kampferprobt, hat Mitgefühl und das notwendige Stehvermögen, um die Stadt in diesen gefährlichen Zeiten zu führen.“

Als Bürgermeister wäre Adams für einen Haushalt verantwortlich, der knapp 100 Milliarden Dollar beträgt. Erst im Juni hatte de Blasio die Mittel für die New Yorker Polizei um 200 Millionen Dollar erhöht – nur ein Jahr, nachdem er ihr Budget im Zuge der „Black Lives Matter“-Proteste und der Rufe innerhalb der Demokratischen Partei, der Polizei Mittel zu entziehen, um eine Milliarde gekürzt hatte. De Blasio, der nach zwei Legislaturperioden nicht wieder antreten durfte und zum Jahresende ausscheidet, gilt inzwischen als extrem unbeliebt bei den New Yorkern.

Amerikas Städte leiden zunehmend unter der Schusswaffengewalt

Auch in anderen amerikanischen Großstädten hat die Schusswaffengewalt in den vergangenen Monaten dramatisch zugenommen. Allein am verlängerten Wochenende rund um den Nationalfeiertag am 4. Juli starben landesweit mindestens 189 Menschen, wie der Radiosender NPR am Dienstag unter Berufung auf Zahlen des „Gun Violence Archive“ berichtete. Mindestens 516 Personen wurden innerhalb von 72 Stunden bei mehr als 540 Vorfällen verletzt.

Vieles deutet daraufhin, dass sich die Lage noch verschlimmern wird: Politiker und Sicherheitsexperten warnen bereits vor einem „blutigen Sommer“, auch, weil sich immer mehr Amerikaner Waffen zulegen.

US-Präsident Joe Biden hat zwar angekündigt, alles dafür zu tun, die „Epidemie der Schusswaffengewalt in Amerika“ zu beenden. Aber die Mehrheiten der Demokraten im Kongress sind äußerst knapp, die Chancen für große Reformen stehen nicht gut. Die Republikaner wehren sich dagegen, den Erwerb und Besitz von Waffen entscheidend einzuschränken. Das Recht, eine Waffe zu tragen, ist im zweiten Zusatzartikel der US-Verfassung festgeschrieben.

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