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Giuseppe Conte ist der alte und neue Premier.

© Filippo Monteforte/AFP

Schulden, Arbeitslosigkeit, Flüchtlinge: Italiens neue Regierung kämpft mit alten Problemen

Nach dem Regierungswechsel ist Italien gespaltener denn je. Premier Guiseppe Conte wird die Unterstützung der EU dringend brauchen.

Der politische Umsturz, den Italien in diesem verrückten vergangenen Sommer erleben musste, ist denkwürdig. Die alte Regierung, dominiert vom omnipräsenten Lega-Chef Matteo Salvini, stand so rechts wie keine andere seit der Mussolini-Diktatur; die neue Regierung aus der Fünf-Sterne-Bewegung um dem sozialdemokratischen PD ist dagegen die linkeste seit über zehn Jahren.

Die alte Regierung schloss die Häfen für Seenotrettungsschiffe mit Migranten an Bord, die neue will die entsprechenden Gesetze überarbeiten. Die alte Regierung sah in Brüssel die Wurzel allen Übels, die neue bekennt sich zur EU und zum Euro. Die alte Regierung erließ Amnestien für Steuerbetrüger, die neue will diesem Volkssport ein Ende setzen.

Gleich geblieben sind der Premier – Giuseppe Conte – und die Probleme Italiens: eine horrende Staatsverschuldung, eine stagnierende Wirtschaft, hohe Jugendarbeitslosigkeit.

Das Bürgergeld, mit dem die alte Regierung vollmundig „die Armut abschaffen“ wollte, hat keine Probleme gelöst. Die Gräben in der durch die Dauerkrise verunsicherten italienischen Gesellschaft sind noch tiefer geworden. Angestachelt durch Salvinis Hass-Tiraden gegen Fremde, die EU und die „linke Champagner-Elite“ stehen sich seine Anhänger und die Vertreter eines toleranten, weltoffenen und europafreundlichen Italien unversöhnlicher gegenüber denn je.

Die neue Regierung ist demokratisch einwandfrei legitimiert, auch wenn Salvini gern das Gegenteil suggeriert: Die Fünf-Sterne-Bewegung und der PD waren bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr stärkste und zweitstärkste Partei geworden. Auch in den Umfragen liegt die neue Koalition mit 50 Prozent Zustimmung knapp vor den Rechtsparteien, die zusammen auf 48 Prozent kommen.

Gefahr droht eher aus den eigenen Reihen

In der Abgeordnetenkammer und im Senat verfügt die neue Regierung ebenfalls über relativ komfortable Mehrheiten – wobei sie im Senat auf die Unterstützung einiger kleineren Fraktionen und der Senatoren auf Lebenszeit angewiesen ist. Das könnte noch zum Problem werden.

Tatsächlich aber droht Gefahr eher aus den eigenen Reihen. Die Fünf Sterne zerbrechen in die alte Garde, die sich vornehmlich aus Globalisierungsgegnern und Umweltschützern rekrutierte und die erleichtert ist, dass die Koalition mit Salvini vorbei ist. Und in die neue Generation, die sich in erster Linie immer noch als Anti-System-Partei versteht und sich beim hemdsärmeligen Anti-EU-Haudegen Salvini besser aufgehoben fühlte als bei Conte. Die Fünf Sterne werden sich entscheiden müssen, wo sie stehen.

Migrationspolitik bleibt ein sehr großes Problem

Das gilt ganz besonders für die Migrationspolitik, die wie ein Damoklesschwert über der neuen Regierung schwebt. PD-Chef Nicola Zingaretti fordert, dass Salvinis Politik der geschlossenen Häfen und der Kriminalisierung der privaten Seenotretter überwunden werde. Die Fünf Sterne und ihr Politikchef Luigi Di Maio sind diesbezüglich sehr viel zurückhaltender.

Der neue Außenminister Di Maio und mit ihm der rechte Flügel der Fünf Sterne haben eine klare Mehrheit der Italiener auf ihrer Seite. Die sehen nicht ein, warum ein Rettungsschiff wie die „Sea Watch 3“, das unter holländischer Flagge fährt und unter dem Kommando einer deutschen „Capitana“ steht, die geretteten Flüchtlinge nach Italien statt nach Amsterdam oder Hamburg bringen soll.

Die neue Regierung wird zeigen müssen, dass eine humanere und weniger hysterische Flüchtlingspolitik möglich ist, ohne dass das Land gleich wieder von Migranten „überschwemmt“ wird, wie Salvini prophezeit. Dies bedingt aber, dass sich die EU-Partner bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme endlich solidarisch zeigen. Conte hat am Mittwoch im Gespräch mit der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits nachdrücklich gefordert, dass die geretteten Flüchtlinge automatisch auf alle Mitgliedstaaten verteilt werden müssten. Die EU hat die Wahl: Entweder sie kommt Italien in dieser Frage entgegen, oder Matteo Salvini könnte in wenigen Monaten wieder zurück an der Regierung sein. Möglicherweise stärker als zuvor.

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