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Politik: Schröder spricht vor Pariser Nationalversammlung - Außenpolitische Grundsatzrede erwartet

Eine seltene Ehre für den Kanzler - und große Aufmerksamkeit in der französischen Öffentlichkeit. Das sind die zwei Merkmale des Auftritts von Kanzler Gerhard Schröder am heutigen Nachmittag vor der französischen Nationalversammlung.

Eine seltene Ehre für den Kanzler - und große Aufmerksamkeit in der französischen Öffentlichkeit. Das sind die zwei Merkmale des Auftritts von Kanzler Gerhard Schröder am heutigen Nachmittag vor der französischen Nationalversammlung. Eigentlich soll der deutsch-französische Gipfel in Paris, der den Rahmen für die Kanzlerrede bildet, im Zeichen geschäftsmäßiger Kürze stehen. Aber von Schröder wird nichts Geringeres als eine außenpolitische Grundsatzrede erwartet - und nach den Irritationen um den deutschen Atomausstieg und die europäische Finanzplanung zur "Agenda 2000" soll seine Rede in Frankreich wieder einmal zur deutschen Standort-Bestimmung dienen.

Dass Schröders Rettungsaktion zu Gunsten des Holzmann-Konzerns dem Berliner Kanzler zu neuer Popularität verhofen hat, ist auch auf der anderen Seite des Rheins - keineswegs unkritisch - zur Kenntnis genommen worden. Schröders Parteinahme für die Holzmann-Beschäftigten wird verglichen mit dem rhetorischen Schlingerkurs, den der französische Premierminister Lionel Jospin angesichts des drohenden Abbaus von Arbeitsplätzen beim Michelin-Konzern an den Tag legte. Frankreichs Presse hat sich in der vergangenen Woche intensiv mit dem "deutschen Interventionismus" auseinander gesetzt. Die heutigen deutsch-französischen Beratungen, die auch der Suche nach einer gemeinsamen Position bei den Verhandlungen zur Liberalisierung des Welthandels dienen, sollen von dieser Diskussion freilich nicht getrübt werden.

Nach Gemeinsamkeiten suchen Berlin und Paris am heutigen Dienstag auch mit Blick auf den EU-Gipfel im kommenden Monat in Helsinki, dessen Themen - europäische Verteidigung, EU-Erweiterung und der viel diskutierte Kandidatenstatus für die Türkei - der deutsche Kanzler in seinen bilateralen Gesprächen mit Frankreichs Präsident Jacques Chirac und Premierminister Jospin erörtern will. Die Aussicht, dass der Türkei in Helsinki der EU-Kandidatenstatus verliehen wird, wird in Paris mit größerer Gelassenheit betrachtet als in Berlin. Zum einen gibt es in der Pariser Regierungskoalition keinen Streit, der mit den deutschen Querelen um die Panzerlieferung für Ankara vergleichbar wäre. Zum anderen wird das türkische Militär von der französischen Politik eher als pro-europäische und reformorientierte Kraft wahrgenommen. Gleichzeitig wird von französischer Seite darauf hingewiesen, dass für eine endgültige Aufnahme der Türkei in die EU weiterhin die so genannten Kopenhagener EU-Kriterien ihre Gültigkeit behalten. An diesen Kriterien, die den Schutz der Menschenrechte und den Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates vorsehen, werde sich Ankara weiter messen lassen müssen.

Eine grundsätzliche Übereinstimmung zeichnet sich auch in der Frage ab, dass die Verhandlungen über die Osterweiterung der EU für die kommenden Jahre hohen Stellenwert genießen. Dass auch in Paris inzwischen alle Optionen der Osterweiterung erwogen werden, lässt sich an einem Papier ablesen, das der ehemalige Mitterrand-Berater Jacques Attali jüngst Regierungschef Jospin vorlegte. Zu den denkbaren Möglichkeiten, die in dem Papier erwogen werden, gehörte auch ein EU-Beitritt der Ukraine.

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