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Der Ex-Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Exklusiv

Schon kurz nach Vorfällen in Chemnitz: Maaßen wollte „Hetzjagd“-Begriff früh unterbinden

Bereits fünf Tage nach der Gewalt in Chemnitz hat der damalige Verfassungsschutz-Chef Druck auf die Sicherheitsbehörden ausgeübt. Dies belegt ein BKA-Dokument.

Der Ex-Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) Hans-Georg Maaßen hat offenbar schon kurz nach den gewalttätigen Chemnitzer Demos vergangenes Jahr in Kreisen von Sicherheitsbehörden darauf hingewirkt, die These der Bundesregierung von einer "Hetzjagd" in Zweifel zu ziehen. Dies geht aus einem internen Dokument des Bundeskriminalamts (BKA) hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt.

Dem damaligen BfV-Präsidenten schien der Begriff sofort zu missfallen

Demnach hat ein Vertreter des BfV bei einer gemeinsamen Telefonkonferenz mit BKA, der Bundespolizei sowie sächsischem Verfassungsschutz und der Länderpolizei fünf Tage nach den Krawallen am 31. August 2018 die Runde ausdrücklich darauf angesprochen, ob "mutmaßliche Hetzjagden" stattgefunden hätten.

Die Polizeidirektion Chemnitz verwies in der Telefonkonferenz darauf, es sei "bezüglich der Vorfälle während der Demonstrationslagen" eine Ermittlungsgruppe eingerichtet worden. Allerdings müssten noch Bild- und Videodokumentationen ausgewertet werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuvor am 28. August gesagt: "Wir haben Videoaufnahmen darüber, dass es Hetzjagden gab, dass es Zusammenrottungen gab." Dem damaligen BfV-Präsidenten schienen diese Festlegungen von Anfang an zu missfallen. Am 6. September übermittelte er der "Bild"-Zeitung ein Zitat, das Merkels These öffentlich widersprechen sollte: "Es liegen dem Verfassungsschutz keine belastbaren Informationen darüber vor, dass solche Hetzjagden stattgefunden haben."

Vertreter der AfD werfen der Regierung seitdem vor, über die Chemnitzer Vorfälle Unwahrheiten verbreitet zu haben. Auch Maaßen sprach von einer "Falschinformation". Die Regierung betonte dagegen, dass es sich bei der "Hetzjagd" um eine politische Einschätzung gehandelt habe.

Polizeibehörde machte erhebliche Zweifel deutlich

Bei dem jetzt nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) an den Tagesspiegel herausgegebenen BKA-Dokument handelt es sich eine interne Stellungnahme nach einer parlamentarischen Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten Tobias Peterka. Die Angaben zur Telefonkonferenz von Ende August waren demnach nur als "Zusatz für das BMI" (Bundesinnenministerium) gedacht.

In der vorgeschlagenen Antwort auf Peterkas Frage, ob die Regierung an ihrer Einschätzung weiter festhalte, machte die Polizeibehörde allerdings ebenfalls Zweifel deutlich. Umgangssprachlich sei mit "Hetzjagd" das Verfolgen oder Jagen eines Menschen beschrieben, hieß es. Ein "derartiges Agieren" werde im Zusammenhang mit Straftaten als politisch motivierte Kriminalität an das BKA gemeldet. Solche Straftaten mit "Tatort Chemnitz" seien bisher keine verzeichnet.

Maaßens Front gegen Merkel brachte die Koalition in eine Krise

Von diesen Angaben hatte Regierungssprecher Steffen Seibert jedoch nichts in seine regierungsamtliche Antwort vom 10. September auf Peterkas Frage übernommen. Er bekräftigte lediglich zuvor getroffene Aussagen, wonach er "keine semantische Debatte über ein Wort führen" werde.

Maaßens Front gegen Merkel brachte die Koalition in eine Krise. Nachdem später auch noch bekannt wurde, dass der BfV-Chef vor internationalen Geheimdienstlern dem Manuskript zufolge von teilweise "linksradikalen Kräften in der SPD" gesprochen hatte, versetzte Innenminister Horst Seehofer (CSU) ihn in den einstweiligen Ruhestand.

Am Dienstag teilte die Kanzlei des Kölner Medienrechtlers Ralf Höcker mit, dass Hans-Georg Maaßen künftig im Bereich "öffentliches Äußerungsrecht" als Anwalt tätig werden soll. Dabei gehe es darum, Opfer rechtswidriger Berichterstattung zu betreuen. Als solches "Opfer" hatte Höcker kürzlich erst die AfD in ihrer erfolgreichen Klage gegen Maaßens frühere Kollegen vom BfV vertreten. Das BfV hatte die AfD rechtswidrig als "Prüffall" eingestuft.

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