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Emmanuel Macron (links) und Olaf Scholz bei einer Begegnung 2017 in Hamburg.

© picture alliance / Georg Wendt/d

Scholz und Macron: Zwei Russland-Versteher

Frankreichs Staatschef tritt in der Ukraine-Krise entschiedener auf als der Kanzler. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Macron und Scholz. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Es gehört zur deutsch-französischen Folklore, dass Präsidenten aus Frankreich ihre Politik mit einem anderen Naturell verfolgen als eine Bundeskanzlerin oder ein Bundeskanzler in Deutschland. Lange warb Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron bei einer bedächtig auftretenden Angela Merkel vergeblich für eine offensivere Europapolitik, bevor die Kanzlerin unter dem Druck der Pandemie einem Corona-Wiederaufbaufonds zustimmte.

Jetzt ist es Olaf Scholz, der als Merkels Nachfolger mit hanseatischer Nüchternheit Frankreichs Versuche für eine groß angelegte Revision des Euro-Stabilitätspaktes abzuwehren versucht.

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In der Ukraine-Krise verstärkt sich das Bild der ungleich auftretenden Partner in Berlin und Paris noch einmal. Dies liegt an der deutschen Kultur der militärischen Zurückhaltung. Während Frankreich sich bereit erklärte, Truppen unter Nato-Führung nach Rumänien zu entsenden, kündigte die Bundesregierung die Übergabe eines Feldlazaretts an die Ukraine an. Zudem schürten auch in Paris die Äußerungen des inzwischen zurückgetretenen Marine-Chefs Kay-Achim Schönbach den Verdacht, dass Berlin in der Ukraine-Politik eine Sonderrolle einnehmen könne.

Scholz denkt über Nord Stream 2 nach

Dennoch sind die Aussichten einer gemeinsamen Ukraine-Politik für Scholz und Macron, der an diesem Dienstag erstmals zu Besuch beim Bundeskanzler in der Berliner Regierungszentrale ist, nicht schlecht. Schließlich ist es ausgerechnet der Sozialdemokrat Scholz, der unter dem Druck der Ereignisse an der Ostgrenze der Ukraine zumindest über eine Infragestellung des umstrittenen Pipeline-Projektes Nord Stream 2 nachdenkt. Nach der Auffassung von Scholz liegen mit Blick auf mögliche Russland-Sanktionen alle Optionen auf dem Tisch. Von seiner Vorgängerin hatte man Vergleichbares nicht gehört, obwohl Frankreich dem Pipeline-Projekt – so wie die meisten Europäer – seit Jahren skeptisch gegenüber.

Sicherheitspolitische Ordnung Europas als gemeinsames Ziel

Während Scholz aber eine klarere Positionierung zu Nord Stream 2 vermeidet, steht er Macron in anderem anderen Punkt der Russland-Politik sehr nahe. Beide – der Kanzler und der Hausherr im Elysée-Palast – wollen ein neues Nachdenken über die künftige sicherheitspolitische Ordnung in Europa. Und beide wollen Russland dabei einbeziehen. Für das am Mittwoch geplante Pariser Ukraine-Treffen im Normandie-Format mit Vertretern aus Berlin, Paris, Kiew und Moskau könnte das hilfreich sein.

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