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Bundeskanzler Scholz bei seinem Besuch in Vilnius.

© REUTERS/Janis Laizans

Update

Scholz sagt Litauen Verstärkung der Ostflanke zu: Spanien hat offenbar noch keinen Antrag für Leopard-Panzer gestellt

Keine 200 Kilometer Luftlinie von der russischen Exklave Kaliningrad entfernt besucht Kanzler Scholz die Nato-Ostflanke. Es geht dabei auch um mehr Schutz.

Bundeskanzler Olaf Scholz ist zu einem Besuch in Litauen eingetroffen. Der SPD-Politiker wurde in der Hauptstadt Vilnius von Staatspräsident Gitanas Nauseda empfangen. Anschließend stand ein Treffen mit den Regierungschefs aller drei baltischen Staaten auf dem Programm. Dazu zählen neben Litauen auch Lettland und Estland.

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Bei seiner Ankunft ging es zunächst jedoch um Spanien: Mit Blick auf einen entsprechenden Bericht der Zeitung „El País“ erklärte Scholz, Spanien habe noch keine Anfrage für den Export von Leopard-2-Panzern aus deutscher Produktion in die Ukraine gestellt. Sollte es noch einen solchen Antrag geben, werde er geprüft, sagte er.

Spanien will dem Bericht zufolge der Ukraine deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A4 liefern. In der Regel muss die Bundesregierung solche Rüstungsexporte genehmigen, weil die Kaufverträge sogenannte Endverbleibsklauseln enthalten, die das für den Fall einer Weitergabe vorsehen.

Eine Lieferung von Leopard 2 wäre das erste Mal, dass die Ukraine im Kampf gegen die russische Armee moderne westliche Panzer erhielte. In Deutschland haben Politiker der Regierungspartei SPD bisher betont, es gebe eine informelle Übereinkunft zwischen den Nato-Staaten, solche Waffen nicht zu liefern. Dem Zeitungsbericht zufolge könnten rund 40 von 108 Leopard-Panzer, die Spanien 1995 gebraucht in Deutschland gekauft habe, wieder einsatzbereit gemacht werden.

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Deutsches Engagement in Form einer „robusten Kampfbrigade“

Bei den Gesprächen mit dem litauischen Präsidenten Nauseda sagte Scholz Litauen zusätzliche militärische Unterstützung zur Abschreckung und für die Verteidigung gegen einen möglichen russischen Angriff zu. „Wir haben uns fest vorgenommen, dass wir unseren Beitrag verstärken werden“, so Scholz. Das deutsche Engagement solle „in Richtung einer robusten Kampfbrigade“ entwickelt werden.

„Als Verbündete in der Nato fühlen wir uns einander verpflichtet und wir werden im Falle eines Angriffs jeden Zentimeter des Nato-Territoriums verteidigen“, sagte Scholz. Einzelheiten des verstärkten deutschen Engagements nannte der Kanzler zunächst nicht.

Derzeit ist ein von Deutschland geführtes Nato-Bataillon mit 1600 Soldaten in Litauen stationiert, davon gehören mehr als 1000 der Bundeswehr an. Eine Brigade besteht in der Regel aus etwa 3000 bis 5000 Soldaten.

Die baltischen Staaten dringen seit längerer Zeit auf die Stationierung jeweils einer Nato-Brigade in den drei Ländern. Unklar ist aber wie viele Soldaten davon tatsächlich vor Ort stationiert werden sollen, und wie viele außerhalb bereitgehalten werden sollen.

Zuvor hatte Lettlands Staatspräsident Egils Levits erklärt, er erhoffe sich vom Scholz-Besuch „konkrete Vorschläge“ für einen stärkeren Schutz des östlichen Nato-Bündnisgebietes. „Wir erwarten, dass auch Deutschland die gesamte Sicherheit der Nato im Auge hat und deshalb auch diese Aufstockung der Nato-Präsenz in allen drei baltischen Staaten unterstützt“, sagte Levits der dpa. „Die baltischen Staaten und Deutschland sind einig, dass die Nato-Ostflanke gestärkt werden muss als Reaktion auf das aggressive Verhalten Russlands.“

Scholz zum ersten Mal seit Kriegsbeginn an der Nato-Ostflanke

Mit Litauen besucht Scholz erstmals seit Beginn des Ukraine-Kriegs ein Nato-Land, das an Russland grenzt und sich durch die Atommacht besonders stark bedroht fühlt. In der Hauptstadt Vilnius wird er neben Nauseda die Regierungschefs aller drei baltischen Staaten treffen - neben Litauen und Lettland gehört noch Estland dazu. Anschließend besucht der Kanzler die Bundeswehrsoldaten, die in Litauen zur Sicherung der Nato-Ostflanke stationiert sind.

[Lesen Sie auch: An der Nato-Außengrenze in Litauen – „Wenn die Russen anfangen zu schießen, fliegt das über uns hinweg“ (T+)]

Auf dem keine 200 Kilometer Luftlinie von der russischen Exklave Kaliningrad entfernten Truppenübungsplatz bei Prabade wird Scholz sich auch ein Bild von der Ausrüstung der Bundeswehr machen, zu der Schützen- und Kampfpanzer, schwere Artillerie sowie Aufklärungsdrohnen zählen. Beim Nato-Gipfel in Madrid wird es vom 28. bis 30. Juni darum gehen, inwieweit die Nato-Truppen an der Ostflanke noch einmal aufgestockt werden.

Baerbock hat bereits weitere Verstärkung in Aussicht gestellt

Außenministerin Annalena Baerbock hatte im April bei ihrem Besuch in Litauen schon einen „substanziellen Beitrag“ Deutschlands zu einer Vergrößerung der Nato-Truppe im Osten zugesagt. „Wir müssen praktisch in der Lage sein, jeden Quadratzentimeter unseres gemeinsamen Bündnisgebietes, das heißt des Baltikums, zu verteidigen. Und zwar ab der ersten Minute“, sagte die Grünen-Politikerin.

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Die Nato-Verstärkungstruppe, an der auch Soldaten sieben anderer europäischer Länder beteiligt sind, war im Zuge der Ukraine-Krise schon von rund 1200 auf etwa 1600 Soldatinnen und Soldaten aufgestockt worden.

Litauen zählt neben Lettland, Estland, Polen und Norwegen zu den fünf Nato-Staaten, die eine Landgrenze mit Russland haben. Mit Finnland könnte bald ein sechstes hinzukommen. In der russischen Exklave Kaliningrad sind Raketen stationiert, die das gesamte Baltikum, ganz Polen und sogar Berlin erreichen können.

Unterschiedliche Haltung zur EU-Perspektive für die Ukraine

Der Schutz vor der russischen Bedrohung wird aber nicht das einzige Thema des Scholz-Besuchs sein. Es wird auch um die Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen die russischen Angreifer und die europäische Perspektive des Landes gehen. Während die baltischen Staaten dafür sind, die Ukraine zum EU-Beitrittskandidaten zu machen, hat sich die Bundesregierung noch nicht entschieden.

Soldaten der Nato-Staaten bei einer Feier im Litauen am 9. Februar 2022
Soldaten der Nato-Staaten bei einer Feier im Litauen am 9. Februar 2022

© AFP/Petras Malukas

Scholz will sich zunächst um die Aufnahme der Beitrittskandidaten auf dem Balkan kümmern. Mit Blick auf die Ukraine betont er, dass es für das Land keine Abkürzung auf dem Weg in die EU geben dürfe.

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat neue Kooperationsformen mit Ländern wie der Ukraine angeregt, weil ein EU-Beitritt innerhalb weniger Jahre nicht erreichbar sei. Nauseda hat sich dazu skeptisch geäußert. „Ich habe den Eindruck, dass dies ein Versuch ist, den offensichtlichen Mangel an politischem Willen zu überdecken, Entscheidungen über die Gewährung des Kandidatenstatus zu treffen.“

Kritik an deutscher Zurückhaltung bei Waffenlieferungen

Für die Ukraine hat der Kandidatenstatus höchste Priorität bei den Forderungen an die EU - neben den Waffenlieferungen für den Kampf gegen die russischen Angreifer. Die kleinen baltischen Staaten haben bereits früh Waffen in die Ukraine geschickt und Deutschland immer wieder als zu zurückhaltend bei der Militärhilfe kritisiert. „Wir sind 65 Mal kleiner als Deutschland. Und wir haben sechs Mal mehr Militärhilfe zur Verfügung gestellt als Deutschland“, sagte die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas Ende April bei einem Besuch in Berlin.

Inzwischen hat Deutschland der Ukraine mehrere schwere Waffensystem versprochen - aber noch nicht geliefert. Erst am vergangenen Mittwoch sagte Scholz dem Land das Luftabwehrsystem Iris-T zu. Auch vier Mehrfachraketenwerfer vom Typ Mars II sollen geliefert werden, die Ziele in 40 Kilometern Entfernung treffen können. Die Panzerhaubitze 2000, von denen die Bundeswehr sieben Exemplare an die Ukraine abgeben will, wird Scholz am Dienstag in Litauen besichtigen. Dort sind einige dieser Artilleriegeschütze stationiert. (dpa)

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