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Beate Zschäpe, Angeklagte im NSU-Prozesses.

© Matthias Schrader/dpa

Update

Schlussworte im NSU-Prozess: Zschäpe distanziert sich von rechter Szene

Im NSU-Prozess haben die Angeklagten ihr Schlusswort gesprochen. Am 11. Juli soll das Urteil verkündet werden. Thüringens Ministerpräsident Ramelow sieht Verfahren "zwiespältig".

Von
  • Matthias Meisner
  • Frank Jansen

Im NSU-Prozess steht nach mehr als fünf Jahren mit 437 Verhandlungstagen der Termin für das Urteil fest. Die Verkündung sei für kommende Woche Mittwoch vorgesehen, sagte der Vorsitzende Richter des 6. Strafsenats am Oberlandesgericht München, Manfred Götzl, am Dienstag. Zuvor hatten vier der fünf Angeklagten die Gelegenheit genutzt, letzte Worte zum Verfahren zu sagen. Sie könne leider nicht mehr äußern „als Worte des aufrichtigen Bedauerns“, sagte die Hauptangeklagte Beate Zschäpe. Die Angehörigen, die einen geliebten Menschen verloren, „haben mein aufrichtiges Mitgefühl“.

Sie distanzierte sich in ihrem Schlusswort von der rechten Szene und von den Verbrechen ihrer Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. „Bitte verurteilen Sie mich nicht stellvertretend für etwas, was ich weder gewollt noch getan habe“, sagte Zschäpe. Sie habe keine Kenntnis gehabt, warum die beiden Täter ihre Opfer an den verschiedenen Tatorten auswählten. Rechtes Gedankengut habe für sie "gar keine Bedeutung" mehr.

Die nach München gekommenen Eltern des vom NSU ermordeten Halit Yozgat reagierten nach der Verhandlung empört. „Ich glaube nichts von dem, was sie gesagt hat“, rief Ismail Yozgat. Die Neonazis Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hatten seinen Sohn am 6. April 2006 in Kassel erschossen.

Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe vor, Mitglied der Terrorzelle NSU gewesen und für die zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle als Mittäterin verantwortlich zu sein. Die Ankläger verlangen für die Frau lebenslänglich mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und Sicherungsverwahrung. Zschäpes Anwälte halten eine deutlich geringere Strafe für ausreichend.

Mit stockender Stimme sprach der Angeklagte Carsten S. seine letzten Worte zum Verfahren. „Auf der Suche nach mir bin ich in eine falsche Richtung gelaufen“, sagte S. Er hat gestanden, dem NSU die Mordwaffe Ceska 83 geliefert zu haben. Mit der Pistole erschossen Böhnhardt und Mundlos neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft.

Ralf Wohlleben hingegen, Ex-Vizechef der Thüringer NPD, schloss sich nur den Ausführungen seiner drei Verteidiger an. Wohlleben bestreitet, die Beschaffung der Ceska 83 eingefädelt und das Geld für den Kauf gegeben zu haben. Der Angeklagte Holger G., der dem NSU unter anderem mit einem  Reisepass und einem Führerschein half, entschuldigte sich bei den Hinterbliebenen der Ermordeten. Zu Beginn des Prozesses hatte G. ein Geständnis verlesen, danach sagte er außer an diesem Dienstag nichts mehr. Der fünfte Angeklagte, André E., schwieg auch jetzt wie an allen Prozesstagen zuvor. Die Bundesanwaltschaft hält ihm vor, den NSU jahrelang unterstützt und das Wohnmobil gemietet zu haben, das Böhnhardt und Mundlos für ihren ersten Sprengstoffanschlag in Köln nutzten.

Ramelow: Mitverantwortung der Geheimdienste nur verengt thematisiert

Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bewertet den Verlauf des Prozesses als „eher zwiespältig“. Er sagte am Dienstag dem Tagesspiegel: „Der NSU Prozess wird, das lässt sich jetzt schon sagen, Rechtsgeschichte schreiben. Das betrifft nicht lediglich die Anzahl der Verhandlungstage, die Dauer der Plädoyers und den Umfang der Akten, sondern vor allem die Monstrosität des Verbrechens, das ihm zugrunde lag.“ Der Linken-Politiker erklärte weiter: „Es ist gut, wenn am 11. Juli endlich das Urteil gesprochen wird und es ist zugleich äußerst unbefriedigend, dass so viele Fragen offen bleiben werden.“

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, Linke.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, Linke.

© Kai-Uwe Heinrich

Ramelow sagte dazu weiter: „Fragen nach einem möglichen Netzwerk von Unterstützung und der Mitverantwortung der Geheimdienste sind in diesem Prozess nicht oder nur sehr verengt thematisiert worden. Auch wenn Vergleiche schwierig sind, nach meinem Dafürhalten hatten die Untersuchungsausschüsse des Bundestages und der involvierten Landesparlamente einen höheren Erkenntniswert, politisch wie historisch.“ Ramelow würdigte besonders die Arbeit des Untersuchungsausschusses in Thüringen, der „Maßstäbe gesetzt“ habe.

„Wir wissen um das Leid der Opfer und ihrer Angehörigen, die Haupttäter kamen aus Thüringen“, erklärte der Regierungschef. Die Landesregierung von Thüringen richtete vor diesem Hintergrund am Dienstag per Kabinettsbeschluss einen Entschädigungsfonds in Höhe von 1,5 Millionen Euro ein, der den Familien der Opfer schnell und unbürokratisch zu Gute kommen soll. „Das kann kein Leid ungeschehen machen oder auch nur mindern, aber es ein Zeichen dass sich der Freistaat zu seiner Beantwortung bekennt“, sagte Ramelow.

Rekordzahl von 94 Nebenklägern

Im größten deutschen Terrorprozess seit der Wiedervereinigung ist die Rekordzahl von 94 Nebenklägern zugelassen. Die Angehörigen der Ermordeten und die überlebenden Opfer werden von 59 Anwälten vertreten. In der Hauptverhandlung, die am 6. Mai 2013 begonnen hatte, traten mehr als 550 Zeugen und einige Dutzend Sachverständige auf. Viele Zeugen und ein Teil der Gutachter mussten mehrmals aussagen. Die Richter überstanden Dutzende Befangenheitsanträge von Verteidigern der fünf Angeklagten. Die Kosten des Prozesses schätzen Justizkreise auf mehr als 60 Millionen Euro. Für den Tag des Urteils lockert der Strafsenat ein wenig die strengen Regeln im Umgang mit den Medien. Was Richter Götzl am 11. Juli verkündet, wird per Tonübertragung in einen Arbeitsraum für Journalisten gesendet. (mit dpa, AFP)

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