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Am 19. August muss der heutige Kanzler Olaf Scholz erneut im U-Ausschuss zu den Gesprächen mit der Hamburger Warburg-Bank aussagen.

© imago images/Christian Spicker

Schließfach-Affäre bei Hamburger SPD: Transparency-Chef fordert von Kahrs Aufklärung über 214.000 Euro - auch Fragen an Scholz

214.000 Euro im Schließfach: Ermittlungen gegen einen SPD-Mann im Warburg-Bank-Skandal werden auch für Olaf Scholz zur Bürde. Der sagt, er wusste davon nichts.

Die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International fordert von dem SPD-Politiker Johannes Kahrs, dass er die Herkunft der rund 214.000 Euro Bargeld offenlegt, die in einem Schließfach bei der Hamburger Sparkasse entdeckt worden sind.

„Johannes Kahrs muss unverzüglich Antworten auf die vielen offenen Fragen geben“, sagte der Transparency-Deutschland-Vorsitzende Hartmut Bäumer dem Tagesspiegel. „Sowohl mit Blick auf die Herkunft der 214.000 Euro in seinem Schließfach wie auch auf politische Absprachen rund um Cum-Ex“, betonte Bäumer.

„Kahrs ist in der Vergangenheit durch seinen an Lobbyismus grenzenden politischen Einsatz für die Warburg-Bank wiederholt auffällig geworden. Dabei muss er sich auch zu den Spenden erklären, die die SPD Hamburg beziehungsweise der Bezirksverband Hamburg-Mitte von Johannes Kahrs von der Warburg-Bank und aus ihrem Umfeld erhalten haben“.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz und der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (beide SPD) stünden in der Verantwortung, „zur Aufklärung beizutragen“, betonte Bäumer gegenüber dem Tagesspiegel.

Eine solche Geldsumme an sich ist nicht illegal. Die zuständige Kölner Staatsanwaltschaft betonte am Montag, ohne Details zu nennen, bei einer Durchsuchung im Rahmen der Cum-Ex-Ermittlungen in Hamburg seien „keine etwaig aufgefundenen Bargeldbeträge“ sichergestellt worden.

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Kanzler-Sprecher betont, Scholz wusste nichts von hoher Bargeldsumme

Die „Bild“-Zeitung hatte am Wochenende berichtet, dass bei dem früheren Bundestagsabgeordneten Kahrs in einem Bank-Schließfach im vergangenen Jahr über 200.000 Euro in Bar gefunden worden seien. Die Kölner Staatsanwaltschaft äußerte sich bisher nicht zu Details hierzu.

Der Journalist Oliver Schröm, der entsprechende Dokumente einsehen konnte, sagte dem Tagesspiegel, die Angaben seien zutreffend. „Es waren konkret 214.800 Euro und dann noch 2400 US-Dollar, die in dem Schließfach gefunden wurden.“ Bei einer Hausdurchsuchung bei Kahrs sei ein Mietvertrag über ein Schließfach bei der Hamburger Sparkasse gefunden worden, daraufhin sei beim Ermittlungsrichter ein Durchsuchungsbeschluss dafür beschafft und das Schließfach am 28. September 2021 geöffnet worden, sagte Schröm.

Die Durchsuchung fand zwei Tage nach der Bundestagswahl statt, die die SPD knapp gewonnen hatte. Scholz' Sprecher betont, der Kanzler wusste bisher nichts von einer möglichen höheren Bargeldsumme im Besitz des früheren Bundestagsabgeordneten Kahrs. Das könne er ausschließen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin

Kahrs gilt als Schlüsselfigur - warum wurde auf Millionen-Rückzahlung verzichtet?

Der Haushaltsexperte Kahrs hatte Anfang Mai 2020 seine Ämter niedergelegt und sich aus der Bundes- und Landespolitik zurückgezogen. Gegen ihn wird wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittelt, ihm wird vorgeworfen zugunsten der Privatbank, trotz der zu Unrecht kassierten Millionensummen, Einfluss genommen zu haben.

Bei Cum-Ex-Geschäften wurden Aktienpakete rund um den Dividenden-Stichtag so hin- und hergeschoben, dass man sich Steuern mehrfach erstatten lassen konnte, also der Staat betrogen wurde. Ein Untersuchungsausschuss versucht derzeit in Hamburg zu klären, ob es in der Zeit von Scholz als Erster Bürgermeister Hamburgs eine Einflussnahme führender SPD-Politiker auf Steuerentscheidungen bei der in den Cum-Ex-Skandal verstrickten Warburg Bank gegeben hat, ob bewusst auf Steuernachforderungen in zweistelliger Millionenhöhe verzichtet worden ist. Scholz soll am 19. August ein zweites Mal dort aussagen.

Kahrs selbst reagierte bisher nicht auf eine Tagesspiegel-Anfrage. Der versierte Netzwerker und langjährige Chef des Seeheimer Kreises gilt den Behörden zufolge als mögliche politische Schlüsselfigur in der Affäre. Bisher gibt es aber keine Hinweise, dass der Bargeldfund in Zusammenhang mit der Cum-Ex-Affäre um die Warburg-Bank stehen könnte.

Scholz traf Banker - auf eine Millionen-Rückzahlung wurde danach verzichtet

Auch auf Vermittlung von Kahrs kam es zu Treffen von Scholz mit den Gesellschaftern der Bank, Christian Olearius und Max Warburg. Nach diesen Treffen verzichtete Hamburg Ende 2016 auf die Rückforderung von 47 Millionen Euro.

Weitere 43 Millionen Euro wurden 2017 erst nach einer Intervention des damals von Wolfgang Schäuble (CDU) geführten Bundesfinanzministeriums eingefordert. Finanzsenator in der Hansestadt war damals Peter Tschentscher, der Scholz später im Amt des Ersten Bürgermeisters nachfolgte.

Scholz sagt, er könne sich an den Inhalt der Treffen nicht mehr erinnern, aber stets jede Einflussnahme bestritten. Der Investigativjournalist Oliver Schröm, der die Ermittlungsunterlagen zu dem Schließfachfund kennt, sagte dem Tagesspiegel: „Für Scholz wird es noch sehr unangenehm, weil es noch weitere Enthüllungen geben wird und auch der Untersuchungsausschuss jetzt erst so richtig Fahrt aufnimmt.“ Er kündigte weitere brisante Erkenntnisse in einem im Oktober erscheinenden Buch an und unterstellt Scholz, dass er lüge.

Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency International Deutschland, fordert Aufklärung.
Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency International Deutschland, fordert Aufklärung.

© dpa

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CDU-General: Scholz muss Kahrs auffordern, Herkunft des Geldes zu erklären

Der Bundeskanzler kann sich jetzt nicht mehr durch Aussitzen aus der Affäre ziehen. Scholz muss Kahrs dazu auffordern, die Herkunft des Geldes zu belegen", sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja dem Tagesspiegel. „Die Indizien dafür, dass maßgebliche SPD-Politiker in Hamburg in der Steuersache Warburg unrechtmäßig Einfluss genommen haben, werden immer zahlreicher“, betonte auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mathias Middelberg.

Ein SPD-Abgeordneter: "Das ist sehr besorgniserregend"

Aber auch in der SPD wurde Aufklärung verlangt. So twitterte der Bundestagabgeordnete Erik von Malottki: „Das Auffinden von 200.000 Euro im Schließfach von Johannes Kahrs ist sehr besorgniserregend. Kahrs sollte gegenüber der Öffentlichkeit und der SPD begründen, warum er so eine hohe Summe Bargeld lagert. Mir fehlt die Fantasie, dass es dafür eine rechtlich saubere Begründung gibt.“

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Johannes Kahrs war bis 2020 Bundestagsabgeordneter und Chef-Haushälter der SPD sowie Chef des Seeheimer Kreises.
Johannes Kahrs war bis 2020 Bundestagsabgeordneter und Chef-Haushälter der SPD sowie Chef des Seeheimer Kreises.

© Michael Kappeler/dpa

Scholz beruft sich auf Erinnerungslücken

Es kam in der Affäre zu mehreren Treffen des damals Ersten Bürgermeisters Scholz mit den Gesellschaftern der Bank, Christian Olearius und Max Warburg in den Jahren 2016 und 2017. Scholz sagt immer wieder, er könne sich an den Inhalt der Treffen nicht mehr erinnern. Gegen Olearius liefen damals schon Ermittlungen wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung.

Erst auf Weisung aus Berlin wurden die Millionen zurückgefordert

Nach den ersten Treffen hatte das Finanzamt 2016 mit Ablauf der Verjährungsfrist zunächst auf Steuernachforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro verzichtet – eine Einflussnahme wird von den politisch Verantwortlichen vehement bestritten.

Weitere 43 Millionen Euro wurden wie geschildert 2017 erst nach einer Intervention des damals von Wolfgang Schäuble (CDU) geführten Bundesfinanzministeriums eingefordert – eine solche Weisung an ein Bundesland kommt äußerst selten vor.

„Vor dem Hintergrund dieser massiv verdichteten Indizienkette müssen nicht nur Herr Kahrs, sondern ebenso Herr Tschentscher und Herr Scholz nun von sich aus alle Sachverhalte offenlegen, die irgendwie in Zusammenhang mit den Cum Ex-Betrügereien stehen könnten“, sagte Mathias Middelberg dem Tagesspiegel. „Insbesondere Herr Kahrs hat die Herkunft der 200.000 Euro jetzt lückenlos aufzuklären. Anderenfalls muss vermutet werden, dass diese Gelder einen dunklen Hintergrund haben."

So liefen die Cum-Ex-Geschäfte mit unrechtmäßigen Steuererstattungen.
So liefen die Cum-Ex-Geschäfte mit unrechtmäßigen Steuererstattungen.

© Tagesspiegel/dpa

„Das Schließfach ist Sprengstoff für den Bundeskanzler“

Der frühere Linken-Politiker Fabio de Masi, der sich weiterhin intensiv mit dem Fall beschäftigt, sagte dem Tagesspiegel: „Das Schließfach ist Sprengstoff für den Bundeskanzler“. Über 200.000 Euro in bar in einem Schließfach aufzubewahren, könne nur einen Grund haben. „Offenbar wollte Kahrs keine elektronische Datenspur auf seinem Konto.“

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Der Finanzexperte betonte, es müsse etwa geklärt werden, ob der Sozialdemokrat Geld der Warburg Bank entgegen genommen habe, das neben den bekannten Parteispenden nicht in den Büchern auftaucht. Es gäbe viele offene Fragen, auch an Scholz, sagt de Masi und meint: „Diese Affäre hat das Potential, den Kanzler zu stürzen.“

SPD-Spitze schweigt, Kanzleramt weicht aus

Die SPD-Spitze wollte sich auf Anfrage bisher nicht äußern, das Kanzleramt ließ eine Anfrage, ob Scholz Kahrs auffordere, die Herkunft des Geldes darzulegen, zunächst unbeantwortet. Ein Regierungssprecher antworte schließlich lediglich: „Der Bundeskanzler hat sich in dieser Angelegenheit ausführlich geäußert“ – das bezog sich wohl auf die früheren Einlassungen im Fall Warburg, auf die Frage nach den neuen Enthüllungen wurde aber nicht eingegangen.

Warburg-Banker fühlen sich in ihren Menschenrechten verletzt

Angesichts der zahlreichen Veröffentlichungen und Verfahren fühlen sich die Gesellschafter der Hamburger Warburg Bank, Max Warburg und Christian Olearius, in ihren Menschenrechten verletzt und ziehen deswegen vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

Der Gerichtshof mit Sitz in Straßburg habe eine entsprechende „Individualbeschwerde“ von Olearius und Warburg „zur Hauptsacheprüfung angenommen“, hat vergangene Woche der Anwalt der beiden, Peter Gauweiler, mitgeteilt. Ein Sprecher des Gerichtshofes bestätigte auf Anfrage, dass Olearius und Warburg „einen Antrag gegen Deutschland gestellt haben und dass das Verfahren derzeit anhängig ist“.

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