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Daniel Günther (CDU) ist nicht nur Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, sondern auch ein großer Heavy-Metal-Fan. Am Wochenende besuchte der 45-Jährige das Open Air Festival in Wacken.

© Axel Heimken/dpa

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther: "Wir sind mit einem Zuwanderungsgesetz viel zu spät dran"

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) spricht über ein Zuwanderungsgesetz, den Streit in der Union und den Fall Özil.

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Moin, Herr Günther – ist oben im Norden auch so eine Hitze?

Ich komm’ grad von Pellworm, auf den Halligen und Inseln ist es schon etwas kühler. Aber ich bin heute Abend beim Rockfestival in Wacken, und da sollen immer noch 28 bis 29 Grad sein.

Sie sind ein Heavy-Metal-Fan. Dann sind Sie ja in der Union genau richtig. Vor der Sommerpause haben es CDU und CSU schwer krachen lassen. Daraufhin hat sich eine "Union der Mitte" gegründet. Braucht die Union eine solche Initiative, um ihr Gleichgewicht wieder zu finden?

Nein, die Union ist in der Mitte gut verankert. Ich habe ja in der damaligen Auseinandersetzung auch immer sehr dafür geworben, dass sie dort bleibt und sich nicht falsch entwickelt. Dass sich an der Basis Leute zusammenfinden, die in die gleiche Richtung ziehen, finde ich in Ordnung. Aber mir ist wichtig, dass die Union beieinander bleibt und sich wieder in Gänze in der Mitte positioniert.

Parteichefin Merkel und ihre Generalsekretärin waren nicht begeistert. Sie fürchten, dass Flügelorganisationen wie die „Union der Mitte“ oder die rechtskonservative "Werte-Union" zu ideologischem Dauerstreit führen, der die Union schwächt...

Ich bin da ja ebenfalls zurückhaltend. Wir sollten so was auch nicht verstärken. Aber damals war spürbar, dass es bei uns durchaus Kräfte gab, die die Union weiter rechts besser positioniert haben wollten. Dass sich dazu ein Gegengewicht bildete und Mitglieder dafür auch öffentlich eintreten, finde ich gut. Trotzdem bleibe ich dabei: Als Partei sind wir gemeinsam stark. Und zwar gemeinsam in der Mitte.

Die CSU hat versucht, die AfD klein zu halten, indem sie ihre Themen und zum Teil auch ihre Sprache übernimmt. Das hat, glaubt man den Umfragen, nicht funktioniert. Was empfehlen Sie denn als Rezept gegen die Rechtspopulisten?

Ich empfehle, den Kurs zu fahren, den Angela Merkel in Berlin und wir hier in Schleswig-Holstein steuern. Die AfD hält man klein, wenn man lösungsorientiert arbeitet. Und man darf Probleme nicht noch rhetorisch verschärfen. Sonst bekommen die Leute das Gefühl, dass alles ganz dramatisch ist und uns überfordert. Dramatisierung ist genau der falsche Weg. Alle Umfragen zeigen das. Daher hoffe ich, dass wir in der Union jetzt wieder gemeinsam an Problemlösungen arbeiten. Dann gehören Rechtspopulisten hoffentlich bald der Vergangenheit an.

Die Umfragen zeigen, dass den Bürgern vieles wichtiger ist als Asylpolitik: ärztliche Versorgung, fehlende Pflegekräfte, Renten, steigende Mieten. Wäre es nicht an der Zeit für eine sozialpolitische Offensive?

Wir müssen uns den Alltagsthemen, die den Bürgern Nägeln brennen, jedenfalls sehr viel stärker zuwenden als bisher – ob Pflegekräftemangel oder Ärzteversorgung auf dem Land. Um hier weiterzukommen, darf man auch gerne strittige Debatten führen. Es hat aber wenig Sinn, sich politisch auf wenige Themen zu verengen und diese den Menschen quasi aufzudrücken. Wir selber haben das Flüchtlingsthema doch erst zum Hauptthema gemacht. Und wenn in der Politik besonders aufgeregt diskutiert wird, findet das in der Gesellschaft seinen Wiederhall. Natürlich treibt die Menschen hier manches um, zum Beispiel Vollzugsdefizite bei Abschiebungen. In Wahrheit haben wir aber in der Asylpolitik vieles deutlich besser im Griff als vor zwei oder drei Jahren. Wir waren eigentlich auf gutem Wege – bevor der große Streit begann.

Werden wir konkret. Wird Ihre Jamaika-Koalition in Kiel dem Plan der Bundesregierung zustimmen, nordafrikanische Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären?

Wir haben das im Kabinett noch nicht konkret besprochen. Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass die drei Partner unterschiedliche Sichtweisen haben. Die Grünen sind da sehr zurückhaltend, CDU und FDP deutlich aufgeschlossener. Selbstverständlich werde ich als Ministerpräsident und CDU-Landeschef aber dafür werben, mehr Länder als sicher auszuweisen. Das wäre ein wichtiger Weg zu beschleunigten Verfahren.

Wird Schleswig-Holstein denn auch ein "Anker"-Zentrum einrichten?

Wir haben uns dafür immer offen gezeigt. Etwas zurückhaltend waren wir, als es um die Pilotphase ging. Aber das Bundesinnenministerium hat jetzt klar signalisiert, dass der Bund uns kein grundlegend neues Modell aufdrücken will, sondern wir die vorhandenen Einrichtungen weiterentwickeln und ausbauen können. Dafür sind wir sehr aufgeschlossen. Ich bin zuversichtlich, dass wir entsprechende Einrichtungen in Schleswig-Holstein vernünftig organisieren werden.

Horst Seehofer will bis Ende August einen Vorschlag für ein Zuwanderungsgesetz präsentieren. Was sind Ihre Wünsche?

Zunächst mal begrüße ich sehr, dass das jetzt mal kommt. Wir sind damit schon viel zu spät dran. Am Wichtigsten ist mir, eine gute Antwort auf den Fachkräftemangel zu finden. Dazu gehört die Möglichkeit eines Spurwechsels – also, dass Asylbewerber auch dauerhaft bleiben können, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Oft fragt man sich ja: Warum ist ausgerechnet bei gut integrierten Menschen, die Deutsch gelernt und einen Arbeitsplatz gefunden haben, die Abschiebung möglich und bei anderen so schwierig? Bisher erlaubt das Asylrecht nur Duldung auf Zeit, am Ende wartet immer eine Abschiebung. Ich würde mir eine klare Regelung wünschen, die integrierten und auf dem Arbeitsmarkt benötigten Asylbewerbern den Wechsel in ein reguläres Zuwanderungsverfahren ermöglicht.

Wäre das eine Art Altfallregelung?

Nein, ich wünsche mir, dass das generell eingeführt wird. Es muss natürlich klug formuliert sein, damit wir nicht Anreize bieten, erst mal irgendwie ins Land zu kommen und danach diesen neuen Mechanismus zu nutzen. Ich glaube, dass man das juristisch klug formulieren kann. Wir haben selber ja ein Rieseninteresse daran, nicht nur Fachkräfte mit Doktorgrad nach Deutschland zu holen, sondern auch Pflegekräfte und Handwerker.

Wer soll denn kommen dürfen? Nur Menschen mit fertiger Ausbildung und Job in der Tasche? Oder ist es auch vorstellbar, ausländischen Pflegekräften hier auch mal ein halbes Jahr zur Jobsuche einzuräumen?

Man muss sich das sehr sorgfältig ansehen. Aber wenn jemand eine gute Ausbildung hat und mit wenigen Zusatzqualifikationen hier auch arbeiten darf, würde mir das als Voraussetzung genügen. Wir haben einen Riesenbedarf, grade im Pflegesektor. Da müssen wir mehr für unsere eigene Ausbildung tun, aber es ist erkennbar, dass wir an unsere Grenzen stoßen. Deshalb sollten wir die Möglichkeiten, Menschen für solche Jobs nach Deutschland zu holen, deutlich lockern.

Herr Günther, Sie haben bei der Fußball-WM im Nationaltrikot mitgefiebert. Plötzlich reden aber alle nicht mehr über verpasste Torchancen, sondern über Rassismus. Was ist schief gelaufen?

Einiges. Ich kann nicht verhehlen, dass das, was im Vorfeld passiert ist, auch bei mir einen sehr faden Beigeschmack hinterlassen hat...

Sie meinen das Propagandafoto der Nationalspieler Özil und Gündogan mit dem türkischen Präsidenten?

Ja. Es haben aber auch andere große Fehler gemacht. Die ganze Geschichte zeigt, dass wir in Deutschland in Sachen Integration noch längst nicht alles getan haben, was wir tun sollten.

Haben Sie Verständnis dafür, dass sich weder DFB-Chef Reinhard Grindel noch Nationaltrainer Jogi Löw hinter ihren langjährigen Nationalspieler Özil gestellt haben?

Jeder muss da mit seiner Verantwortung selber umgehen. Ich bin begeisterter Fußballfan, habe immer mit der Nationalmannschaft gezittert. Özil hat uns viele gute Spiele gebracht. Und als Kapitän einer Landesregierung weiß ich: Es ist wichtig, dass man für seine Arbeit auch öffentlich Rückendeckung bekommt. Nur so funktioniert Führungsverantwortung.

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