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Schweinehälften werden einer Großfleischerei verarbeitet.

© Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild

Schimmel, Ungeziefer, Einsturzgefahr: Fleischarbeiter leben in miesen Behausungen

Die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie sind katastrophaler als gedacht. Bei Prüfungen in NRW wurden 1900 Mängel bei Unterkünften für Arbeiter gefunden.

Die durch die Corona-Ausbrüche in den Fokus der Öffentlichkeit geratenen Bedingungen in der Fleischindustrie sind noch weit schlimmer als befürchtet. Das geht aus einem Bericht der nordrhein-westfälischen Landesregierung hervor.

Bei der Fleischindustrie wurden dort bis Ende Mai – also noch vor dem massenhaften Corona-Ausbruch in der Fleischfabrik Tönnies – rund 650 Unterkünfte mit mehr als 5300 Personen überprüft. „Insgesamt wurden über 1863 mittlere und gravierende Beanstandungen festgestellt“, heißt es in dem Bericht.

Dabei seien fehlende Desinfektionsmittel und Überbelegungen festgestellt worden, aber auch „Schimmelpilzbefall, Einsturzgefahren, undichte Dächer, katastrophale Sanitäreinrichtungen, Ungezieferbefall und Brandschutzmängel“.

Vier Wohnungen mussten aufgrund von erheblichen Baumängeln sowie Gesundheitsgefahren geräumt werden, zwei davon befinden sich im Kreis Gütersloh, wo Tönnies sein Werk hat. Der Zoll ist angehalten, regelmäßig die Arbeitsbedingungen in der Branche intensiv zu kontrollieren.

Die größte Schweineschlacht- und Zerlegeeinrichtung Deutschlands ist nach dem Corona-Ausbruch mit über 1500 Infizierten noch bis mindestens 17. Juli geschlossen. Nach Angaben der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) sind noch keine Notschlachtungen notwendig.

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Länger in den Ställen

Laut ISN könnten derzeit wegen der Schließung des größten deutschen Schlachthofes 70.000 bis 100.000 Schweine pro Woche nicht geschlachtet werden. Etwa die Hälfte davon wird zu anderen Schlachtbetrieben gebracht, zudem werden viele Schweine länger in den Ställen gehalten.

Erstmals liegen nun auch Zahlen zu den Krankschreibungen während der Pandemie durch Covid-19-Fälle vor. Am stärksten betroffen waren Pflegekräfte. Das ergab eine Analyse von Arbeitsunfähigkeitsdaten, die das Wissenschaftliche Institut der AOK vorgelegt hat.

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Demnach fehlten in den Lockdown-Monaten von März bis Mai 1283 von 100.000 Beschäftigten der Altenpflege coronabedingt an ihrem Arbeitsplatz. Damit liegen sie um mehr als das 2,5-fache über dem Durchschnittswert aller Beschäftigen.

Altenpflegekräfte mussten auch häufiger in Krankenhäuser wegen Covid-19. Von 100.000 Arbeitnehmern wurden 157 Personen mit dieser Diagnose in einer Klinik behandelt. Übertroffen wird dies nur noch durch Beschäftigte in der Fleischverarbeitung, sie kamen auf 173 Einlieferungen.

Hochschullehrer kaum betroffen

Von der Fleischverarbeitung abgesehen sind vor allem Berufe mit viel Kontakt zu anderen Menschen betroffen. Auf den Spitzenreiter Altenpflege folgt die Krankenpflege mit 1237 Betroffenen je 100 000 Beschäftigten.

Die wenigsten Ausfälle wegen Covid-19 gab es in Hochschullehre und -forschung sowie in der Landwirtschaft. Insgesamt wurden von März bis Mai von den 11,6 Millionen AOK-versicherten Erwerbstätigen etwa 55.000 mit Covid-19 krankgeschrieben.

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