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Israels Luftwaffe soll sich auf einen möglichen Luftschlag gegen Irans Atomanlagen vorbereiten, sagt Verteidigungsminister Benny Gantz.

© Nir Alon/imago/Zuma Wire

Scheitert das Atomabkommen?: Israelische und iranische Drohgebärden

Die Wortgefechte zwischen Israel und dem Iran werden schärfer. Das liegt auch am Verlauf der Atomgespräche – sogar die Europäer sind frustriert.

Es schaut nicht gut aus. Die ohnehin geringen Hoffnungen auf ein neues Atomabkommen mit dem Iran sind in den vergangenen Tagen nochmals geschrumpft. Zu tief scheint die Kluft zwischen den Verhandlungspartnern, zu groß das gegenseitige Misstrauen. Teheran gewähre der Weltgemeinschaft nur ein „sehr verschwommenes Bild“ seines Atomprogramms, sagte der Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), Rafael Mariano Grossi, jüngst der Nachrichtenagentur AP.

Kurz zuvor hatte Mohammad Eslami, der Leiter der iranischen Atomenergiebehörde, der IAEO eine Absage erteilt. Deren Forderung, die Zentrifugenanlage in Karadsch zu besichtigen, sei „inakzeptabel“. In jener Anlage war es im Juni zu einer Explosion gekommen, die Teheran dem israelischen Geheimdienst zuschreibt.

Bis zu jenem Zeitpunkt hatte die Atomenergiebehörde in der Anlage Überwachungskameras betrieben; nach der Explosion, die die Kameras beschädigte, hatte die iranische Führung es der IAEO jedoch verboten, die Geräte zu ersetzen. Das Argument: Die Kameras könnten von Hackern zur Vorbereitung des Angriffs missbraucht worden sein.

Die Kontrollen durch die Atomenergiebehörde hat Teheran eingeschränkt

Grossi wies diese Behauptung als „einfach absurd“ zurück. Kurze Zeit später schien der Iran plötzlich zurückzurudern. Die Islamische Republik sei nun doch bereit, neue Kameras zuzulassen, meldeten einige iranische Medien.

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Selbst wenn sich die Meldung als wahr herausstellt, ist damit jedoch nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einem neuen Atomabkommen bewältigt. Mitte 2018 war die US-Regierung unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump aus dem bis dahin geltenden Abkommen mit dem Iran, bekannt unter dem Kürzel JCPOA, ausgestiegen und hatte neue Sanktionen gegen das Land verhängt.

Seitdem hat das iranische Regime sein Nuklearprogramm verstärkt vorangetrieben und die Überwachung desselben durch die Atomenergiebehörde eingeschränkt. Unter anderem hat Iran begonnen, Uran auf 60 Prozent anzureichern, was das Atomabkommen verbietet.

Rafael Grossi, Chef der Atomenergiebehörde, ist nicht zufrieden mit der Kooperationsbereitschaft Irans.
Rafael Grossi, Chef der Atomenergiebehörde, ist nicht zufrieden mit der Kooperationsbereitschaft Irans.

© Leonhard Foeger/Reuters

Experten zufolge ist es von dieser Stufe technisch gesehen nur noch ein kleiner Schritt bis zur Anreicherung auf waffenfähiges Uran von 90 Prozent. Israels Regierung beschreibt die Aussicht auf einen atomar bewaffneten Iran als existenzielle Bedrohung; auch arabische Staaten wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate warnen seit Jahren davor. Irans Regierung wiederum beteuert, das Programm diene lediglich zivilen Zwecken.

Europa warnt: Wir haben nur noch Wochen für eine Einigung Zeit

In Wien versuchen Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China, zwischen dem Iran und den USA zu vermitteln und eine neue Einigung zu finden. Allerdings zeigen sich auch die drei europäischen Staaten zunehmend frustriert. „Die fortgesetzte nukleare Eskalation des Irans bedeutet, dass wir schnell das Ende des Weges erreichen“, ließen Deutschland, Frankreich und Großbritannien am Freitag verlautbaren. Teherans Atomprogramm sei weiter fortgeschritten als je zuvor.

EU-Chefverhandler Enrique Mora betonte am Ende der jüngsten Gesprächsrunde: „Wir haben nicht mehr Monate, sondern nur mehr Wochen Zeit für eine Einigung.“ Aus Diplomatenkreisen hieß es, man hoffe sehr, dass der Iran sich bald konstruktiv einbringen werde.

Der Iran hat damit begonnen, Uran bis auf 60 Prozent anzureichern.
Der Iran hat damit begonnen, Uran bis auf 60 Prozent anzureichern.

© AFP

Noch eindringlichere Warnungen kommen wie so oft aus Israel – begleitet von mehr oder minder verdeckten Drohungen Richtung Teheran. Schon Ende Oktober trainierte die Luftwaffe für einen Schlag gegen iranische Atomanlagen. Vergangene Woche teilte Verteidigungsminister Benny Gantz mit, er habe die US-Regierung informiert, dass er die Armee zur Vorbereitung auf einen derartigen Angriff angewiesen habe.

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Zugleich drängte er die USA zu einer härteren Gangart. „Es gibt Raum für internationalen Druck – politisch, wirtschaftlich und auch militärisch –, um den Iran davon zu überzeugen, seine Fantasien von einem Atomprogramm einzustellen“, erklärte Gantz.

Auch Premier Naftali Bennett warnt bei jeder Gelegenheit vor Teherans nuklearen Ambitionen. Erst vor wenigen Tagen traf er zu einem historischen Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein. Ein zentrales Thema seiner Gespräche: Iran. Denn auch die Golfstaaten beobachten das Atomprogramm des regionalen Rivalen mit Sorge. Sie rechnen nicht damit, dass der Iran bei den Wiener Gesprächen einlenken wird.

„Das Atomabkommen ist tot“

Manche Experten teilen diese Einschätzung. „Je weiter das Programm voranschreitet, ohne dass der Iran dafür einen Preis zahlt, desto größer ist die Versuchung, nicht zum Abkommen von 2015 zurückzukehren und sogar die Schwelle oder die Fähigkeit“ zur nuklearen Bewaffnung zu erreichen, sagt Sima Shine, Iran-Expertin am Institut für Nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv.

Bruno Tertrais, Direktor der Stiftung für strategische Forschung in Frankreich, sieht die Sache ähnlich. „Das JCPOA ist tot und kann nicht wiederbelebt werden.“

Der Iran sendet derweil eine drastische Warnung Richtung Israel. Kürzlich veröffentlichte die regierungsnahe „Tehran Times“ unter dem Titel „Nur eine falsche Bewegung“ eine Karte, auf der Israel mit Raketenangriffen gedroht wird. Zu sehen sind viele rote Stecknadeln, die mögliche Ziele markieren.

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