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CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) und die scheidende Kanzlerin Angela Merkel.

© dpa

Schäubles Aussage im Faktencheck: Welchen Anteil Merkel am Laschet-Problem der Union hat

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble gibt der Kanzlerin eine Teilschuld am schlechten Stand der Union. Aber zum Krisenverstärker wurde Laschet am Ende selbst.

Wolfgang Schäuble hat – eine Woche vor der Bundestagswahl – Kanzlerin Angela Merkel im Tagesspiegel-Interview indirekt eine Mitschuld an den Problemen der Union und den schlechten Chancen für Kanzlerkandidat Armin Laschet gegeben, der Bundestagspräsident wirft eine Frage auf, die noch intensiv bei CDU und CSU diskutiert werden dürfte. Ein Faktencheck.

Was Schäuble gesagt hat

„Angela Merkel ging 2018 ein Risiko ein, als sie vom Amt der Parteichefin zurücktrat. (…) Ich bin fest davon überzeugt, dass beides in eine Hand gehört: Parteivorsitz und Kanzleramt. Das war jetzt über fast drei Jahre nicht der Fall, und deshalb gibt es auch keinen Amtsbonus. Im Gegenteil: Der CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat steht neben der langjährigen erfolgreichen Bundeskanzlerin. Er kann nicht sagen, „wir machen alles neu“, kann aber zugleich auch nicht sagen, „wir machen einfach weiter so“. Das ist jetzt nach 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel ein Problem für meine Partei.“

Was stimmt: Merkel selbst hat immer gesagt, beides gehört in eine Hand. Nach dem schwachen CDU-Abschneiden bei der Landtagswahl in Hessen, rückte sie plötzlich davon ab, kündigte nach massivem innerparteilichen Druck am 29. Oktober 2018 an, den Parteivorsitz abzugeben, aber bis zum Ende der Legislaturperiode Kanzlerin bleiben zu wollen. Annegret Kramp-Karrenbauer wurde, wie von Merkel erhofft, zu ihrer Nachfolgerin als CDU-Vorsitzende gewählt, aber schon schnell knirschte es zwischen beiden Frauen.

Merkel fürchtete, dass „AKK“ sie von der Macht verdrängen könnte, damit sie mit einem Amtsbonus in die Wahl gehen könnte. Immer deutlicher wurde, dass ohne diese Machtbasis auch Kramp-Karrenbauers Stellung als Parteichefin zu schwach sein könnte. Auch Armin Laschet stichelte immer wieder gegen sie öffentlich, im Streit um die Wahl von Thomas Kemmerich zu Kurzzeit-Ministerpräsidenten in Thüringen – mit Stimmen von CDU, AfD und FDP – kündigte sie schließlich ihren Rücktritt an.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wolfgang Schäuble sind seit Jahrzehnten - nicht immer konfliktfreie - Wegbegleiter.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wolfgang Schäuble sind seit Jahrzehnten - nicht immer konfliktfreie - Wegbegleiter.

© Kay Nietfeld/dpa

Es folgte - bedingt durch die Corona-Pandemie - eine Entscheidung über die Nachfolge erst fast ein Jahr später, so fehlte auch Zeit, um die Frage der Kanzlerkandidatur früher zu lösen und die Kampagne besser vorzubereiten.

Auch andere, einflussreiche CDU-Politiker halten den 29. Oktober 2018 und Merkels Beharren gegenüber Kramp-Karrenbauer, bis zum Ende im Kanzleramt bleiben zu wollen, für den Anfang der aktuellen Krise. Merkel habe zu sehr an sich und ihre Macht, statt an einen letzten Dienst an der Partei gedacht. Laschet unterstützt sie nun erst auf den letzte Metern des Wahlkampes so richtig. Die Partei hat sich aber zugleich auch auf diese Dualität eingelassen und dies damals einhellig akzeptiert. 

Merkels Logik zufolge konnte sie mögliche Nachfolgeaspiranten wie Kramp-Karrenbauer in gute Startpositionen bringen, aber sich beweisen im harten Politikgeschäft, mithin sich kanzlerfähig erweisen, müssen sie sich schon selber.

Zugleich hat sie es nicht vermocht oder gewollt, starke Persönlichkeiten neben sich aktiv aufzubauen, die als natürliche, allseits akzeptierte Nachfolgekandidaten in Frage gekommen wären.

Aber: Selbst wenn es zu einem früheren Wechsel gekommen wäre, dann hätte das die SPD mitmachen müssen - und genau diese Annahme, einem anderen Unions-Politiker zu einem Amtsbonus zu verhelfen für den Wahlkampf gilt als eine unwahrscheinliche. Eher wäre die Koalition vorzeitig geplatzt und es hätte wie heue einen Wahlkampf mit neuen Bewerbern gegeben.

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Markus Söder (r), CSU-Parteivorsitzender und Ministerpräsident von Bayern, und Armin Laschet, Unions-Kanzlerkandidaten, CDU-Vorsitzender und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen
Markus Söder (r), CSU-Parteivorsitzender und Ministerpräsident von Bayern, und Armin Laschet, Unions-Kanzlerkandidaten, CDU-Vorsitzender und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen

© dpa/Daniel Karmann/

Was nicht stimmt

Dass es diese Konstellation allein ist, die zu dem Umfrageabsturz geführt hat. Allein schon die Umfragewerte für Markus Söder, der die Union – allen Umfragen zufolge – mutmaßlich zu einem Wahlsieg geführt hatte und das Kanzleramt eher als Laschet erhalten könnte, wiederlegt Schäubles These, dass Laschet alleine unter dem fehlenden Amtsbonus leidet.

Und Schäuble war es, der in einer geheimen Sitzung am Sonntagabend des 18. April 2021 im Bundestag (Söder war extra per Privatflugzeug mit seiner Entourage angereist), der CSU klar machte, dass Laschet Kandidat werden muss. Zusammen mit dem hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier war er der entscheidende Durchsetzer der Kandidatur des CDU-Vorsitzenden.

Nicht wegen dessen Qualitäten – Schäuble hatte sich für eine Wahl von Friedrich Merz zum CDU-Vorsitzenden ausgesprochen – sondern weil der CDU-Grande eine historische Machtverschiebung fürchtete, dass die kleinere Schwester CSU mit ihrem Alphatier Söder die viel größere CDU zum Erfüllungshilfen und aus der Union eine Art „Liste Söder“ machen, sie also entkernen und ganz auf seine Person zuschneiden könnte.

Gegen die Mehrheit der Basis setzte der CDU-Vorstand schließlich tags drauf in einer Sitzung Laschet als Kanzlerkandidaten durch. Das hätte immer noch funktionieren können, in Umfragen lag er zeitweise deutlich vorn.

Es folgte das Lachen Laschets im Flutgebiet, die Szene wurde zum Symbol für die Schwächen Laschets: Hat er die Ernsthaftigkeit und Professionalität, um das Kanzleramt zu können? Nur wer Krise kann, kann Kanzler, hatte Söder als Losung ausgegeben, Laschet wurde fortan viel kritischer betrachtet, machte Fehler, wirkte nicht immer sattelfest und ehrlich, konnte letztlich fast machen, was er wollte. Auch hier stimmt Schäubles Analyse also nur in Teilen: Mit individuellen Fehlern und zunächst fehlendem Elan und Konzept trug Laschet selbst dazu bei, dass die Union inhaltlich kaum punktete. Kurioserweise schaffte es Vizekanzler Olaf Scholz, als der Kandidat mit einem Amtsbonus aus Merkels Regierungszeit wahrgenommen zu werden.

Das Fazit

Angela Merkel jetzt derart in Mithaftung zu nehmen, ist eine zu einfache Darstellung, die Partei hat die Ämterteilung damals begrüßt und akzeptiert. Schäuble selbst hat bei der Lösung der K-Frage zu sehr nach seiner Parteilogik agiert, statt die öffentliche Meinung pro Markus Söder zu berücksichtigen. Daher wirkt es, als wolle er von seiner Rolle ablenken. Der Fall zeigt: Die Klärung der Schuldfragen, der Beginn des "Blame Games", wird noch zur Zerreißprobe für die Union werden.

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