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Wütend. Donald Trump nach den Drohnenangriffen auf die größte Ölraffinerie in Saudi-Arabien.

© Patrick Semansky/AP/dpa

Saudische Raffinerien unter Beschuss: Donald Trump fällt in die selbst gegrabene Grube

Zwingt maximaler Druck das iranische Regime in die Knie? Das war stets unwahrscheinlich. Immer klarer wird: Trump hat sich verspekuliert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Das imaginäre Bild zeigt einen ratlosen, etwas verdattert dreinschauenden Donald Trump. Darunter steht ein Zitat von Wilhelm Busch. Es stammt aus dem dritten Kapitel seines Buches „Die Haarbeutel“ (sic): „Ohne Hören, ohne Sehen steht der Gute sinnend da, und er fragt, wie das geschehen und warum ihm das geschah.“

Just zuvor war die größte Ölverarbeitungsanlage der Welt, gelegen in Saudi-Arabien, mit Drohnen und Raketen angegriffen und in Brand gesetzt worden. Mit Ausnahme des US-Präsidenten dürfte das freilich niemanden überrascht haben.

Wenn sich ein Land, wie der Iran, mit einem anderen Land, wie den USA, in einem Konflikt befindet, in dem es militärisch und technologisch klar unterlegen ist, greift es zu Mitteln der asymmetrischen Kriegführung. Ob in diesem Fall direkt, also von Teheran aus, oder indirekt, durch die mit dem Iran verbündeten jemenitischen Huthi-Rebellen. Diese Entwicklung war absehbar, seitdem Trump im Mai 2018 aus dem internationalen Atomabkommen ausgestiegen und seine Politik des „maximalen Drucks“ verkündet hatte.

Kaum ein Nahost-Experte glaubte damals - und glaubt heute -, die neue US-Strategie werde das Mullah-Regime an den Verhandlungstisch zurückzwingen. Gerade weil der Iran von einer extrem misstrauischen, klerikaldiktatorischen Clique regiert wird, war es unwahrscheinlich, dass diese vor den USA auf die Knie geht. Die Wirkung von Sanktionen auf autoritäre Regime wird ohnehin oft maßlos überschätzt. Wer die Lage realistisch beurteilt, musste davon ausgehen, dass sich die Dinge hochschaukeln würden. Und so kam es denn auch.

In der Straße von Hormus wurden Anschläge auf Öltanker verübt, die USA entsandten Kriegsschiffe. Der Iran schoss eine US-Aufklärungsdrohne ab, die USA antworteten mit Cyberangriffen auf iranische Raketenkontrollsysteme und ein Spionagenetzwerk. Nachdem Ende August aus noch ungeklärten Gründen eine iranische Raketenstartrampe explodierte, wünschte Trump dem Iran in einem Tweet „alles Gute und viel Glück“ bei der Ermittlung, wie es zu der Explosion gekommen war. Die USA verurteilen schon lange die Raketentests des Iran.

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Und nun die bislang schwerste Provokation – die Angriffe auf saudi-arabische Ölraffinerien. Sie treffen Trump zur Unzeit. Eben erst hatte er im Zwist über die Iran-Politik seinen Sicherheitsberater John Bolton gefeuert, der stets leidenschaftlich für „regime change“ plädiert hatte. Geben die Mullahs nun mit ihrem Verhalten den Warnungen Boltons nachträglich recht?

Eine weitere Eskalation, mitten in den beginnenden amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf hinein, käme Trump allerdings höchst ungelegen. Der Ertrag ist ungewiss, die Risiken sind groß. Das Netzwerk des Iran umfasst den Libanon, Syrien, den Irak, Afghanistan, Jemen. Über Bande wären auch Russland und China involviert. Ein zentrales Wahlkampfversprechen Trumps lautete, Amerikas „sinnlose Kriege“ zu beenden und die Soldaten heimzuholen. Wenn er dieses Versprechen bricht, wachsen die Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit.

Homosexuelle werden ausgepeitscht oder gehängt

Zu schlechter Letzt gerät jetzt auch wieder das äußerst problematische amerikanisch-saudi-arabische Verhältnis in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Auch Saudi-Arabien ist eine Klerikaldiktatur, bei Freedom House rangiert das Land als „worst of the worst“ noch hinter dem Iran. Der Blogger Raif Badawi sitzt dort seit sieben Jahren wegen „Beleidigung des Islam“ in Haft. In der Türkei wurde auf Anweisung von ganz oben der Journalist Jamal Khashoggi ermordet. Diebstahl wird mit Abhacken von Hand und Fuß bestraft. Ehebrecherinnen werden gesteinigt. Homosexuelle werden ausgepeitscht oder gehängt.

Doch damit nicht genug. Über Medien und Schulbücher wird in Saudi-Arabien massiv Antisemitismus verbreitet, die „Protokolle der Weisen von Zion“ gelten als authentisch. Abdul Rahman Al-Sudais, der Imam der Großen Moschee in Mekka, bittet Allah öffentlich in Gebeten darum, die Juden „zu zerstören“.

Ausbreitung des international operierenden Terrors

Seine Ideologie, den Wahhabismus, exportiert das saudische Königreich mit viel Geld und aggressiven Methoden. In Terrororganisationen wie Al Qaida und dem „Islamischen Staat“ geht der Samen auf. Ein US-Präsident, der die Ausbreitung des international operierenden Terrors verurteilt und die Einhaltung von Menschenrechten in China und dem Iran anmahnt, aber zu den Zuständen in Saudi-Arabien schweigt, verhöhnt Moral und Vernunft und lässt sich des Anlegens doppelter Standards bezichtigen.

Was tun? Europas Einfluss – sowohl in der Region als auch auf die beteiligten Konfliktparteien – ist gering. Das oberste Ziel muss es sein, den Konflikt einzufrieren. Mehr ist derzeit nicht drin. Und es ist wahrlich kein Trost, dass die Malaise absehbar und prophezeit worden war. Manchmal müssen selbst US-Präsidenten in eine Sackgasse laufen, um zu erkennen, dass es an deren Ende nicht weiter geht.

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