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Seit einem Jahr dürfen saudische Frauen einen Führerschein machen, nun haben sie weitere Rechte bekommen.

© Gehad Hamdy/dpa

Saudi-Arabien stärkt die Stellung der Frauen: Freiheit per Dekret

Saudi-Arabien stärkt die Frauenrechte in dem islamischen Land. Die Reform ist eine historische Veränderung und eine Image-Initiative zugleich.

Per Federstrich hat König Salman von Saudi-Arabien die Rechte der Frauen in dem erzkonservativen islamischen Land gestärkt. Frauen dürfen demnach ohne Zustimmung eines männlichen Vormunds einen Pass beantragen und alleine reisen. Saudische Frauen feierten die Dekrete des Königs als weiteren historischen Meilenstein ein Jahr nach Einführung des Führerscheins für Frauen. Die Reform hat aber auch das Ziel, das ramponierte internationale Image Saudi-Arabiens aufzupolieren.

Frauenrechtlerinnen protestieren seit Jahren gegen das Vormundsystem, das saudische Frauen in vielen Lebensbereichen von ihren Männern, Vätern und in manchen Fällen auch Söhnen abhängig und zu Bürgern zweiter Klasse macht. König Salmans Dekrete vom Freitag beziehen sich nun ausdrücklich auf alle Bürger im Alter von über 21 Jahren, ohne ausdrücklich zwischen Frauen und Männern zu unterscheiden: ein Signal der Gleichstellung.

Die Reform ist Teil der ehrgeizigen Agenda von Kronprinz Mohammed bin Salman, genannt MBS, dem starken Mann in Riad. Der 33 Jahre alte Thronfolger will Saudi-Arabien in die Moderne führen und unabhängig von Öleinnahmen machen. Mohammed bin Salman beharrt aber darauf, dass alle Veränderungen vom Königshaus ausgehen und kontrolliert werden – Initiativen von unten, aus der Zivilgesellschaft heraus, werden nicht geduldet.

Laut den Erlassen können Frauen künftig nicht nur alleine reisen, sondern auch erstmals die Geburt ihrer Kinder anmelden sowie eine Eheschließung oder eine Scheidung bei den Behörden eintragen lassen, ohne dass ein Mann aus ihrer Familie dem zustimmen muss.

Auch auf dem Arbeitsmarkt sollen Frauen gleichberechtigt sein. Niemand dürfe bei der Jobsuche wegen seines Alters, seines Geschlechts oder wegen einer Behinderung benachteiligt werden, ordnete der König an.

Allerdings wird das saudische Vormundsystem nicht völlig abgeschafft. So brauchen Frauen in dem Land weiter die Erlaubnis eines Mannes, um zu heiraten oder alleine in einer Wohnung leben zu dürfen. Auch können weibliche Häftlinge nach Verbüßung einer Strafe auch weiterhin nur dann aus dem Gefängnis entlassen werden, wenn ein männlicher Verwandter zustimmt. Sonst bleiben sie hinter Gittern.

Dennoch ist der Jubel bei saudischen Frauen groß. Muna Abu Sulayman, eine Geschäftsfrau und frühere Fernsehmoderatorin mit einer halben Million Twitter-Anhängern, nannte die Reformen „historisch“. Die neuen Regeln zeigten, was bei einer modernen Auslegung der islamischen Rechtsordnung Scharia alles möglich sei. Die saudische Botschafterin in den USA, Prinzessin Reema Bandar al Saud, twitterte, die Dekrete ermöglichten „echte Veränderungen“ für saudische Frauen.

Konservative Kommentatoren spielten die Bedeutung der Neuerungen herunter. Auch in Zukunft würden nur wenige saudische Frauen ohne Zustimmung ihrer eigenen Familien reisen, weil sie „in der großartigen Moral des Islam“ und gemäß den saudischen Traditionen erzogen worden seien, schrieb ein saudischer Twitter-Nutzer.

Die Dekrete bedeuten keine Kursänderung des Regimes

Zumindest zum Teil sind die Reformen eine Reaktion auf Negativ-Schlagzeilen über Saudi-Arabien in der Weltpresse. Anfang des Jahres sorgte der Fall der 18 Jahre alten Rahaf al Qunun für Schlagzeilen. Sie war vor ihrer saudischen Familie geflohen und bat in der thailändischen Hauptstadt Bangkok über soziale Medien um Hilfe. Die junge Frau erhielt schließlich Asyl in Kanada.

Auch bedeuten die königlichen Dekrete keine Kursänderung des Regimes im Umgang mit der Zivilgesellschaft. Kurz vor Gewährung der Führerscheine für Frauen im Juni vorigen Jahres waren mehrere Feministinnen inhaftiert worden: Kronprinz Mohammed wollte zeigen, dass allein das Herrscherhaus entscheidet, was sich verändert und was nicht.

Deshalb erfuhr die prominente Frauenrechtlerin Loujain al Hathloul von dem Schlag gegen das Vormundsystem im Gefängnis, wo sie vor wenigen Tagen ihren 30. Geburtstag erlebte: Sie sitzt seit mehr als einem Jahr hinter Gittern. Nach eigenen Angaben wurde sie gefoltert.

Auch in anderen Bereichen ist Saudi-Arabien derzeit auf Image-Verbesserung bedacht. Ein Jahr nach dem Mord an dem Dissidenten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 will Riad in diesem Herbst erstmals einen Journalistenpreis verleihen. Bei einer Konferenz sollen saudische und internationale Journalisten miteinander diskutieren.

Dennoch hält der Druck des Königshauses auf vermeintliche Kritiker an. Mehrere Gegner des saudischen Regimes im Ausland mussten seit dem Khashoggi-Mord von westlichen Geheimdiensten vor Entführungsversuchen geschützt werden. Rund 30 saudische Journalisten sitzen nach Angaben von Reporter ohne Grenzen in Haft.

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