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Darf man diesem saudischen Politiker Waffen liefern? Zwischen Berlin, Paris und London gibt es Differenzen, ob Mohammed bin Salman als Kunde noch infrage kommt.

© dpa

Saudi-Arabien: Ärger über deutschen Stopp von Rüstungsexporten

Deutschland will keine Rüstung mehr nach Saudi-Arabien liefern. Großbritannien und Frankreich sind nicht erfreut.

Von Hans Monath

Deutschland gerät wegen seiner strengen Rüstungsexportrichtlinien zunehmend unter Druck seiner wichtigen Verbündeten Großbritannien und Frankreich. Dies vertieft auch die Gegensätze von Union und SPD innerhalb der großen Koalition. Während Vertreter von CDU und CSU argumentieren, dass die strengen deutschen Regeln in einer stärker vergemeinschafteten europäischen Rüstungsindustrie kaum durchzusetzen sind, lehnen Sozialdemokraten Lockerungen beim Rüstungsexport ab.

Der deutsche Stopp von Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien betrifft zum Ärger der Regierungen in Paris und London auch Produkte, die deutsche Firmen gemeinsam mit Partnern und Großbritannien herstellen. Nachdem Frankreich seinen Unmut darüber schon deutlich gemacht hatte, äußerte nun auch der britische Außenminister Jeremy Hunt bei einem Besuch in Berlin Kritik.

Die strategischen Beziehungen zum saudischen Königreich müssten fortgesetzt werden, sagte Hunt in einer Rede am Mittwoch. Zur Frage der umstrittenen Rüstungsexporte fügte er hinzu, Einfluss auf den Kriegsverlauf im Jemen etwa könne Europa nur nehmen, wenn es enge Kontakte zur Regierung in Riad unterhalte. Deutschland hatte nach dem Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober einen Stopp von Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien verfügt, der allerdings im März ausläuft. Frankreich und Großbritannien haben sich dem nicht angeschlossen.

Hunt hatte sich bereits Anfang Februar in einem Schreiben an Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) tief besorgt über den deutschen Waffenexport-Stopp gegen Saudi-Arabien geäußert. "Es besteht ein großes Risiko, dass Saudi-Arabien künftig auf russische oder chinesische Lieferungen zurückgreiftE, heißt es in dem Brief, der Reuters vorliegt und über den zuerst "Spiegel online" berichtete. Damit verliere der Westen Einfluss auf Saudi-Arabien. "Ich bin auch tief besorgt über die Auswirkungen, die die deutsche Entscheidung auf die Lieferketten sowohl der britischen als auch der europäischen Rüstungsindustrie hat."

Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte Forderungen nach einem Stopp der Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien im Oktober als "pure Demagogie" abgetan. Nun wurden neue Vereinbarungen beider Länder über Rüstungsexporte geschlossen. Die französische Naval Group und der staatliche saudiarabische Rüstungskonzern Sami wollen nun gemeinsam Fregatten und U-Boote bauen. Beide Firmen unterzeichneten am Sonntag eine Absichtserklärung für ein Gemeinschaftsunternehmen.

Die SPD will den Lieferstopp verlängern

Kanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) warben auf der Münchner Sicherheitskonferenz für gemeinsame europäische Rüstungsexportstandards, auch wenn diese weniger streng ausgestaltet werden als die deutschen Regeln. Es gebe wegen der deutschen Geschichte gute Gründe für sehr strenge Exportrichtlinien, sagte Merkel. Es gebe aber genauso gute Gründe, für eine gemeinsame Verteidigungsgemeinschaft: "Gerade wenn wir eine europäische Einigkeit haben wollen, gemeinsame Kampfflugzeuge, gemeinsame Panzer entwickeln wollen, dann wird es nicht anders gehen, als dass wir uns auch auf gemeinsame Rüstungsexport-Richtlinien schrittweise hinbewegen", sagte sie. Leyen mahnte, die Deutschen sollten nicht so tun, als ob sie moralischer als die Franzosen oder Menschenrechts-orientierter als die Briten seien.

SPD-Chefin Andrea Nahles legte daraufhin ein Veto ein. "Ich war doch irritiert, dass die Bundeskanzlerin schon mal ankündigt, dass es da Kompromisse geben muss", sagte sie am Dienstag. Union und SPD streiten nun ganz konkret darüber, ob der Stopp der Rüstungsexport nach Saudi-Arabien pauschal verlängert werden soll. Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt forderte, dass man bei der Entscheidung zu Saudi-Arabien abgestuft vorgehen sollte. "Patrouillenboote etwa sind unproblematisch", sagte er zu Reuters. Für andere Rüstungsgüter könnte der Lieferstopp fortgesetzt werden.

Dagegen forderte SPD-Vizefraktionschef Rolf Mützenich eine Verlängerung des Exportstopps. "Die Gründe für die damaligen Entscheidungen bestehen bis heute fort", sagte er. Deshalb könne er sich nicht vorstellen, dass das Moratorium nicht verlängert wird.

Der CDU-Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern, Vincent Kokert, forderte, dass "zur Not der Bund als Kunde einspringen" müsse, wenn aus politischen Gründen keine Waffen mehr an bestimmte Staaten geliefert werden. Hintergrund ist, dass von Saudi-Arabien bestellte Patrouillenboote nicht mehr ausgeliefert werden können.

Der Rüstungsindustrieverband BDSV betonte, jede Entscheidung der Bundesregierung zu akzeptieren, man achte das Primat der Politik. "Das einzige, das wir mit Blick auf den Exportstopp nach Saudi-Arabien erwarten, ist Vertrauensschutz für die Unternehmen, deren Exporte bereits genehmigt waren: Für diese Unternehmen muss eine wirtschaftlich tragbare Lösung gefunden werden", sagte BDSV-Hauptgeschäftsführer Hans-Christoph Atzpodien dem "Handelsblatt".

Als erstes Unternehmen hat der Schraubenhersteller Würth Widerspruch gegen den Exportstopp eingelegt: Es geht dabei um die Schalter für ein gepanzertes Polizeifahrzeug, das Frankreich an Saudi-Arabien liefern will. Der Rüstungskonzern Rheinmetall drohte mit Klage auf Schadensersatz. Weitere betroffene Firmen denken darüber nach. Die Forderungen könnten sich nach Schätzungen aus der Industrie auf mehr als zwei Milliarden Euro belaufen.

Atzpodien fürchtet um die mit Frankreich verabredeten Großprojekte. "Nach unserer Einschätzung hat der unabgesprochene Lieferstopp Deutschlands die engsten Verbündeten in Europa zutiefst verärgert und Vertrauen zerstört", sagte er. Frankreich und Großbritannien wollten jetzt wissen, ob Deutschland aus ihrer Sicht ein zuverlässiger Partner sei. "Sollte Deutschland darauf beharren, die eigene Exportkontrolle auch auf die Verbündeten anzuwenden, werden neue und gemeinsame europäische Projekte in Gefahr geraten." (mit rtr, HB)

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