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Marco Bülow hat 2018 die SPD verlassen - aus Frust über die Groko.

© Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Satirepartei erreicht Bundestagsmandat: Ex-SPD-Mann Marco Bülow wechselt zu „Die Partei“

Der Bundestagsabgeordnete und ehemalige SPD-Politiker Marco Bülow tritt in „Die Partei“ ein – und beschert der Satirepartei damit ihr erstes Bundestagsmandat.

Es sollen „spektakuläre Bilder“ werden. Das verspricht die Einladung, die im Namen des Satirikers und EU-Abgeordneten Martin Sonneborn an diesem Montagmorgen verschickt wurde. Angekündigt wird eine kleine Sensation: „Die Partei“, deren Vorsitzender Sonneborn ist, soll 15 Jahre nach ihrer Gründung ihr erstes Bundestagsmandat bekommen – durch den „Übertritt eines MdB“, wie es in der Einladung heißt, eines Mitglieds des Bundestags.

Wer der „Überraschungsgast“ ist, der an diesem Dienstag vor dem Reichstagsgebäude seinen Mitgliedsausweis der „Partei“ entgegennehmen soll, wird nicht verraten. Nach Tagesspiegel-Informationen handelt es sich dabei jedoch um den Abgeordneten und ehemaligen SPD-Politiker Marco Bülow.

So dürfte es kaum ein Zufall sein, dass Bülow am Montag eine ähnliche Einladung wie Sonneborn an die Redaktionen in der Hauptstadt verschickt hat. „Ich bringe ab jetzt Verstärkung in den Bundestag“, schreibt er. „Es wird einige spannende Bilder geben.“ Sowohl in Bülows Schreiben als auch in dem der „Partei“ ist von einem „P-Day“ die Rede.

Der soll am Dienstag um 13 Uhr vor dem Reichstag begangen werden: „Zwei Abgeordnete stürmen den Bundestag, begleitet von 25 PARTEI-Freunden in offiziellem Grau“, heißt es in Sonneborns Schreiben. Den „P-Day“ kündigte Bülow auch am Sonntag bei Twitter an.

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Für den 49-Jährigen, der im November 2018 die SPD verlassen hat und seither als Fraktionsloser im Bundestag sitzt, könnte damit ein neues Kapitel in seiner politischen Laufbahn beginnen. Der SPD hat er im Frust über die Dauer-Groko den Rücken gekehrt, aus Ärger über die vielen Kompromisse, die so eine Koalition fordert. Mit der „Partei“ verbindet ihn das. Einer ihrer Wahlslogans lautet: „Groko haram“.

Im eigenen Lager isoliert

Kurz vor dem Austritt aus der SPD – Bülow trat 1992 ein – hatte er es noch mit dem von der ehemaligen Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht gegründeten Verein „Aufstehen“ versucht. Doch der Traum, dass sich daraus eine linke Bewegung formen würde, ging nicht auf. In der SPD-Fraktion galt Bülow schon länger als isoliert, selbst im Lager der Parteilinken.

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Seit 18 Jahren sitzt der studierte Politikwissenschaftler im Bundestag. Im kommenden Jahr will er sein Direktmandat verteidigen, dann wohl als Wahlkämpfer für „Die Partei“. Für die ist der Übertritt ein Coup. Neben den beiden EU-Abgeordneten Sonneborn und Nico Semsrott kann „Die Partei“ damit einen dritten prominenten Parlamentarier vorweisen. Das ist nicht zuletzt für die eigene Reichweite wichtig.

Die Youtube-Videos von Sonneborn-Reden vor dem EU-Parlament erreichen teilweise mehr als eine Million Klicks. Seine Fans feiern die scharfen Attacken, die Angriffslust und die Ironie in seinen Reden. Oft erinnern die Auftritte an die Gags der Satirezeitschrift „Titanic“, deren Chefredakteur Sonneborn einst war.

Fundis gegen Realos

Ob Bülow das auch kann? Seine Auftritte im Bundestag fallen eher nüchtern aus. Er selbst nimmt für sich das Label des „Klartexts“ in Anspruch. Er wolle mehr soziale Gerechtigkeit und die Demokratie stärken, sagt er. Seine Youtube-Videos erreichen jeweils ein paar Tausend Klicks. Das könnte sich mit dem Wechsel in die „Partei“ allerdings ändern, wenn sich die öffentliche Aufmerksamkeit – zumindest kurzfristig – auf Bülow richtet.

Wie die rund 50.000 Mitglieder mit dem Neuling in der „Partei“ zurechtkommen werden, muss sich zeigen. Als Mitglied des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit hat sich der Bundestagsabgeordnete der Sacharbeit verschrieben – da könnte wenig Spielraum für Satireaktionen sein, wie man sie von Sonneborn kennt. Gemeinsam mit dem „Partei“-Chef hat Bülow allerdings mindestens ein Thema: den Kampf gegen Lobbyismus in den Parlamenten.

Martin Sonneborn bei der Lesung seines Buches "Herr Sonneborn geht nach Brüssel" in Potsdam. Hier mit "Partei"-Mitglied Jennifer Schöpf.
Martin Sonneborn bei der Lesung seines Buches "Herr Sonneborn geht nach Brüssel" in Potsdam. Hier mit "Partei"-Mitglied Jennifer Schöpf.

© Manfred Thomas/TSP

Auch Sonneborn, der 2019 zum zweiten Mal ins EU-Parlament gewählt wurde, ist in jüngster Vergangenheit ernster geworden – zuletzt etwa mit seinen Bemühungen, auf Menschenrechtsverletzungen im Krieg in Berg-Karabach hinzuweisen. Kurz nach der EU-Wahl im Mai 2019 hatte Sonneborn im Gespräch mit dem Tagesspiegel bereits angekündigt, nicht mehr nur noch Gags im Parlament zu reißen, sondern auch „legislative Anträge“ einbringen zu wollen. Sein Parlamentskollege und „Partei“-Freund Semsrott, der im EU-Parlament Mitglied der Grünen-Fraktion ist, sieht sich ohnehin als Teil des „Realo-Flügels“.

Dem steht, wie in anderen Parteien auch, ein „Fundi“-Flügel gegenüber, dessen Anhänger vor allem den Spaß- und Satirefaktor der „Partei“ betonen. Statt Lobbyismus zu kritisieren oder Klima-Themen zu beackern, wie es Bülow tut, folgen sie Leitsprüchen wie „Das Bier entscheidet“ oder „Der Klügere kippt nach“. Auf deren Linie dürfte Marco Bülow wohl kaum liegen. Doch mit Flügelkämpfen kennt er sich als ehemaliger Sozialdemokrat ja bestens aus.

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