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Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump fanden nie einen Draht zueinander.

© Jonathan Ernst, Reuters

Sassnitz, US-Truppenabzug, Auto-Strafzölle: Szenen einer (zerrütteten) Ehe

Deutschland und die USA wichtige Verbündete. Warum hat sich das Verhältnis jetzt so dramatisch verschlechtert? Eine Analyse.

Beziehungen zwischen Staaten und Regierungen unterscheiden sich gar nicht so sehr von Beziehungen im Privatleben von Menschen. Entweder es läuft, man hat Vertrauen zueinander, kann Meinungsverschiedenheiten aushalten und nach einem handfesten Streit zusammenfinden.

Oder man steht eines Tags vor einem Haufen von Scherben, die nicht mehr zu kitten sind. Dann fragen sich die Betroffenen, wie es so weit kommen konnte, wann das Auseinanderdriften begann und wie daraus eine Zerrüttung wurde.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA sind jetzt wohl auf dem tiefsten Punkt seit der Einheit vor 30 Jahren. Auch wenn man weiter zurückblickt und die DDR als Sonderfall beiseitelässt, weil sie im Kalten Krieg dem Ostblock angehörte, bleibt es dabei: Dies ist der Tiefpunkt im Verhältnis der Bundesrepublik zu den USA.

Wann hat es Vergleichbares zuvor gegeben? US-Senatoren, also Angehörige eines Verfassungsorgans, drohen dem Fährhafen Sassnitz und damit dem Land Mecklenburg-Vorpommern und der Stadt Sassnitz als Anteilseignern mit „crushing sanctions“, vernichtenden Wirtschaftssanktionen. Sie bewerten die Gaspipeline als „große Gefahr für die Energiesicherheit Europas und die nationale Sicherheit der USA“.

Nord Stream 2 ist nur einer von mehreren Streitfällen

Die Unnachgiebigkeit ist ein Symptom. So ein Hafen hat für sich genommen keine essenzielle Bedeutung im bilateralen Verhältnis. Das Vorgehen zeigt, wie wenig die Verantwortlichen noch auf Toleranz, Dialog, Kompromisse setzen.

Nord Stream 2 ist zudem nur einer von mehreren Streitfällen. Donald Trump zieht Truppen ab, um Deutschland zu höheren Verteidigungsausgaben zu nötigen.

Doch viele Deutsche empfinden das nicht als Nachteil oder „Strafe“, sondern sagen: Geht doch! Und nehmt die Atomwaffen gleich mit! Er droht mit Strafzöllen auf Autos und andere Exportwaren. Er möchte Deutschland und Europa dazu bringen, sich der „Decoupling“-Strategie gegen China anzuschließen.

Proteste gegen die US-Politik hat es immer wieder gegeben. Wie hier gegen den Irak-Krieg.
Proteste gegen die US-Politik hat es immer wieder gegeben. Wie hier gegen den Irak-Krieg.

© Imago

Gravierenden Streit hat es auch früher zwischen den Regierungen gegeben sowie Massendemonstrationen Deutscher gegen US-Politik: gegen den Vietnamkrieg, das Bündnis mit rechten Diktaturen in Lateinamerika, den Rüstungswettlauf, zwei Irakkriege 1991 und 2003, die Methoden in der Terrorabwehr, darunter das Lager Guantanamo, das Atomabkommen mit dem Iran. Sie bewirkten Enttäuschungen und Verletzungen, aber keine Zerrüttung. Das Wissen um die gemeinsamen Interessen war stärker.

Im Kalten Krieg sowieso, als die Bundesrepublik und Westeuropa sich auf den Schutz der USA verließen. Aber auch danach, als man gemeinsam Strategien für den Umgang mit den neuen Demokratien in Mitteleuropa, mit Russland, den arabischen Revolutionen und den Gefahren des islamistischen Terrors suchte.

Die Abwendung entwickelte sich schleichend. Europa ist nicht mehr der Schauplatz der nächsten großen Herausforderung für die Weltmacht USA. Der ist in den Pazifik und nach Asien gewandert. Dort haben Deutschland und die EU zwar auch Interessen, verfolgen sie aber nicht so strategisch wie die USA.

Ein Vertrauensbruch

Dann kam die NSA-Affäre: Die USA hören Verbündete ab, darunter Angela Merkel. Ein Vertrauensbruch. Dies führte jedoch nicht zur Zerrüttung – die Affäre ist eher ein Gegenbeispiel dafür, was damals anders lief. Angela Merkel und Barack Obama verband ein Grundvertrauen. Sie setzten darauf, dass man Konflikte im Dialog lösen kann. Sie handelten verlässlich. Und überwanden die Krise.

US-Präsident Barack Obama und Angela Merkel auf der Dachterrasse des Kanzleramtes.
US-Präsident Barack Obama und Angela Merkel auf der Dachterrasse des Kanzleramtes.

© picture alliance / dpa

Das ist unter Trump anders. Er setzt auf Druck, ja: Erpressung. Und er spaltet, die USA wie Europa. Er definiert das liberale Amerika als Feind, ergo auch den Teil Europas, der noch liberaler ist. Das gelingt ihm freilich auch deshalb, weil er Streitpunkte findet, in denen er nicht rundheraus falschliegt, sondern es begründete Ansatzpunkt für Kritik gibt, auch aus Sicht mancher Deutscher und einer beträchtlichen Zahl von Europäern.

Die Zollschranken der EU sind für die USA höher als umgekehrt. Deutschland erfüllt seine Zusagen an die Nato seit Jahren nicht. Man kann die hohe Energieabhängigkeit von Russland aus guten Gründen für riskant halten. Und einen härteren Kurs gegenüber China richtig finden.

Trump droht, statt die Verständigung zu suchen. Und die Deutschen sind umso weniger bereit, auf begründete Kritik einzugehen. Beide Seiten fühlen sich unverstanden, sehen sich im Recht und machen dicht. Weder Trump noch die große Koalition bemühen sich ernsthaft um eine Annäherung.

Gute Beziehungen zu den USA gehörten zur deutschen Staatsräson. Ebenso das Bemühen um Einheit in der EU. An Trumps erfolgreichem Spalten droht beides zu zerbrechen. Wer mag noch ruhig schlafen?

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