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Saskia Esken, Bundesvorsitzende der SPD.

© Fabian Sommer/dpa

Update

Saskia Esken kontert Andreas Scheuer: „Ein Tempolimit auf unseren Autobahnen ist gut für Klima und Sicherheit“

Soll die Geschwindigkeit auf Autobahnen auf 130 km/h begrenzt werden? Der Verkehrsminister will nicht über Tempolimit diskutieren, die SPD-Spitze sehr wohl.

Auch über die Weihnachtsfeiertage lassen sich die Streitpunkte zwischen Union und SPD nicht verdecken. Jetzt gibt es erneut Ärger wegen CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer, diesmal in Sachen Tempolimit. Denn Scheuer will nicht über eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen reden.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken reagierte pikiert. „Ich kann ja verstehen, dass Verkehrsminister Scheuer versucht, Nachrichten abseits des Maut-Debakels zu produzieren. Er ist aber nicht in der Position, im Alleingang die Angelegenheiten der Koalition zu regeln“, merkte sie am Mittwoch an.

„Ein Tempolimit auf unseren Autobahnen ist gut für den Klimaschutz, dient der Sicherheit und schont die Nerven der Autofahrer. Und deshalb werden wir darüber auch im neuen Jahr wieder sprechen.“ Außerhalb Deutschlands sei ein Tempolimit der Normalfall. „Nur die CSU macht noch so einen unbegreiflichen Bohei draus.“

Der SPD-Politiker Ralf Stegner appelliert an die CSU und Scheuer, „ihre bockige Blockadehaltung“ beim Tempolimit auf deutschen Autobahnen aufzugeben. Der Fraktionschef im schleswig-holsteinischen Landtag sagte dem „Handelsblatt“, dies wäre ein „kleiner, aber denkbar einfacher Beitrag zum Klimaschutz“. Ein Tempolimit erhöhe zudem erheblich die Verkehrssicherheit und verbessere den Verkehrsfluss. „Ganz Europa und fast alle zivilisierten Staaten haben ein Tempolimit.“

Andreas Scheuer dagegen hält nichts von einer neuen Debatte über ein Tempolimit auf Autobahnen in der großen Koalition. „Wir haben weit herausragendere Aufgaben, als dieses hoch emotionale Thema wieder und immer wieder ins Schaufenster zu stellen - für das es gar keine Mehrheiten gibt“, hatte der CSU-Politiker zuvor kundgetan.

Verkehrminister Andreas Scheuer (CSU) vor einer Kabinettsitzung im Kanzleramt in Berlin.
Verkehrminister Andreas Scheuer (CSU) vor einer Kabinettsitzung im Kanzleramt in Berlin.

© imago images/Emmanuele Contini

Es gebe ein funktionierendes System der Richtgeschwindigkeit. Rund ein Drittel der Autobahnen habe schon Tempo-Beschränkungen. Die meisten Unfälle passierten auf Landstraßen. Im Januar hatte Scheuer gesagt, die Forderungen seien „gegen jeden Menschenverstand.“

Die SPD hat eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 Kilometern pro Stunde als eines der Themen für zusätzliche Vorhaben genannt, über das sie nun mit der Union sprechen will. Dies leiste einen Beitrag zur Verkehrssicherheit und sei eine „kostenlose Klimaschutzmaßnahme“, heißt es in einem SPD-Parteitagsbeschluss von Anfang Dezember.

CDU und SPD hatten erst vor Wochen ein Tempolimit abgelehnt

Scheuer betonte: „Der Bundestag hat vor ein paar Wochen abgestimmt und ein Tempolimit mit überwältigender Mehrheit abgelehnt.“ Er fügte hinzu: „Wir sollten intelligent steuern. Es geht um bessere Verkehrsbeeinflussung und Verkehrslenkung durch digitale Systeme.“ Damit könne man den Verkehr an neuralgischen Stellen punktgenau steuern. „Es ist ein Unterschied, ob nachts die Strecke frei ist oder man am Freitagnachmittag kurz vor Weihnachten auf einem hoch belasteten Abschnitt fährt.“

Die Koalition hatte im Zuge der Klimaschutz-Beratungen bereits über ein Tempolimit diskutiert, die Union erteilte dem aber eine Absage. Erst im Oktober scheiterten die Grünen im Bundestag mit einem Vorstoß zur Einführung von Tempo 130 - wie zu erwarten. Dafür positionierten sich 126 Abgeordnete, dagegen 498, sieben enthielten sich. Auch die meisten SPD-Abgeordneten stimmten dagegen, wie es in Koalitionen bei Oppositionsanträgen allerdings üblich ist. SPD-Politiker machten aber damals schon deutlich, dass das Thema etwa bei Beratungen über mehr Verkehrssicherheit im neuen Jahr wieder auf die Agenda soll.

Lindner unterstützt Scheuer: Generelles Tempolimit bringt nichts

Unterstützung in der neu aufgeflammten Debatte erhielt Scheuer von FDP-Chef Christian Lindner. „Ich bin gegen ein generelles Tempolimit auf Autobahnen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Verbote sollten nur da ausgesprochen werden, wo sie auch tatsächlich gebraucht werden.“ Dort, wo es in Deutschland die Verkehrssicherheit erfordere, würden schon heute Geschwindigkeitsbeschränkungen verhängt.

„Der Beitrag eines generellen Tempolimits zur globalen CO2-Einsparung wäre zudem marginal“, sagte Lindner. „Statt eines Tempolimits brauchen wir ein CO2-Limit für Deutschland. Das würde dazu führen, dass Wasserstoff oder andere klimafreundliche Treibstoffe in Zukunft Benzin und Diesel ersetzen können.“

70 Prozent des Autobahnnetzes weiterhin ohne Tempolimit

Auf dem Großteil der Autobahnen gilt nach wie vor freie Fahrt. Ohne Tempolimit sind 70 Prozent des Netzes. Dauerhaft oder zeitweise geltende Beschränkungen mit Schildern gibt es auf 20,8 Prozent des Netzes, wie aktuelle Daten der Bundesanstalt für Straßenwesen für 2015 zeigen - am häufigsten sind Tempo 120 (7,8 Prozent) und Tempo 100 (5,6 Prozent). Dazu kommen variable Verkehrslenkungsanzeigen.

Unabhängig davon gilt seit mehr als 40 Jahren eine empfohlene Richtgeschwindigkeit von 130. Schaut man sich eine EU-Karte an, ist Deutschland ein „weißer Fleck“ In ganz Europa und in allen Industrieländern weltweit sind auf Autobahnen und Landstraßen durchgehende Geschwindigkeitsbegrenzungen festgelegt. Deutschland ist hier die einzige Ausnahme. Lediglich Nordkorea, Somalia, Afghanistan, Haiti und der Inselstaat Dominica haben kein generelles Tempolimit. (dpa, Tsp)

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