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Werner Patzelt am vergangenen Samstag auf dem CDU-Landesparteitag in Dresden.

© Oliver Killig/dpa

Sachsen: Patzelt warnt CDU vor Koalition mit AfD

Bei der AfD gilt Werner Patzelt als Brückenbauer. Doch der Politologe, nun Wahlhelfer der CDU, sieht aktuell in Sachsen keine Chance für Schwarz-Blau.

Von Matthias Meisner

Der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt sieht in absehbarer Zeit keine Chance für eine schwarz-blaue Koalition aus CDU und AfD in Sachsen. Das machte Patzelt, inzwischen Wahlhelfer der sächsischen CDU, in verschiedenen Interviews nach dem Streit um die Absage der Technischen Universität Dresden an die von ihm beantragte Seniorprofessur deutlich.

Der "FAZ" erklärte Patzelt, Sachsens CDU und auch die Bundespartei teilten inzwischen seine Kritik, dass die CDU unter Angela Merkel am rechten Rand zu viel Platz gelassen und so den Aufstieg der AfD begünstigt habe. Die neue Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer habe hier "gute Akzente" gesetzt. "Die CDU ist zurück zum Original und dann gibt es keinen Grund mehr, AfD zu wählen." Eine Koalition mit der AfD würde die Union ins Verhängnis stürzen, wird Patzelt zitiert. Allerdings wende er sich gegen die undifferenzierte Abwertung von AfD-Wählern, auch weil das die Partei bisher nur gestärkt habe.

Im Interview mit der "Sächsischen Zeitung" wies Patzelt den Vorwurf einer zu großen AfD-Nähe zurück. In Gutachten und Vorträgen habe er der Partei unter anderem geraten, sich von Rassismus und Antisemiten zu trennen und von Extremismus fernzuhalten: "Was ist daran vorwerfbar?". Weiter sprach der Forscher von einer "Verleumdungskampagne" und nannte die Vorwürfe gegen seine Person "dummdreist".

Interview mit russischem Propagandamedium

Ausführlich bezog Patzelt auch in einem Interview mit dem deutschen Ableger des russischen Propagandamediums "Sputnik" Stellung. "Mit einer Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, ist eine Koalition nicht möglich", wird er dort zitiert. Und: "Mit einer Partei, die sich nicht entschieden hat, ob sie eine normale, staatstragende oder eine Antisystempartei ist, kann man auch keine Koalition machen." Es liege an der AfD, sich so zu entwickeln, dass sie nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachtet und "eine ganz normale deutsche Partei" werde. Es sei aber nicht absehbar, dass dieses der AfD "in irgendeiner relevanten, zeitlichen Entfernung von heute gelingen könnte".

Weiter sagte er: "Genauso wie manche Leute glauben, dass die Erde eine Scheibe ist, glauben manche Leute, ich sei ein Wegbereiter einer CDU-AfD Koalition. Jeder mag in seiner eigenen Dummheit seinen Lebensweg gehen."

Patzelt war Anfang Januar vom sächsischen CDU-Chef Michael Kretschmer als Ko-Autor des Programms für die Landtagswahl am 1. September berufen worden. Er hatte in der Vergangenenheit mehrfach eine Koalition von Union und AfD ins Gespräch gebracht, 2015 als Empfehlung an Merkel für den Bund Bund, 2018 für Sachsen. Nach der Landtagswahl 2016 in Sachsen-Anhalt sagte er dem "Handesblatt": "Die AfD könnte zur Volkspartei werden, wenn sie sich nach innen wie nach außen dauerhaft stabilisiert." Vor wenigen Wochen schrieb Patzelt auf Facebook, er sei dafür, die AfD wie jede andere politische Partei zu behandeln. Die "ablehnende Arroganz" der CDU gegenüber der AfD kritisiere er als falsch.

Die AfD sucht die Nähe von Patzelt

Die AfD wiederum sieht in Patzelt einen Brückenbauer zwischen beiden Parteien, wie ihr Chef Jörg Meuthen am Montag erklärte. Spitzenfunktionäre der AfD bezweifeln, dass die Absage der Sachsen-CDU an ein Bündnis mit der AfD nach der Landtagswahl Bestand hat.

Tino Chrupalla, aus Weißwasser stammender Vize-Fraktionschef der AfD im Bundestag, würdigte Patzelt im Gespräch mit dem Tagesspiegel als "anerkannten, streitbaren und um Objektivität bedachter Wissenschaftler, der im Zusammenhang mit der AfD und Bürgerbewegungen wie Pegida stets die Notwendigkeit vorurteilsfreier empirischer Untersuchungen betont hat". Leider wolle ihn die CDU offenbar als "eine Art konservatives Aushängeschild benutzen".

Wenn sich Patzelt von seinen früheren Äußerungen zu einer möglichen schwarz-blauen - oder blau-schwarzen - Koalition distanziere, liege das wohl an dem Druck, der auf ihn von CDU-Verantwortlichen sowie von der Leitung seiner Hochschule ausgeübt werde. "Selbst das Eintreten für nüchterne und sachliche sozialwissenschaftliche Prinzipien und eine freiheitlich-konservative Grundhaltung sind in Sachsen, wie in ganz Deutschland, immer noch mit Tabus behaftet", sagte Chrupalla. Der AfD-Bundestagsabgeordnete hat 2017 Kretschmer sein Direktmandat im Wahlkreis Görlitz streitig gemacht. Er hat Ambitionen auf die AfD-Spitzenkandidatur bei der sächsischen Landtagswahl, über die Anfang Februar entschieden wird.

Keine Seniorprofessur an der TU Dresden

Am Wochenende war bekanntgeworden, dass die TU Dresden Patzelt nach dessen altersbedingtem Ausscheiden im März nicht als Seniorprofessor weiter beschäftigen will. Zur Begründung hat der zuständige Fakultätsrat laut TU angeführt, Patzelt habe Politik und Wissenschaft "derart vermischt (...), dass dem Ruf der TUD und der Fakultät dadurch geschadet wurde". Eine Seniorprofessur ermöglicht es einer Universität, Professoren weiter in Forschung und Lehre einzubinden, auch wenn sich diese beamtenrechtlich bereits im Ruhestand befinden oder emeritiert sind.

Der Dresdner Politikwissenschaftler Dietrich Herrmann sagte dem Tagesspiegel: "Wie selbstverliebt ist dieser Mann? Tausende von Hochschulmitarbeitern, die die Kärrnerarbeit in Forschung und Lehre leisten, versuchen mit befristeten Verträgen an Hochschulen durchzukommen. Sie sind immer wieder von Arbeitslosigkeit bedroht, während Herr Patzelt mit Beamtengehalt und -pension und engsten Kontakten zu Medien und Regierung in vieler Hinsicht privilegiert ist und bleibt." (mit epd)

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