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Werner Patzelt.

© Jürgen Heinrich/Imago

Sachsen: Die zweifelhafte Nähe des CDU-Wahlhelfers Patzelt zur AfD

Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt dokumentiert, wie oft er für die AfD unterwegs war. Autor des sächsischen CDU-Landtagswahlprogramms darf er bleiben.

Von Matthias Meisner

Die Nähe des sächsischen CDU-Wahlhelfers und Dresdner Politikwissenschaftlers Werner Patzelt zur AfD ist größer als bisher bekannt. Patzelt, der Anfang Januar von der CDU zum Co-Autor des Programms für die Landtagswahl am 1. September ernannt worden war, legte auf seinem Blog offen, dass er seit Januar 2015 nach eigener Erinnerung mindestens drei Gutachten im Auftrag der AfD erstellt hat und bei fünf Veranstaltungen der AfD als Redner auftrat, zuletzt im Oktober 2018 auf Einladung des Bundestagsabgeordneten und Bremer AfD-Chefs Frank Magnitz.

In Bremen sprach Patzelt damals zum Thema "Ein Jahr AfD im Bundestag - ein Jahr populistische Opposition im Bundestag?" Zuvor war er unter anderem im Juni 2015 auf Einladung des AfD-Kreisverbandes Cottbus bei einer Podiumsdiskussion mit Alexander Gauland zu Gast. Er sprach im Mai 2015 auf einem "Demokratiekongress" der AfD in Dresden, hielt im Frühsommer 2015 einen Vortrag auf einer Klausurtagung der sächsischen AfD-Landtagsfraktion und referierte - worüber bereits damals berichtet wurde - im Mai 2017 auf dem "Extremismuskongress" der AfD in Berlin. Die von ihm im AfD-Auftrag erstellten Gutachten beschäftigten sich unter anderem mit dem Rassismus des thüringischen AfD-Chef Björn Höcke und den Antisemitismus-Vorwürfen gegen den baden-württembergischen AfD-Politiker Wolfgang Gedeon.

"Ganz normale politikwissenschaftliche Arbeit", sagt Patzelt

Anlass für die Offenlegung ist eine Recherche der Wochenzeitung "Die Zeit", die Patzelt mit seinem Auftritt im Frühsommer 2015 auf der Klausurtagung der damals noch von Frauke Petry geführten sächsischen AfD-Fraktion konfrontierte. Laut "Zeit" analysierte der Wissenschaftler dort im Auftrag der Fraktion den 2014 geschlossenen sächsischen Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD sowie das Wahlprogramm der AfD. Patzelt sagte der Wochenzeitung dazu: "Ja, exakt, ich habe 2015 den Auftrag der AfD-Fraktion angenommen. Das ist ganz normale politikwissenschaftliche Arbeit gewesen." Nach "Zeit"-Informationen soll Patzelt ein beachtliches, vierstelliges Honorar erhalten haben. 

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Andere Dokumente belegen, dass Patzelt bei seinen Auftritten vor der AfD gut ankam. Unter der Überschrift "Ein guter Tag für die Demokratie in Sachsen" berichtete die Zeitung "AfD Sachsen aktuell" im Mai 2015 über den Auftritt Patzelts auf dem "Demokratiekongress" der sächsischen AfD-Landtagsfraktion. Patzelt habe dort "besonders beeindruckt", heißt es in dem AfD-Blatt: "Mit seinen allgemeinen Äußerungen, die aber eben ganz auf die spezifische Entwicklung der AfD ausgerichtet waren, hat er allen klar gemacht, warum die AfD in so kurzer Zeit so erfolgreich werden konnte."

Der Landtagsabgeordnete Carsten Hütter berichtete: "Die gut ausgewählten und handverlesenen Redner waren nicht zu toppen, besonders Prof. Patzelt von der Uni Dresden war wieder einmal voll in seinem Element!" Und sein Kollege Sebastian Wippel lobte den Vortrag Patzelts zum Thema "Direkte Demokratie" in höchsten Tönen: "Professor Patzelt hielt unter allen sehr guten Vorträgen den besten Vortrag beim Demokratiekongress der AfD-Landtagsfraktion. Es war wirklich ein herrlich erfrischender, fundierter und meist überzeugender Vortrag. Nicht ohne Grund erhielt er stehende Ovationen, bei einem mutmaßlich staubtrockenen Thema." Patzelt habe, so Wippel, gesetzesaufhebende Referenden befürwortet, damit die Regierung gleich "ordentlich" arbeite und das Bundesverfassungsgericht entlastet werde.

Der Wissenschaftler warb für Schwarz-Blau in Sachsen

Patzelt hatte vor seiner Berufung als CDU-Wahlhelfer mehrfach eine Koalition von AfD und Union ins Gespräch gebracht, zunächst 2015 als Empfehlung an Angela Merkel für den Bund, später 2018 auch für Sachsen. Auch setzte er sich dafür ein, dass sich die Sachsen-CDU deutlicher als bisher rechts positioniert. Immer wieder kritisierte er Kanzlerin Merkel scharf, vor allem wegen ihrer Flüchtlingspolitik.

Inzwischen hat Patzelt bereits vereinbarte Vorträge bei der AfD abgesagt. In seinem Blog schreibt er, es müsse nicht wundern, "wenn die Kompetenz von Professoren der Politikwissenschaft aus der Praxis abgerufen wird". Doch sei es hilfreich, für Transparenz zu sorgen - gerade jetzt, da ich mich ganz praktisch dafür einsetze, dass die CDU gegenüber der AfD wieder viel stärker werden kann".

Er habe Anfang der 90er Jahre auch engere Kontakte zum Reformflügel der damaligen sächsischen PDS unterhalten und sei auch auf Tagungen der CDU aufgetreten, rechtfertigt sich Patzelt. Daneben habe er "auf mindestens einer Veranstaltung" der sächsischen SPD über Strategie und Taktik dieser Partei gesprochen.

Für Sachsens CDU wird es möglicherweise nun noch schwerer zu widerlegen, dass Patzelt für eine Annäherung von CDU und AfD steht. Die Parteiführung mit Michael Kretschmer an der Spitze hat eine Koalition mit der AfD nach der Wahl ausgeschlossen, anders als 2014 Kretschmers Amtsvorgänger als Ministerpräsident und CDU-Landeschef, Stanislaw Tillich. Bei der Bundestagswahl 2017 war die AfD mit 27 Prozent der Stimmen in Sachsen knapp stärkste Partei vor der CDU geworden.

Sachsen-CDU setzt weiter auf Patzelt

Die Sachsen-CDU will trotz der aktuellen Veröffentlichungen nicht auf Distanz zu ihrem Team-Neuling gehen. Landesgeneralsekretär Alexander Dierks sagte dem "Tagesspiegel" in Reaktion auf den "Zeit"-Bericht: "Professor Patzelt war als Experte und Gutachter schon immer sehr gefragt. Er hat nie verheimlicht, auch bei anderen Parteien Vorträge gehalten und im Auftrag Gutachten erstellt zu haben."

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Patzelt sei seit 25 Jahren CDU-Mitglied, erklärte Dierks. "Er hat sich klar dazu bekannt, die Sächsische Union bei der Erarbeitung des Regierungsprogramms ehrenamtlich zu unterstützen und in dieser Zeit weder Aufträge, noch Einladungen anderer Parteien anzunehmen. Wir werden auch weiterhin gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten."

AfD-Politiker Chrupalla: Nur CDU für uns als Partner denkbar

Die AfD versucht, Zweifel an der Absage der CDU an eine schwarz-blaue Koalition zu säen. Der AfD-Politiker Tino Chrupalla, der bei der Bundestagswahl 2017 Kretschmer im Wahlkreis Görlitz das Direktmandat für den Bundestag abnahm, sagte vergangene Woche in einem Interview der "Sächsischen Zeitung", die CDU komme nach gegenwärtiger Lage als Einzige für eine Koalition infrage. Es werde sich "erst noch zeigen", ob die Sachsen-CDU sich an ihre jetzigen Aussagen halte. "Ich halte die Absagen auch durch Herrn Kretschmer für nicht in Stein gemeißelt, sondern bin gespannt, wie die CDU nach der Wahl damit umgeht." Sachsen verdiene "eine bürgerlich-konservative Regierung".

Sachsens AfD ist - gemessen an anderen Landesverbänden - besonders extrem rechts ausgerichtet. Chrupalla setzt sich für eine Mäßigung ein. Er, aktuell stellvertretender Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, hat Ambitionen auf die Spitzenkandidatur bei der sächsischen Landtagswahl und wäre dann direkter Herausforderer von Kretschmer. Die Landesliste soll vom 8. bis 10. Februar auf einer Versammlung in Markneukirchen im Vogtland aufgestellt werden.

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