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Tino Chrupalla bei einer Sitzung der AfD-Bundestagsfraktion.

© Jens Jeske/Imago

Update

Sachsen: AfD-Bundestagsabgeordneter wirft Presse Zersetzungsstrategien vor

Tino Chrupalla will für die AfD Ministerpräsident in Sachsen werden. Zuvor plant er eine schwarze Liste mit Namen von "unseriösen" Journalisten.

Von Matthias Meisner

Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz fand deutliche Worte. "Die AfD zeigt ein weiteres Mal ihre hässliche Fratze", sagte er. "Eine Partei getränkt mit Antidemokraten, Nazis und Weltverschwörungstheoretikern. Kreuzgefährlich!"

Anlass für seine Wortmeldung am Freitag: Die "Sächsische Zeitung" hat publik gemacht, dass sich der Görlitzer Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla ein hartes Vorgehen gegen kritische Journalisten vorgenommen hat. Eine "schwarze Liste" mit den Namen von vermeintlich "unseriösen" Reportern will er erstellen, wie er in einem Brief an die Mitglieder seines Kreisverbandes ankündigt. Seine Parteifreunde fordert er auf, ihm "Hintergrundinformationen über als Journalisten getarnte Zersetzungsagenten" zu liefern.

Chrupalla ist nicht irgendwer in der AfD. Der 43-Jährige gelernte Malermeister aus Weißwasser ist stellvertretender Vorsitzender seiner Bundestagsfraktion. 2017 machte er im Wahlkreis Görlitz dem damaligen sächsischen CDU-Generalsekretär und heutigen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer das Direktmandat streitig. Nun schickt sich Chrupalla an, Spitzenkandidat der AfD Sachsen bei der Landtagswahl am 1. September werden zu wollen. Entschieden wird auf einem AfD-Landesparteitag am zweiten Februar-Wochenende. Chrupalla wäre, sollte er gewählt werden, direkter Herausforderer von Kretschmer. Der will Regierungschef bleiben – und partout keine Koalition mit der AfD, wie er mehrfach erklärt hat.

Chrupalla schreibt in dem Brief an die Mitglieder des Kreisverbandes, "in enger Abstimmung mit dem Landesverband Sachsen und mit Unterstützung von Medienexperten" habe er einen Leitfaden zum Umgang mit Journalisten entwickelt. Es sei "mehr als deutlich, dass die Presse eine Spaltungs- und Zersetzungsstrategie verfolgt", heißt es in seinem Schreiben: "Wir kennen das Spiel bereits aus der DDR."

"Desinformation, Verleumdung, Feindpropaganda"

Chrupalla fordert "Geschlossenheit nach außen", rät zu "Vorsicht im Umgang mit der Presse" und kündigt an: "Journalisten, die voreingenommen sind und eindeutig gegen uns arbeiten, werden aus unserem Verteiler gelöscht. Wir kündigen die Zusammenarbeit auf." Auf Facebook solle künftig keine "Feindpropaganda" mehr geteilt werden. Der Bundestagsabgeordnete empfiehlt einerseits Mäßigung, kündigt aber andererseits an: "Inhaltlich weichen wir keinen Millimeter zurück."

"Bitte unterlasst Äußerungen und Botschaften, die ganze Menschengruppen verunglimpfen und lasst Euch nicht zu sehr von Euren Emotionen leiten", heißt es in dem Brief. Und: "Macht Euch klar, dass der Gegner ein Interesse daran hat, die Stimmung aufzuheizen, uns zu immer radikaleren Positionen anzustiften, und uns in die Ecke zu drängen." Die AfD werde bekämpft mit "Desinformation, emotionaler Manipulation, Verleumdung und Unterstellungen, die dazu führen, uns sozial zu isolieren, zu Unmenschen zu stempeln und zu spalten."

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Chrupalla schreibt weiter: "Das nennt sich psychologische Kriegsführung. Gegen diese hinterlistige Art des Angriffs hilft zunächst einmal innere Stärke." Die Forderungen der AfD seien vernünftig, "weder menschenverachtend noch in irgendeiner Weise radikal." Die Handreichung schließt mit den Worten: "Wer noch andere kluge Ideen hat oder Tricks von früher kennt, kann sich gerne mit uns in Verbindung setzen. Hintergrundinformationen über als Journalisten getarnte Zersetzungsagenten sind natürlich immer willkommen."

Im innerparteilichen Machtgefüge der Sachsen-AfD hatte sich Chrupalla bisher eher moderat gegeben – anders als beispielsweise der Landesvorsitzende Jörg Urban oder der extrem rechte Dresdner Bundestagsabgeordnete Jens Maier. Letzterer war erst kürzlich vom thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke zum Sachsen-Sprecher der deutschnationalen AfD-Gruppierung "Der Flügel" ernannt worden.

Video für den Youtube-Kanal des "Volkslehrers"

Im 436-Seiten-Gutachten des Verfassungsschutzes zum "Prüffall" AfD taucht Chrupalla dennoch neben anderen sächsischen AfD-Politikern wie Landes- und Fraktionschef Jörg Urban, Jens Maier, Siegbert Droese und Maximilian Krah auf. Dem Verfassungsschutz fiel auf, dass Chrupalla dem Rechtsextremisten Nikolai N. und dessen Youtube-Kanal "Der Volkslehrer" Rede und Antwort stand: "Das Video soll den Anschein der Spontanität erwecken, doch ist Chrupalla in einer früheren Kameraeinstellung bereits wartend im Hintergrund zu sehen", zitierte die "Freie Presse" aus der Expertise des Verfassungsschutzes.

In einem Interview mit der "Sächsischen Zeitung" hatte Chrupalla bezweifelt, dass es nach der Landtagswahl an der Absage der sächsischen CDU-Spitze an eine schwarz-blaue Koalition im Freistaat bleibt. "Ich halte die Absagen auch durch Herrn Kretschmer für nicht in Stein gemeißelt, sondern bin gespannt, wie die CDU nach der Wahl damit umgeht", sagte er. Den Ko-Autor des sächsischen CDU-Landtagswahlprogramms, den Politologen Werner Patzelt, lobte Chrupalla als "anerkannten, streitbaren und um Objektivität bedachten Wissenschaftler".

SPD: AfD sägt an den Grundfesten der Demokratie

Der Generalsekretär der sächsischen SPD, Henning Homann, sagte dem Tagesspiegel zu dem Brief von Chrupalla: "Wir stehen für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität – und damit selbstverständlich auch für die Pressefreiheit." Wenn die AfD Journalisten als ‚unseriös‘ einstufe, liege das offenkundig daran, dass diese Journalisten ihren Job machen und der AfD unabhängige und kritische Berichterstattung nicht in den Kram passe. "Hier wird ein vordemokratischer Zustand heraufbeschworen und gefährlich an den Grundfesten unserer Demokratie gesägt."

Der CDU-Landesverband Sachsen erklärte: "Nach dem Lehrerpranger kommen jetzt schwarze Listen für Journalisten. Misstrauen und gegenseitige Verdächtigungen sind offenbar das Wesensmerkmal der Gesellschaft, wie sie sich die AfD vorstellt. Bei jedem Menschen, dem unserer freiheitlich-demokratische Grundordnung lieb und teuer ist, sollten spätestens jetzt die Alarmglocken schrillen."

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Das Verständnis der AfD von der Aufgabe von Medien in unserer Gesellschaft werde dabei einmal mehr offensichtlich, sagte CDU-Generalsekretär Alexander Dierks weiter: "Journalisten machen dann eine ‚richtige‘ Arbeit, wenn sie positiv über die AfD berichten. Alles, was sich kritisch mit der Partei, ihren Positionen und innerparteilichen Abläufen auseinandersetzt, wird versucht von vornherein als ‚Fake News‘ oder als Produkt von Voreingenommenheit zu diskreditieren."

Die AfD ließ Anfragen des Tagesspiegels zu dem Schreiben ihres Görlitzer Bundestagsabgeordneten unbeantwortet. Der Magdeburger AfD-Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann lobte Chrupalla. "Ich kann da jedes Wort unterschreiben", twitterte er.

In aktuellen Umfragen zur Sachsen-Wahl liegt die CDU drei bis fünf Prozentpunkte vor der AfD. Sie würde somit bei der Wahl am 1. September, wenn auch recht knapp, stärkste Partei. Bei der Bundestagswahl 2017 hatte die rechtsradikale AfD die CDU mit 27,0 Prozent um einen Zehntel-Prozentpunkt überrundet.

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