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Dirk Wiese ist für den Dialog mit den Menschen in Russland, der Ukraine, Georgien, Moldau, im Südkaukasus und in Zentralasien zuständig.

© Doris Spiekermann-Klaas

Russlandbeauftragter Dirk Wiese: Neuer Blick nach Osten

Der 34-jährige Sozialdemokrat Dirk Wiese ist der neue Regierungsbeauftragte für Russland und andere postsowjetische Länder. Er steht für einen Generationswechsel.

Schon der Titel lässt erahnen, dass die Aufgabe eher komplex ist. Die Bundesregierung hat einen neuen „Koordinator für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft“. Die Wahl fiel auf den sozialdemokratischen Abgeordneten Dirk Wiese. Der 34-jährige Jurist zählte bisher nicht zu den Außenpolitikern seiner Partei. Er war zuletzt Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und forstpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Nun hat er ein Büro im Auswärtigen Amt und soll von dort aus den Dialog mit den Menschen in Russland, der Ukraine, Weißrussland, Moldau, dem Südkaukasus und Zentralasien pflegen.

Sein neues Amt tritt er ausgerechnet in einer Zeit an, in der die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen angespannt sind – durch Moskaus Rolle in Syrien und in der Ukraine und zuletzt durch den Anschlag auf den Ex-Spion Sergej Skripal in Großbritannien. Der neue Außenminister Heiko Maas (SPD) wies vier russische Diplomaten mit geheimdienstlichem Hintergrund aus – eine Entscheidung, die einigen in seiner Partei zu weit ging. Schließlich waren die Sozialdemokraten von den früheren Außenministern Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier einen versöhnlicheren Kurs gegenüber dem Kreml gewöhnt. Wiese hält die Ausweisungen für angemessen. „Das war ein notwendiges politisches Signal europäischer Geschlossenheit, um unsere Solidarität mit Großbritannien auszudrücken und um Russland zur Aufklärung aufzurufen“, sagt er dem Tagesspiegel.

Wenn Sozialdemokraten über das deutsch-russische Verhältnis reden, kommen sie früher oder später auf das Erbe der Ostpolitik zu sprechen, das viele als besondere Verpflichtung empfinden. Doch Wiese setzt bei diesem Thema einen anderen Akzent: „Die Annexion der Krim war ein Verstoß gegen die KSZE-Schlussakte und widerspricht damit dem Grundgedanken der Entspannungspolitik von Willy Brandt und Egon Bahr.“ Die Älteren in seiner Partei fühlten sich der Ostpolitik eng verbunden, sagt Wiese. Viele von ihnen seien aber mittlerweile in den Ruhestand gegangen. So steht die Berufung Wieses auch für einen Generationswechsel unter den SPD-Außenpolitikern. Die Jüngeren können mit der gebetsmühlenartigen Berufung auf die Ostpolitik schon deshalb wenig anfangen, weil sie den Kreml heute nicht mehr als berechenbaren Partner sehen.

Weder „außenpolitischer Falke“ noch „Russlandversteher“

Nicht nur innerhalb der SPD polarisiert kaum ein außenpolitisches Thema so sehr wie die Haltung zu Russland. In Deutschland werde man entweder als „außenpolitischer Falke“ oder als „Russlandversteher“ eingestuft, sagt Wiese. Er selbst fühlt sich keinem der beiden Lager zugehörig. „Ich will dazu beitragen, dass wir von dieser Polarisierung wegkommen.“

Vor seiner neuen Aufgabe hat Wiese durchaus Respekt. Sein Amtsvorgänger Gernot Erler habe ein „beeindruckendes Netzwerk“ geschaffen. Wiese sagt, er gehe „ganz unbefangen“ an die Aufgabe heran. In diesen Tagen ist er vor allem mit Zuhören beschäftigt. Bevor er in die Region reist, will er in Deutschland mit allen Akteuren reden. Er trifft Vertreter der Organisationen, die mit Russland und anderen Ländern der Region zusammenarbeiten.

In diesen Gesprächen wird Wiese auch erfahren, dass die Spielräume für Organisationen in Russland, die mit Partnern in westlichen Ländern zusammenarbeiten, seit Jahren immer enger werden. Kurz vor der Präsidentenwahl wurde erstmals eine deutsche Organisation, die Europäische Plattform für Demokratische Wahlen, von der russischen Regierung für „unerwünscht“ erklärt. Sie hatte unabhängige Wahlbeobachter unterstützt. Doch nun drohen den russischen Partnern sogar Haftstrafen, falls sie weiter mit der „unerwünschten“ deutschen Organisation zusammenarbeiten. Deswegen musste die Kooperation gestoppt werden.

Mehr Realismus im Gespräch mit Moskau

Der neue Koordinator will das Gespräch zu jüngeren Russen suchen und einen „vertrauensvollen Dialog“ aufbauen. Im Jugendaustausch und in kommunalen Partnerschaften gebe es seit vielen Jahren eine gute Zusammenarbeit. „Diese Inseln der Kooperation müssen wir nutzen“, sagt Wiese. „Wir müssen und wir wollen mit Russland im Gespräch bleiben – und zwar mit einer gehörigen Portion Realismus.“

Zugleich betont er mehrfach, ihm seien auch die anderen Länder in seinem Zuständigkeitsbereich wichtig. Nur als Russlandbeauftragter will er offenbar nicht gesehen werden.

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