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Auch in Russlands neuer Regierung wird für Wladimir Putin das Austarieren der verschiedenen Flügel wieder im Vordergrund stehen.

© Mikhail Klimentyev/AFP

Russland: Wladimir Putin zum Vierten

Am heutigen Montag startet Wladimir Putin in seine vierte Amtszeit als Präsident – große Veränderungen sind in Russland nicht zu erwarten. Die Macht im Kreml bleibt auf den Präsidenten konzentriert.

Für Wladimir Putin ist die Zeremonie am heutigen Montag beinahe Routine. Schließlich erledigt er sie zum vierten Mal. Wenn Putin am Montag kurz vor 12 Uhr Moskauer Zeit durch das Spasskaja-Tor zu seiner Amtseinführung in den Kreml fährt, warten im prächtigen Andreassaal bereits die Ehrengäste auf ihn – die Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern, Minister, Gouverneure und religiöse Würdenträger. Auf die russische Verfassung, eingebunden in rot gefärbtes Schafleder, hat er bereits drei Mal geschworen.

Nach seiner Inaugurationsrede geht es hinaus auf den Sobornaja-Platz im Kreml. 30 Schüsse werden abgefeuert und die Kreml-Garde marschiert auf. Im Freien soll Putin auch mit jungen Freiwilligen zusammentreffen, die ihn in seiner Wahlkampagne im März unterstützt haben: ein agiler, volksnaher Präsident im Kontakt mit der jungen Generation – ein Image, das ihn auf seiner vierten und – Stand heute – letzten Amtszeit begleiten soll.

Knapp 77 Prozent Zustimmung

Dass Putin das größte Land der Welt bis 2024 erneut anführen wird, wusste man schon vor den Wahlen Mitte März, bei denen er mit knapp 77 Prozent Zustimmung wiedergewählt wurde. Einzig die Opposition um Alexej Nawalny, der am Sonntag ein paar Stunden nach seiner Festnahme bei nicht genehmigten Protesten wieder freigelassen wurde, stört die Einmütigkeit.

Landesweit wurden der Menschenrechtsorganisation OWD-Info zufolge am Samstag 1600 Bürger verhaftet. „Nieder mit dem Zaren“ hatte Nawalny als Parole ausgegeben. Doch der denkt nicht ans Abtreten. Putin, der die Macht im Kreml konzentriert hat, hat sich selbst zum Weitermachen verdammt.

Große Überraschungen werden für die neue Regierung, die der Präsident nach seiner offiziellen Amtseinführung vorschlagen wird, nicht erwartet. Am 8. Mai tritt die Staatsduma zusammen und könnte bereits den von Putin nominierten Premierminister bestätigen. Einspruch ist von ihr nicht zu erwarten. Vermutlich bleibt der neue Premier der alte.

Perfekte Jobs für die Untergebenen

Dmitrij Medwedjew gilt zwar als angeschlagen und amtsmüde, erfüllt damit aber auch perfekt den Job des Untergebenen. Er erledigt das tagespolitische Kleinwerk; er ist der Feuerwehrmann, der zu den vielen kleinen Bränden im Land geschickt wird.

Als Übergangspräsident zwischen 2008 und 2012 wollte er ein eigenständiger Spieler werden. Davon ist heute nichts mehr zu bemerken. Seine Schwäche illustriert Putins Stärke. Medwedjew stellt zudem kein politisches Risiko dar – etwas, das Putin in seiner offiziell letzten Amtszeit minimieren will.

Alexej Kudrin ist ein anderer Untoter des Kreml, wenn es um das Thema Reformen geht. Der frühere Finanzminister gehört aktuell dem Beraterkreis Putins an und schrieb im Vorjahr ein Strategieprogramm zur Wirtschaftsentwicklung.

Er ist nun für einen prominenten Job in der Präsidialadministration im Gespräch – als Spezialbeauftragter für internationale Kooperation. Kudrin gilt als Vertreter des liberalen Flügels und könnte so ein Gegengewicht zu den Proponenten des Staatsinterventionalismus bilden, deren Einfluss in den vergangenen Jahren gestiegen ist.

Seine Aufgabe ist es, die russische Wirtschaft auf Vordermann zu bringen – wegen der internationalen Sanktionen keine einfache Sache. Kudrin befürwortet eine Kürzung der Verteidigungsausgaben, eine effektivere Bürokratie und die Erhöhung des Pensionsalters.

Auch eine Erhöhung der Einkommenssteuer von einheitlichen 13 auf 15 Prozent steht zur Debatte. Kudrin wäre Putins Botschafter für den Westen. Zumindest atmosphärisch wäre seine Nominierung ein starkes Signal, das dazu dienen soll, die angespannten Beziehungen zu verbessern.

Selbstgewählte Isolation?

Auch in Russland erwartet niemand, dass sich die Frontstellung zwischen Moskau und dem Westen bald auflöst. Und dass im Kreml die Isolation durchaus zum selbstgewählten Weg verklärt wird, lässt sich in einem Essay des Kreml-Strategen Wladislaw Surkow lesen.

Surkow ist für die ungelösten Konflikte im postsowjetischen Raum zuständig und verhandelt mit dem US-Ukraine-Beauftragten Kurt Volker über einen möglichen Einsatz von UN-Blauhelmen im Donbass. In seinem Text erklärt er den Weg nach Westen für versperrt und erhebt Russland zu einer Zivilisation der dritten Art – „europäisch und asiatisch zugleich“, einem Menschen aus einer gemischten Ehe ähnlich, ein unverstandenes, einsames „Halbblut“.

In Russlands neuer Regierung wird das Austarieren der verschiedenen Flügel abermals im Vordergrund stehen. Liberale und Hardliner ringen um Einfluss, der Zar hat das letzte Wort. Putin, der zu einflussreiche Kader zunehmend durch loyale Technokraten ablöst, steht zudem vor einer weiteren Großaufgabe: Er muss sich selbst einen sicheren Ruhestand und Russland einen Nachfolger organisieren. Und sollte der nicht gefunden werden? Dann müsste er gar selbst noch einmal einspringen.

Jutta Sommerbauer

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