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Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk (am 17. Mai 2022 in Berlin)

© Imago/Christian Spicker

Update

Russland-Politik in 16 Jahren Kanzlerschaft: Botschafter Melnyk moniert „keinen Hauch von Selbstkritik“ bei Merkel

Ex-Kanzlerin Angela Merkel sieht keinen Grund, sich für ihren Russland-Kurs zu entschuldigen. Der ukrainische Botschafter findet das befremdlich.

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat Ex-Kanzlerin Angela Merkel für die Rechtfertigung ihrer Russland-Politik in 16 Jahren Regierungsverantwortung scharf kritisiert. Leider sei im ersten Interview seit dem Regierungswechsel vor einem halben Jahr „kein Hauch Selbstkritik“ zu spüren gewesen, sagte Melnyk am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.

„Die Äußerungen der Ex-Kanzlerin über die Unfehlbarkeit ihres Russland-Kurses und ihres viel zu nachsichtigen Umgangs mit Diktator Putin sind befremdlich“, sagte Melnyk.

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Merkel hatte am Dienstagabend im Gespräch mit dem Journalisten Alexander Osang im Berliner Ensemble ihren Russland-Kurs gegen die harsche Kritik der letzten Monate verteidigt. „Also ich sehe nicht, dass ich da jetzt sagen müsste, das war falsch, und werde deshalb auch mich nicht entschuldigen“, sagte sie.

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Melnyk hielt ihr entgegen, wie es denn sein könne, dass Russland „den blutigsten Krieg in Europa seit 1945“ habe starten können, wenn die deutsche Russland-Politik in den letzten Jahrzehnten „so toll war“. Putin sei geradezu hofiert worden, und Berlin sei dem Kremlchef immer entgegengekommen.

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Die jetzigen Äußerungen Merkels seien „sehr bedauerlich“, sagte der Botschafter. „Denn ohne eine ehrliche vollumfassende Aufarbeitung der Russland-Politik Deutschlands ist es gar nicht möglich, richtige Schlüsse für das künftige Verhältnis zu Moskau ziehen und seine Aggression zu stoppen.“

Die Ukrainer seien davon überzeugt, dass die deutsche Haltung zur Nato-Mitgliedschaft und EU-Beitrittsperspektive der Ukraine, die jahrelange Ablehnung von Waffenlieferungen nach der Krim-Annexion sowie das „rücksichtlose Vorantreiben“ der Erdgasleitung Nord Stream 2 bis zum Krieg „Putin ermutigt haben, die Ukraine anzugreifen“.

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Melnyk, sagte bei RTL und ntv, er habe viel mehr an konkreten Antworten von Merkel erwartet: „Denn, wenn das alles so blendend gelaufen sein soll und gar keine Fehler begangen wurden, dann ist die Frage, wieso wir seit 105 Tagen mit diesem Angriffskrieg zu tun haben.“ Es gebe aus seiner Sicht „immer noch viele offene Fragen“.

Auch die ukrainische Regierung zeigte sich wenig überzeugt von den Erläuterungen Merkels. Es sei weiter nicht verständlich, warum Merkel den Bau der deutsch-russischen Gaspipeline Nordstream 2 unterstützt habe, schrieb der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak bei Twitter. Denn ihren Angaben zufolge habe sie „immer gewusst, dass Russland einen Krieg vorbereitet“ und Präsident Putin die EU zerstören wolle.

Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn verteidigte dagegen Merkels Russland-Politik. „Angela Merkel hat sich nie einer Illusion hingegeben, wer oder wie Wladimir Putin ist“, sagte er bei RTL und ntv. „Anders als ihr Vorgänger Gerhard Schröder, der hat sich dem System verkauft.“ Mit heutigem Wissen jedoch würde man sicherlich manche Entscheidungen anders treffen. (dpa, AFP)

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