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In Indien war trotz der Umweltprobleme der Klima-Protest der Schüler eher verhalten.

© NOAH SEELAM /AFP

Russland, Indien, Türkei: Wo es der Kampf für das Klima schwer hat

Der Kampf für das Klima hat nicht überall auf der Welt oberste Priorität. In einigen Weltregionen blieb es am Freitag vergleichsweise ruhig. Das hat Gründe.

Im Nahen Osten gingen nur wenige Menschen auf die Straße, obwohl die Region besonders stark von der Erderwärmung betroffen ist. In Indien haben Kinder kaum Zeit für Streiks. Und in Bolivien protestierten Ureinwohner statt Schüler. Ein Überblick.

Russland

In Russland heißt der bekannteste Fridays-for-Future-Aktivist Arschak Makitschjan. Vor Kurzem hat er das Moskauer Konservatorium abgeschlossen, für die Umwelt lässt er jedoch seinen Job als Violinist zunächst ruhen. Seit Mitte März steht er mit einem Schild am Moskauer Puschkin-Platz, einem der zentralsten Orte der russischen Hauptstadt – meist ist er dort alleine.

Eine Klimabewegung von Schülern lässt sich in Russland nicht finden. Nur ganz allmählich schließen sich Makitschjan Mitstreiter an. Bislang kommt bei den Mahnwachen jedoch bestenfalls eine handvoll junger Leute zusammen. Tausende laufen freitags an Makitschjan vorbei, sehen ihn, die meisten ignorieren ihn. Viele wissen nichts über die Klimakrise. In Medien findet das Thema praktisch nicht statt.

Bei einem Aktionstag im Mai gingen im größten Land der Welt gut 100 Menschen auf die Straße. Auch diesmal war es zwischen Kaliningrad und Wladiwostok kaum anders. Makitschjan betreute an diesem Freitag das Twitter-Konto von Greenpeace in Russland. Er schrieb: „Dutzende Städte in Russland werden sich heute dem globalen Klimaschutz anschließen!“
Aber nicht einmal in Moskau gab es eine offizielle Kundgebung. Russische Behörden machen es Aktivisten schwer, setzen sie unter Druck, vergeben nur selten Genehmigungen für Proteste. Im Land von Öl und Gas gilt Einsatz für die Umwelt schnell als Kampf gegen den Staat. So sind nur einzelne Streikposten möglich.

So auch im Fernen Osten: Greenpeace postete die Fotos von zwei Demonstrantinnen in Wladiwostok, die Schilder gemalt hatten. „Tötet nicht meine Erde“, stand darauf geschrieben und „Wir haben keine Zukunft, solange die Klimakrise ignoriert wird”. Am 27. September soll es in der Hafenstadt eine größere Aktion geben – eine Erlaubnis gibt es bislang noch nicht.

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Naher Osten

Im Nahen Osten und der arabischen Welt haben sich am Freitag nur wenige Länder an den weltweiten Protesten gegen den Klimawandel beteiligt – und das, obwohl die Region besonders stark von der Erderwärmung betroffen ist. In der libanesischen Hauptstadt Beirut versammelten sich junge Leute mit Plakaten, auf denen die derzeitige Politik als unzureichend kritisiert wurde. Auch in Tunesien gab es Proteste. Doch in anderen Ländern blieben Demonstrationen aus.

In vielen Gegenden sind die dortigen Lebensbedingungen auch ohne steigende Temperaturen schon schwierig genug. Die Region hat sechs Prozent der Weltbevölkerung, aber nur ein Prozent des Trinkwassers. Lediglich vier Prozent der Fläche sind landwirtschaftlich nutzbar. Schon jetzt gibt es Hitzerekorde, die europäische Spitzenwerte geradezu kühl erscheinen lassen. In diesem Jahr wurden in Saudi-Arabien 55 Grad gemessen, in Kuwait 52 Grad. Einer Studie der MaxPlanck-Gesellschaft zufolge hat sich die Zahl der sehr heißen Tage in Nahost und Nordafrika seit 1970 verdoppelt.

„Längere Hitzewellen und Sandstürme können einige Regionen unbewohnbar machen“, sagt Atmosphärenchemiker Jos Lelieveld vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie voraus. Auch steigende Meeresspiegel bedrohen den Nahen Osten. Der Weltklimarat erwartet, dass der Spiegel des Mittelmeeres um bis zu einen Meter steigen könnte. Nach Angaben der Weltbank werden mehr als 40 Hafenstädte in der Nahost-Region, darunter einige wichtige Wirtschaftsmetropolen, davon betroffen sein.

Türkei

In der Türkei organisierten Klima-Aktivisten am Freitag Kundgebungen in 14 verschiedenen Städten. Die türkische Greta Thunberg heißt Ege Edman. Die 13-jährige Schülern aus der Westtürkei hatte im Frühjahr mit einem Schulstreik auf sich aufmerksam gemacht. Zum weltweiten Aktionstag rief Edman ihre Landsleute zur Teilnahme an Protestkundgebungen auf. Menschen aller Altersstufen sollten mitmachen, sagte Edman der Zeitung „Bir Gün“ mit Blick auf die Demonstrationen. „Bitte lasst uns nicht allein.“

Die Beteiligung an den Kundgebungen war wesentlich niedriger als bei den Massenveranstaltungen in Australien oder in Europa; in Istanbul dürfte auch der ungemütliche Herbstregen dabei eine Rolle gespielt haben. Der Energiesektor mit seinen vielen Kohlekraftwerken ist nach Regierungsangaben für drei Viertel der türkischen CO2-Emissionen verantwortlich.

In Istanbul war die Beteiligung gering, auch der ungemütliche Herbstregen könnte dabei eine Rolle gespielt haben.
In Istanbul war die Beteiligung gering, auch der ungemütliche Herbstregen könnte dabei eine Rolle gespielt haben.

© Murad Sezer/REUTERS

Umweltschützern zufolge hat die Türkei günstige Voraussetzungen, daran etwas zu ändern: Das Land hat genug Sonne, Wind und Wasserkraft, um seine Abhängigkeit von Kohle, Gas und Öl zu mindern. Allerdings gibt es keinen Konsens darüber, welche Linie verfolgt werden soll. So sind Pläne der Regierung zum Bau von Atomkraftwerken heftig umstritten.

Indien

In Indien war trotz der Umweltprobleme der Klima-Protest der Schüler eher verhalten. So hatte sich vor dem Ministerium für Stadtplanung in Neu-Delhi nur eine Gruppe von rund 100 Schülern am Freitag zu einer Kundgebung eingefunden. Sie forderten, Indien – drittgrößter CO2-Emittent der Welt – solle aufhören, fossile Energien wie Benzin staatlich zu subventionieren. Und seine Abhängigkeit von der Kohle reduzieren. Indiens Hauptstadt gehört zu den Orten mit der schmutzigsten Luft der Welt.

In Neu-Delhi hatte sich eine Gruppe von rund 100 Schülern zu einer Kundgebung eingefunden.
In Neu-Delhi hatte sich eine Gruppe von rund 100 Schülern zu einer Kundgebung eingefunden.

© Money SHARMA/AFP

Der Smog ist im Winter teils so stark, dass Ärzte die Einwohner davor warnen, das Haus zu verlassen. Delhis Luft einen Tag lang einzuatmen, kommt dem Rauchen von 40 bis 50 Zigaretten gleich. Der Klimawandel verschärft die Situation.

Warum passiert in Sachen Klima dennoch wenig? Ein Aktivist erklärt das so: „Unsere Schüler schauen mehr zu ihren Eltern und Lehrern auf. Sie sind vielleicht nicht unabhängig genug, um den Unterricht zu boykottieren.“ Schüler aus der Mittelklasse und Oberschicht besuchen in Indien Privatschulen, die geprägt sind von strenger Disziplin. In dem stark strukturierten Schulablauf gibt es wenig Zeit für andere Dinge – schon gar nicht für Streiks. Dennoch zeichnet sich ein Umdenken ab. Durch die sozialen Medien wächst die Gruppe der Klima-Demonstranten.

Lateinamerika

In Lateinamerika blieben die Teilnahmezahlen im Vergleich zu Europa überschaubar. Demonstriert wird auch dort, allerdings nicht nur von Schülern. In Bolivien startete vor wenigen Tagen eine Gruppe von Ureinwohnern einen Protestmarsch gegen die mutmaßlich durch Brandrodungen verursachten verheerenden Waldbrände im Land. Sie werfen dem sozialistischen Präsidenten Evo Morales vor, mit seinem Dekret, das Brandrodungen ausdrücklich erlaubte, den politischen Boden für den Feuersturm gelegt zu haben.

In Kolumbien riefen die Studenten verschiedener Universitäten zur Teilnahme am weltweiten Klimastreik auf. Dort ist derzeit vor allem die Frage umstritten, um mit Hilfe des bislang verbotenen Fracking Öl und Gas gefördert werden soll.

In Brasilien steht die Fridays-for-Future-Bewegung erst am Anfang. Sie hatte am Freitag in 40 Städten und 20 Staaten zu Demonstrationen aufgerufen, es war die bislang größte gemeinsame Aktion dieser Art. Ähnlich wie in anderen Ländern ist die Präsenz in den sozialen Netzwerken allerdings noch nicht so erfolgreich. In den letzten Wochen gab es bereits Demonstrationen gegen die klimafeindliche Amazonas-Politik des brasilianischen Präsidenten.

Auch in Argentinien wird derzeit demonstriert. Hier ist allerdings die schwere Wirtschaftskrise das Hauptthema. Soziale Bewegungen und NGO fordern vor allem eine Grundversorgung von Lebensmitteln für die in Armut abgerutschten Bevölkerungsteile.

In dem von einer schweren politischen Krise erschütterten Venezuela, dem Land mit dem größten Vorkommen von fossilen Brennstoffen, ist Fridays for Future bislang überhaupt kein Thema.

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