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Die russische Schauspielerin Julia Peressild (links) und der Regisseur Klim Shipenko (rechts) und der Kosmonaut Anton Schkaplerow.

© Roscosmos Space Agency/AP/dpa

Russisches Filmteam in der Raumstation ISS: Drehen im All

Die Sondermission soll das Image der Roskosmos-Behörde aufbessern, doch es sorgte für Verstimmung unter den Experten.

Die Weltpremiere ist gelungen: Zum ersten Mal startete am Dienstag vom Kosmodrom Baikonur das Raumschiff Sojus MS-19 mit einer Schauspielerin und einem Spielfilmregisseur zur internationalen Raumstation ISS. Die 36-jährige Julia Peresild und der 37 Jahre alte Regisseur Klim Schipenko sollen Szenen für den Film „Wysow“ („Herausforderung“) drehen. Die beiden waren als Sieger aus einem Wettbewerb mit rund 3000 Bewerbern hervorgegangen und wurden in weniger als einem halben Jahr auf die Mission vorbereitet – mit ein paar Belastungstests und Fallschirmsprüngen. Als Pilot ist der Raumfahrt-Profi Anton Shkaplerow mit unterwegs.

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Was bislang über den Plot bekannt ist, lässt wohl keinen preisverdächtigen Streifen erwarten. Die Szenen im All sollen im fertigen Film zwischen 30 und 40 Minuten dauern. Die Handlung: Ein Kosmonaut erkrankt auf der ISS, die Belastungen einer Rückkehr zur Erde würde er nicht überleben. In dessen Rolle muss sich Oleg Nowitzki einfühlen, der im richtigen Leben sei einem halben Jahr an Bord der ISS arbeitet. In einer Rettungsmission muss dann eine junge, attraktive Ärztin zu dem Erkrankten fliegen und die nötigen Eingriffe in der Schwerelosigkeit durchführen. Man kann wohl davon ausgehen, dass alles ein gutes Ende nimmt.

Das Filmprojekt hatte vorübergehend zu ernsten Verstimmungen in der Führungsspitze der russischen Weltraumagentur Roskosmos geführt. Ursprünglich sollte Sojus MS-19 mit drei professionellen Kosmonauten zu einer regulären halbjährigen Mission starten, die Drei- Mann-Crew war bereits bestimmt. Doch zeitgleich mit diesen Planungen führte Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin hinter den Kulissen Gespräche mit dem TV-Kanal R1 über die Idee zu dem Spielfilm.

Wettlauf mit Tom Cruise

Man wollte dem Hollywood-Star Tom Cruise zuvorkommen, der ebenfalls angekündigt hatte, er werde einen Spielfilm im All drehen. Rogosin war begeistert von der Vorstellung, schneller als der Amerikaner zu sein. Er stieg sogar persönlich als Koproduzent mit ein. Seine Agentur braucht gute Publicity, steht die zu sowjetischen Zeiten ruhmreiche Behörde doch seit Jahren wegen Misswirtschaft und der ständigen Verschiebung von Projekten in der Kritik des russischen Rechnungshofes und auch von Präsident Wladimir Putin.

Rogosins Vizedirektor Sergej Krikaljow gefiel die Idee weniger, er kritisierte seinen Chef öffentlich. In der Roskosmos-Führung ist Krikaljow der einzige professionelle Kosmonaut, lange war er für die Ausbildung des Nachwuchses verantwortlich. Der Raumfahrer war mit insgesamt 804 Tagen im All bei sechs Missionen auch so etwas wie ein Weltrekordhalter. Inzwischen hat ihn sein Kollege Gennadi Padalka überholt. Krikaljow jedenfalls fühlte sich in seiner Standesehre gekränkt: Was ist der Kosmonautenberuf noch wert, wenn jeder Laie nach nur wenigen Wochen Ausbildung ins All fliegen kann, fragte er sinngemäß. Rogosin degradierte ihn daraufhin kurzerhand zum „Berater“, in Russland eine Art Versetzung in den Ruhestand. Doch diesen Schritt musste er nach lautstarker Entrüstung von Krikaljows Kollegen schon zurücknehmen, noch bevor er wirksam wurde.

Die Filmleute werden jetzt planmäßig zwölf Tage auf der ISS bleiben, die übliche Dauer für „Touristen“. Die Sondermission mit den Künstlern hat deshalb auch Folgen für die derzeitige Stammbesatzung. Eigentlich sollten der russische Kosmonaut Pjotr Dubrow und Nasa-Astronaut Mark Vande Hei jetzt zurückkehren. Nun müssen sie noch eine Schicht dranhängen – sechs weitere Monate.

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