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Vladimir Putin (l.) und Recep Tayyip Erdogan bei einer gemeinsamen Pressekonferenz um Oktober.

© imago/ITAR-TASS

Russisch-türkische Beziehungen: Warum Erdogan die Partnerschaft zu Putin stärkt

Gas-Pipeline, Syrien-Konflikt: Bei einem Treffen in Istanbul wollen Erdogan und Putin über gemeinsame Interessen sprechen. Mit der EU droht dagegen neuer Ärger.

Kein anderer internationaler Spitzenpolitiker ist so häufig in der Türkei zu Gast wie Wladimir Putin: Drei Wochen nach dem Syrien-Gipfel von Istanbul kommt der russische Präsident an diesem Montag erneut an den Bosporus, um mit Recep Tayyip Erdogan zu sprechen. Die beiden Politiker weihen eine neue Gas-Pipeline ein und erörtern die Lage in Syrien – das Treffen dürfte die ohnehin bereits enge Partnerschaft zwischen beiden Ländern noch weiter stärken.

Dagegen droht in den Beziehungen zwischen der Türkei und Europa neuer Ärger. Die jüngsten Festnahmen von Intellektuellen und die anstehende Entscheidung des europäischen Menschenrechtsgerichts über den populären Kurdenpolitiker Selahattin Demirtas machen eine Wiederannäherung schwierig.

Erdogan und Putin treffen sich bei der Einweihung der Pipeline „TurkStream“, die vom nächsten Jahr an russisches Erdgas über die Türkei nach Europa bringen soll. Nachdem das Vorgänger-Projekt „South Stream“ am Widerstand der EU gescheitert war, wurde die neue Pipeline so konstruiert, dass sie nach Durchquerung des Schwarzen Meeres im europäischen Teil der Türkei endet und dort an bestehende Gas-Pipelines Richtung Westeuropa angeschlossen wird.

Russland ist damit nicht mehr auf den Transit durch die Ukraine angewiesen. Erdogans Türkei ist für Putin nicht nur ein wichtiger Abnehmer von Erdgas, sondern auch ein verlässlicher Partner bei der Weiterleitung von Energie in die EU.

Auch im Syrien-Konflikt arbeiten beide Länder eng zusammen. Auf Erdogans Drängen hin hat Putin als Chef der wichtigsten Militärmacht in Syrien eine Regierungsoffensive auf die Provinz Idlib an der Grenze zur Türkei verhindert. Trotz in jüngster Zeit wieder eskalierender Gefechte in der Umgebung der Provinz haben Ankara und Moskau bisher ihre Allianz festigen können: Für Putin dient der Syrien-Konflikt unter anderem dazu, das NATO-Land Türkei aus seiner traditionellen Westbindung zu lösen.

Europa kritisiert Festnahmen türkischer Intellektueller

Putins Plan funktioniert auch deshalb so gut, weil die Türkei in ihren Beziehungen zu Westeuropa nicht weiterkommt, obwohl sie sich offiziell um eine Normalisierung bemüht. Zuletzt kritisierte die EU die Festnahme türkischer Intellektueller in der vergangenen Woche: Die türkische Justiz hatte namhafte Akademiker unter dem Vorwurf in Haft nehmen lassen, sie hätten bei den Gezi-Unruhen des Jahres 2013 mitgemischt und damit einen Staatsstreich unterstützt. Die Vorwürfe gehen selbst einigen

Parteigängern von Erdogan zu weit. Inzwischen sind die meisten der 13 Festgenommenen wieder auf freiem Fuß, doch die Aktion verstärkt das Klima der Angst bei Regierungsgegnern in der Türkei.

Beim Besuch der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini an diesem Donnerstag dürften die schweren rechtstaatlichen Mängel in der Türkei auf die Tagesordnung kommen. Mogherinis Gastgeber wissen, dass sich in der EU die Rufe nach einem Ende der türkischen EU-Beitrittsverhandlungen mehren.

Die Türkei-Berichterstatterin im Europa-Parlament, Kati Piri, prangerte kürzlich die Festnahme von 150.000 mutmaßlichen Erdogan-Gegnern seit dem Putschversuch von 2016 sowie das Vorgehen gegen regierungskritische Medien und gegen die Zivilgesellschaft an. Piri verlangt, die EU solle die Beitrittsgespräche mit Ankara aussetzen. Auch Erweiterungskommissar Johannes Hahn, der Mogherini nach Ankara begleitet, ist für einen Abbruch der Verhandlungen.

Urteil aus Straßburg könnte Verhältnis zusätzlich belasten

Zusätzlicher Ärger droht wegen eines am Dienstag erwarteten Urteils des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes in Straßburg. Das Gericht, dessen Entscheidungen für das Europarats-Mitglied Türkei bindend sind, entscheidet über das Schicksal des Kurdenpolitikers Demirtas, eines politischen Rivalen von Erdogan, der seit zwei Jahren in Untersuchungshaft gehalten wird.

Demirtas hat in Straßburg geklagt, weil er seine Grundrechte auf Freiheit und auf einen Prozess in angemessener Zeit verletzt sieht. Sein Anwalt Mahsuni Karaman hofft auf eine „vorwärtsweisende“ Entscheidung der Europa-Richter, die auch Folgen für viele andere Inhaftierte in der Türkei haben könnte.

Ob die Türkei einer möglichen Anordnung zur Freilassung von Demirtas ohne weiteres nachkommen würde, ist nicht sicher: Eine Haftentlassung des rhetorisch begabten und bei Erdogan-Gegnern populären Demirtas vor den türkischen Kommunalwahlen im kommenden März wäre für die Regierung ein Rückschlag bei ihrem Versuch, Demirtas‘ Kurdenpartei HDP weiter zu schwächen.

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