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US-Päsident Joe Biden and der russische Staatschef Vladimir Putin.

© Sputnik/Mikhail Metzel/Pool via REUTERS

Rüstungskontrolle, Diplomatenrückkehr und Gefangenenaustausch: Das sind die Ergebnisse des Biden-Putin-Gipfels

Das Gipfeltreffen von US-Präsident Joe Biden und dem russischen Staatsoberhaupt Wladimir Putin ist zu Ende. Beim Händedruck gab es noch ein Lächeln ...

Von Thomas Sabin

Das Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Joe Biden und dem russischen Staatschef Wladimir Putin in Genf ist zu Ende. Nach Angaben aus amerikanischen Delegationskreisen dauerte das Treffen drei Stunden und 21 Minuten – weniger, als beide Seiten vorher in Aussicht gestellt hatten. Die russische Delegation hatte sich auf mindestens vier bis fünf Stunden Gespräche eingestellt. Es war das erste Gipfeltreffen der Präsidenten der beiden größten Atommächte seit Bidens Amtsantritt im Januar.

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Beide Präsidenten wollten sich anschließend separat vor der Presse äußern, zuerst Putin, dann Biden. Themen sollten bei dem Treffen unter anderem die strategische Stabilität in der Welt, atomare Abrüstung, Kontrolle der Waffenarsenale sowie die Konflikte in Afghanistan, Libyen, Syrien und der Streit um die Atomprogramme im Iran und in Nordkorea sein. Biden wollte nach eigenen Angaben auch Menschenrechtsverletzungen in Russland ansprechen.

Während Biden in Russland als „schläfriger Joe“ verspottet wird, ist der russische Präsident für sein Zuspätkommen berüchtigt.

Die amerikanische Seite wollte deshalb, dass er beim Gipfel am Mittwoch in der Villa La Grange am Genfersee zuerst eintrifft, um US-Präsident Joe Biden nicht warten zu lassen. Es ist eine ausgetüftelte Gipfel-Choreografie, die darauf abzielt, dass nicht schon vor dem Treffen eine Seite die andere düpiert.

Die wichtigsten Streitthemen zwischen Russland und den USA:

  • Rüstungskontrolle: Bruch von Sicherheitsabkommen
  • Ukraine-Konflikt: die Annexion der Krim, russischer Truppenaufmarsch an ukrainischer Grenze
  • Cyberangriffe: Angriffe von Hackern in den USA und Russlands Toleranz dieser Angriffe, Einmischung in US-Wahl
  • Syrien-Konflikt: Russland als Verbündeter des syrischen Machthabers Baschar al-Assad, Truppen-Abzug der US-Armee, USA fordern Garantie für Hilfslieferungen

Gegen 13.25 Uhr ist das lang erwartete Gipfeltreffen in Genf gestartet

Um 13.04 Uhr kam Putin bei strahlend blauem Himmel tatsächlich pünktlich an, Biden 15 Minuten später. Der Schweizer Präsident Guy Parmelin nimmt beide in Empfang. Um 13.25 Uhr dann der historische Moment, auf den die Welt gewartet hat: Biden und Putin geben sich mehrere Sekunden die Hand – und sie lächeln dabei sogar.

Weniger gut choreographiert erscheint der Fototermin zum Auftakt des Treffens in der Bibliothek der Villa aus dem 18. Jahrhundert. Biden lacht zwischendurch in die Kameras und hat die Beine übereinandergeschlagen. Putin sitzt wie gewohnt breitbeinig zu seiner Linken und schaut eher griesgrämig.

US-Präsident Joe Biden (l.) und Russlands Präsident Wladimir Putin (r.) treffen sich zu Gesprächen in der Villa La Grange.
US-Präsident Joe Biden (l.) und Russlands Präsident Wladimir Putin (r.) treffen sich zu Gesprächen in der Villa La Grange.

© imago images/ITAR-TASS/Mikhail Metzel

Ungeduldig tappt der Kremlchef mit den Fingern auf die Stuhllehne, während er wartet, dass die Fotografen ihre Bilder machen. Bevor sich die Türen schließen, ist zu sehen, wie Putin sich lachend im Sessel zurücklehnt. Russische Staatsmedien deuten das als einen Präsidenten in bester Stimmung.

Biden und Putin trafen schon früher aufeinander

Es war jedoch nicht nicht das erste mal, dass sich die beiden politischen Schwergewichte gegenüberstanden. Unter anderem traf Biden in seiner früheren Rolle als Vizepräsident (2009 bis 2017) auf Putin. Mittlerweile sind die Beziehungen zwischen den Ländern wieder sehr angespannt.

[Mehr zum Thema: Genf – Taubenschlag des Friedens (T+)]

Und die Liste der möglichen Themen, die in Genf besprochen werden könnten, ist lang: Die Konflikte in Afghanistan, Libyen, Syrien, der Ukraine und Belarus. Oder auch: Abrüstung, Klimawandel, US-Vorwürfe zur Einmischung aus Russland in amerikanische Wahlen und die Situation des inhaftierten Kreml-Kritikers Nawalny.

Auf vier bis fünf Stunden waren die Gespräche angesetzt, bei denen Biden und Putin versuchen wollten, eine weitere Eskalation in den Konflikten zwischen ihren Ländern abzuwenden. Der Kremlchef sagte zu Beginn, in den bilateralen Beziehungen hätten sich „viele Fragen angestaut“.

USA werfen Russland Schutz von Hackern vor

Zeitgleich zum Gipfeltreffen der Präsidenten haben die USA Russland vorgeworfen, Hacker im eigenen Land zu schützen. Es gebe aus Russland heraus zahlreiche „Ransomware-Aktivitäten“, also den Einsatz von Erpressungstrojanern, die zwar nicht von russischen Regierungsvertretern verübt, von der Regierung in Moskau aber „toleriert“ würden, sagte der im US-Justizministerium für die nationale Sicherheit zuständige John Demers am Mittwoch.

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„Sie tolerieren es nicht nur“, fügte Demers bei einer Konferenz des Medienunternehmens Cyberscoop hinzu. „Sie stellen sich aktiv den Bemühungen der US-Sicherheitsbehörden in den Weg, diese Art des Hackens zu bekämpfen.“

Demers Äußerungen fielen zeitlich mit dem Gipfel-Treffen zusammen, auf dem auch das Thema Cyberangriffe auf der Tagesordnung stand.

USA und Russland vereinbaren Rückkehr ihrer Botschafter

Putin dürfte es schon als Gewinn verbuchen, dass ihn Biden überhaupt zum Gipfeltreffen eingeladen hat – in Washington wurde das als „Belohnung“ Putins kritisiert. Biden betonte beim Gipfel aber wieder sein altes Mantra: „Ich denke, es ist immer besser, sich von Angesicht zu Angesicht zu treffen.“

Wladimir Putin, Präsident von Russland, äußert sich auf einer Pressekonferenz
Wladimir Putin, Präsident von Russland, äußert sich auf einer Pressekonferenz

© dpa/Denis Balibouse

Auf der anschließenden Pressekonferenz teilte Putin mit, dass er und US-Präsident Joe Biden sich bei ihrem Gipfel in Genf auf eine Rückkehr ihrer Botschafter nach Moskau und Washington geeinigt haben. Die Diplomaten waren im Frühjahr im Zuge wachsender Spannungen zwischen beiden Ländern jeweils in ihre Heimat zurückgekehrt.

„Sie werden an ihren Arbeitsplatz zurückkehren“, sagte Putin. Der Schritt gilt als Zeichen einer Deeskalation zwischen Moskau und Washington. Das Gespräch mit Biden sei „absolut konstruktiv“ verlaufen, sagte Putin. „Es gab keinerlei Feindseligkeit.“ Beide Staatschefs hätten sich zudem darauf geeinigt, Konsultationen zum Thema Cybersicherheit aufzunehmen.

Putin verteidigt Nawalny-Inhaftierung

Die Inhaftierung des Kremlgegners Alexej Nawalny hat Wladimir Putin verteidigt. Der Oppositionelle habe bewusst russische Gesetze ignoriert, sagte er. Nach seinem Krankenhausaufenthalt in Deutschland habe der 45-Jährige Videos im Internet veröffentlicht und sei den russischen Meldeauflagen nicht nachgekommen. „Er hat das gemacht, was er wollte.“ Er sei bereit gewesen, festgenommen zu werden. Putin erwähnte während der Pressekonferenz in Genf nicht den Namen seines Gegners.

Nawalny war Mitte Januar bei seiner Rückkehr aus Deutschland nach Russland an einem Flughafen in Moskau festgenommen worden. Danach verurteilte ihn ein Gericht zu mehreren Jahren Straflager. Er soll gegen Meldeauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben, während er sich in Deutschland von einem Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok erholte. Auch die EU und die USA haben wegen der Verurteilung bereits Sanktionen gegen Russland verhängt.

Putin hält Kompromiss mit USA bei Gefangenenaustausch für möglich

Zudem sprachen die beiden Staatschefs über einen möglichen Austausch von Gefangenen. „Präsident Biden hat dieses Thema in Bezug auf amerikanische Staatsbürger in Gefängnissen der Russischen Föderation angesprochen“, sagte Putin. „Es können gewisse Kompromisse gefunden werden. Das russische Außenministerium und das US-Außenministerium werden in diese Richtung arbeiten.“

Vor dem Gipfeltreffen war insbesondere in den USA spekuliert worden, dass sich die Präsidenten darauf einigen könnten, dass die in Russland inhaftierten Amerikaner Paul Whelan und Trevor Reed gegen die in den USA verurteilten russischen Staatsbürger Viktor But und Konstantin Jaroschenko ausgetauscht werden könnten. Joe Biden machte auf seiner Pressekonferenz, die einige Zeit später stattfand, früh deutlich, dass er eine russische Einmischung in US-Demokratie „nicht tolerieren“ werde. Der Ton des ganzen Treffens sei insgesamt gut, positiv gewesen. „Es gab keine schrillen Aktionen. Wenn wir nicht gleicher Meinung waren, haben wir es gesagt, aber nicht in einer hitzigen Atmosphäre“, so der US-Präsident.

Biden und Putin einigen sich auf Gespräche zur Rüstungskontrolle

Biden erklärte weiter: „Ich freue mich, dass wir uns heute darauf geeinigt haben, einen bilateralen strategischen Stabilitätsdialog zu starten.“ Militärexperten und Diplomaten beider Länder sollten an einem Mechanismus arbeiten, der zu einer Kontrolle neuer und hochentwickelter Waffen führen könne. Die Gespräche über die strategische Stabilität gelten als wichtiges Signal für die globale Sicherheit.

US-Präsident Joe Biden während er eine Pressekonferenz nach dem US-Russland-Gipfel in Genf
US-Präsident Joe Biden während er eine Pressekonferenz nach dem US-Russland-Gipfel in Genf

© REUTERS/Kevin Lamarque

Die USA hatten sich zuletzt aus mehreren Abkommen verabschiedet, weil sich Russland nicht an die Regeln gehalten haben soll. Moskau wies dies zurück und warnte immer wieder davor, dass ein Ausstieg aus den Abkommen zu einem Wettrüsten führen könnte. So zogen sich die USA etwa unter Biden-Vorgänger Donald Trump aus dem INF-Vertrag über das Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenwaffen zurück.

Anfang Juni hatte Putin den Ausstieg seines Landes aus dem Vertrag über internationale militärische Beobachtungsflüge besiegelt. Das Abkommen über den Offenen Himmel (Open Skies Treaty) von 1992 galt als wichtige vertrauensbildende Maßnahmen. Es steht vor dem Aus, nachdem die USA ausgestiegen waren. Die Regierung des damaligen US-Präsidenten Trump hatte schon vor rund einem Jahr mitgeteilt, dass sich die USA aus dem Open-Skies-Abkommen zurückziehen würden.

Damit blieb zwischen den USA und Russland nur ein wichtiges Abkommen zur Rüstungskontrolle bestehen: der atomare Abrüstungsvertrag New Start. Kurz vor dessen Auslaufen im Februar hatten sich Biden und Putin auf eine Verlängerung geeinigt. Der New-Start-Vertrag begrenzt die Nukleararsenale beider Länder auf je 800 Trägersysteme und 1550 einsatzbereite Atomsprengköpfe. (Tsp, dpa, AFP)

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