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Politik: Rückzug in die Alpenfestung - viele Schweizer wählen aus Angst vor Europa rechts (Kommentar)

Haider, Blocher, Bossi. Nach dem Wahlerfolg des Züricher Multimillionärs Christoph Blocher bei den Parlamentswahlen in der Schweiz stellt sich die politische Landkarte der Alpen in neuem, allerdings eher trübem Licht dar.

Haider, Blocher, Bossi. Nach dem Wahlerfolg des Züricher Multimillionärs Christoph Blocher bei den Parlamentswahlen in der Schweiz stellt sich die politische Landkarte der Alpen in neuem, allerdings eher trübem Licht dar.

Drei Wochen nach dem Rechtsruck in Österreich haben nun auch die Wähler in der Schweiz an den Grundpfeilern ihres Systems gesägt. Nimmt man die populistische "Lega Nord" des Italieners Umberto Bossi hinzu, so formt sich in der Mitte Europas das unschöne Gemälde einer anti-europäischen Abwehrhaltung, die von einem Teil der Wähler kräftig unterstützt wird: gegen die EU, gegen die hergebrachte Ämterteilung unter den etablierten Parteien an der Spitze des Zentralstaats, gegen Ausländer.

Kein zweiter Haider

Natürlich zeigen sich Schattierungen, wenn man näher hinschaut: Der Züricher Industrielle Blocher ist kein zweiter Haider. Es ist auch keinesfalls ausgemacht, dass der Schweizer seine SVP so fest im Parteiengefüge wird verankern können, wie dies Haider mit der FPÖ gelungen ist. Die Blocher-Partei findet in der weltoffeneren Romandie kaum den Zuspruch wie in der deutschsprachigen Schweiz. Und die Wähler, die sich bei diesen Nationalratswahlen für die Schweizerische Volkspartei entschieden haben, decken noch lange nicht das Spektrum ab, das die FPÖ in Österreich bedient. Zu Recht darf die FPÖ für sich beanspruchen, einerseits die eigentliche "Arbeiterpartei" in Österreich geworden zu sein, andererseits aber auch Wähler in allen Milieus vorweisen zu können.

In der Schweiz hingegen rekrutiert die SVP ihre Wähler nach wie vor hauptsächlich im ländlichen Raum, in den unteren Bildungsschichten und vor allem dort, wo die Angst vor einem EU-Beitritt am stärksten grassiert: bei den Bauern. Im Medienzeitalter gibt es schließlich noch einen weiteren, entscheidenden Unterschied zwischen den drei Personen, die das Protestpotenzial in Österreich, der Schweiz und Italien auf sich vereinen: Das Image des smarten Aufsteigers, das Medien-Figuren wie Haider und Bossi inbesondere für jüngere männliche Wähler so attraktiv erscheinen lässt, geht dem altväterlich wirkenden Schweizer Blocher völlig ab.

Hassliebe zur großen Koalition

Bei allen Unterschieden zwischen der direkten Schweizer Demokratie und ihrem Zwang zum Konsens, der österreichischen Hassliebe zur großen Koalition und den seltsamen Devolutions-Theorien des Italieners Umberto Bossi: Christoph Blochers Erfolg in der Schweiz muss in Europa die Alarmglocken schrillen lassen. Aus dem Spannungsverhältnis zur Europäischen Union scheint bei einem Teil der Wählerschaft in den Alpentälern eine Stimmung gewachsen zu sein, die der Einfachheit halber als "nationalkonservativ" oder "rechtspopulistisch" bezeichnet wird. In Wirklichkeit ist sie aber im herkömmlichen Parteienspektrum nicht mehr einzuordnen. Das Phänomen Haider macht das deutlich.

Wenn in Europa vom "fernen Brüssel" und einer "unkontrollierbaren EU-Bürokratie" die Rede ist, so erscheint "Brüssel" aus der Alpen-Perspektive noch ferner. Die EU-Bürger in Österreich oder am italienischen Alpenrand haben so manche Schwierigkeiten mit den Segnungen der Europäischen Union - insbesondere wenn sie in der Form von massivem Transitverkehr oder undurchschaubaren Förderkriterien bei der gemeinsamen Agrarpolitik über die Bürger kommen. Aus diesem Grund traut sich die Politik in der Schweiz auch nicht, den Stimmbürgern die harte Nuss eines EU-Beitritts zuzumuten.

Haider, Blocher, Bossi: Was sie vereint, ist die idyllische Vorstellung vom "Réduit", von der Alpenfestung, die sich gegen die Zeitläufte der Moderne sperren kann.

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